Die weltweite Nachfrage nach Plastik hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten versechsfacht. Derzeit produziert die Menschheit knapp 400 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr. Wird dies zu Abfall, landet es häufig im Meer. Plastikmüll verschmutzt Ozeane und Strände, bedroht Flora und Fauna. Dieses Problem ist nicht neu und vor allem nicht regional begrenzt. Jetzt verleihen neue Regulierungen in Brüssel und Berlin sowie ein Plastikmüll- Importverbot der chinesischen Regierung dem Thema Nachdruck. Über Herausforderungen und Chancen der Plastikwende für die Wirtschaft sprach die Geno-Graph-Redaktion mit Duy Ton, Portfoliomanager aus der Abteilung für nachhaltiges Investieren bei Union Investment, der Fondsgesellschaft der Genossenschaftlichen Finanz-Gruppe, Frankfurt.
Im Februar 2018 ist Chinas National-Sword-Programm in Kraft getreten. Für 24 Abfallarten gilt seit dem ein Importverbot. Inwiefern verändert das unseren Umgang mit Plastik?
Es gab in den vergangenen Jahren eine Reihe an Maßnahmen, die seitens der Politik initiiert wurden, sei es nun das Importverbot Chinas oder die erhöhten Recyclingquoten, die die Europäische Union zuletzt festgelegt hat. Einen veränderten Umgang mit Plastik sehen wir aber schon seit Längerem.
Woran liegt das?
Die Umweltverschmutzung durch Plastik ist, anders als etwa die durch Kohlenstoffdioxid, für jeden sichtbar. Die Bilder von Tieren, die an Müllresten verenden und dann an die Meeresstrände gespült werden, kennen inzwischen viele aus den Medien. Das emotionalisiert – und das sensibilisiert stark für die Dringlichkeit dieses Problems.
Wie reagieren Unternehmen?
Unternehmen und Investoren fordern, in Kooperation mit Nichtregierungsorganisationen, einen verantwortungsvolleren Umgang mit Plastik, insbesondere was den Gebrauch von Single-Use-Plastik, wie von Einweggeschirr oder Wattestäbchen, angeht.
In welchen konkreten Maßnahmen schlägt sich das nieder?
Ich unterscheide da in Unternehmen, die Plastikmüll verursachen und solche, die Lösungen anbieten. Bei Ersteren gibt es einige, die sehr proaktiv sind, Plastikmüll zu vermeiden, um einerseits den Verbrauchern entgegen zu kommen und andererseits ihr Image zu verbessern. Adidas will beispielsweise künftig alle Textilien aus wiederverwertetem Kunststoff herstellen. Starbucks will auf Strohhalme verzichten. Andere Unternehmen wie Pepsi, Nestle und Danone setzen auf umweltfreundlichere Verpackungen. Wenn ich im Supermarkt am Wochenende meinen Pfand zurückbringe, stehe ich häufig lange an. Auch da muss sich beispielsweise etwas tun.
Reicht das denn? Bräuchte es nicht auch Alternativen zu Plastik?
Ja, um die Verschmutzung der Ozeane einzudämmen, braucht es auf der anderen Seite auch Unternehmen, die an alternativen oder gar biologisch abbaubaren Materialien forschen. Ich denke da etwa an das Chemieunternehmen Covestro oder den Verpackungshersteller Stora Enso aus Finnland. Aber wir dürfen Plastik auch nicht per se verteufeln. Ein Auto, in dem Plastik verbaut ist, ist automatisch auch leichter und verbraucht so weniger Energie. Plastik ist zudem ein sehr hygienischer Stoff und kommt häufig in Krankenhäusern und Operationssälen zum Einsatz, was Patienten zugute kommt.
Vor Chinas Importstopp stand es um die Recyclingbranche eher mau. Jetzt hat auch die EU die Recyclingquote erhöht. Ändert sich jetzt etwas hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit der Branche?
Von der erhöhten Recyclingquote profitiert die Entsorgungsindustrie sicher hinsichtlich eines zunehmenden Auftragsvolumens. Aber das bringt auch Herausforderungen mit sich. Das saubere Trennen und Recycling von Plastik ist je nach Beschaffenheit und Verarbeitung des Plastiks sehr schwierig. Es gibt spezialisierte Unternehmen, die gezielt nach besseren Recyclingmethoden suchen, wie etwa Tomra. Das ist ein norwegisches Unternehmen, das Leergutrücknahmeautomaten und Sortieranlagen herstellt.
Aus solchen Entwicklungen ergeben sich doch sicher auch interessante Investitionsmöglichkeiten für das Portfoliomanagement?
Natürlich sind das für uns potenziell interessante Unternehmen. Einige der Unternehmen sind aber im Mittelstand und so klein, dass sie gar nicht gelistet sind. Fehlt der Zugang über den Kapitalmarkt, weil ein Unternehmen gar nicht im MDAX oder dergleichen ist, wird es für uns schwer zu investieren. Ein anderer Weg ist, dass wir als nachhaltiger Investor direkt mit großen Unternehmen sprechen, die sich gezielt an Endverbraucher richten. Der ist in Deutschland schließlich mit Abstand der größte Müllproduzent.
Mit welchen Unternehmen sprechen Sie da beispielweise?
Im vergangenen Jahr haben wir Gespräche mit Henkel, Adidas oder Zalando geführt. Die meisten Unternehmen zeigen sich für so einen konstruktiven Dialog sehr offen. Denn wer das Thema Plastik nicht ernst nimmt, kann durchaus langfristig Gefahr laufen, wirtschaftliche und wettbewerbstechnische Nachteile davon zutragen. Henkel etwa hat das erkannt und verkauft keine Kosmetikartikel mehr mit Peeling-Artikeln, die sonst später nur als Mikroplastik in verschiedene Gewässer gelangen.
Und wie wird es langfristig weitergehen? Zur Diskussion steht, Unternehmen als Produzenten von Verpackungsmüll stärker zur Verantwortung zu ziehen.
Das würde das Problem mit dem Plastikmüll vermutlich aber nur bedingt lösen. Ein Zukunftsszenario könnte sein, dass der Müll gar nicht mehr auf der Müllkippe landet. Alles, was in die Tonne geht, geht direkt im Anschluss zu einem Recyclingunternehmen zur Wiederverwertung. Müll ist immerhin ein wertvoller Rohstoff, auf den wir in einer Welt mit immer knapper werdenden Ressourcen langfristig schlichtweg nicht mehr verzichten können.