„Nachhaltigkeit“ ist kein neues Konzept. Nach übereinstimmenden Angaben unterschiedlicher Quellen geht der Begriff „Nachhaltigkeit“ auf den Deutschen Freiberger Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz (1645 bis 1714) zurück, der ihn in seinem Buch von 1713 auf die Forstwirtschaft übertrug. Das Ziel war die Schaffung eines stabilen Gleichgewichts. Der Grundgedanke: In einem Wald sollten nur so viele Bäume abgeholzt werden, wie in diesem Wald in absehbarer Zeit nachwachsen können. Dadurch sollte langfristig der Bestand des Waldes sichergestellt werden, welcher die Basis der Forstwirtschaft bildet. Ein aktuelles und umfassendes Verständnis von Nachhaltigkeit liefert hier die Definition des ZNU – Zentrum für nachhaltige Unternehmensführung.
Auf politischer Ebene aufgegriffen und definiert wurde der Begriff „Nachhaltigkeit“ dann 1987 im sogenannten Brundtland-Report und erlangte damit große internationale Bekanntheit. Die Vereinten Nationen hatten die Brundtland-Kommission als Weltkommission für Umwelt und Entwicklung 1983 unter der Leitung des ehemaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland eingesetzt. Der Auftrag lautete, langfristige Perspektiven für eine Entwicklungspolitik aufzuzeigen, die zugleich umweltschonend ist. In dem Abschlussbericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ beschrieb die Kommission 1987 das Konzept einer nachhaltigen Entwicklung. Im Report findet sich auch die weltberühmte Definition für nachhaltige Entwicklung: „Humanity has the ability to make development sustainable – to ensure that it meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“
Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung
Die Frage einer nachhaltigen Entwicklung hat danach immer stärker an Bedeutung gewonnen. 2015 verabschiedete die UN-Vollversammlung im Rahmen des UN-Nachhaltigkeitsgipfels die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Ziel ist es, innerhalb von 15 Jahren verschiedene Maßnahmen zu initiieren, um die Lebensverhältnisse auf dem gesamten Planeten zu verbessern. Gleichzeitig soll für künftige Generationen ein Schutz der Erde sichergestellt werden. Die auch als Weltzukunftsprogramm bezeichnete „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ stellt klar, dass sich die globalen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft meistern lassen, wenn die internationale Staatengemeinschaft zusammenarbeitet. Die Agenda 2030 gilt sowohl für Entwicklungsländer, Schwellenländer und Industriestaaten. Sie verpflichtet alle Länder dazu, einen Beitrag zur Zukunft des Planeten zu leisten. Die Eckpfeiler bilden weltweiter wirtschaftlicher Fortschritt, soziale Gerechtigkeit und der Schutz der Umwelt. Entlang dieser drei Dimensionen – Wirtschaft (Ökonomie), Gesellschaft (Soziales), Umwelt (Ökologie) – definiert die Agenda 2030 insgesamt 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) mit 169 Unterzielen, deren Zielerreichung anhand von 244 Indikatoren überprüft wird. Die Ziele betreffen unterschiedliche Themen wie unter anderem die Bekämpfung von Armut und Hunger, menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum sowie Maßnahmen zum Klimaschutz. Die 17 Ziele machen deutlich, wie weit der Begriff der nachhaltigen Entwicklung heute gefasst wird. Die Frage der nachhaltigen Entwicklung stellt sich immer drängender – sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Globalisierung, Klimawandel, Migration, demographische Entwicklung, Umweltverschmutzung in Form von Plastikmüll in den Weltmeeren, Artenschwund, schwindende natürliche Ressourcen – dies alles verpflichtet die internationale Staatengemeinschaft zu einem gemeinsamen Handeln.
17 Nachhaltigkeitsziele
Auch in Deutschland spielt das Thema Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle. Deutschland bekennt sich zur Agenda 2030 und den 17 Nachhaltigkeitszielen. Die Bundesregierung hat 2017 in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie festgelegt, wie sie die Nachhaltigkeitsziele in Deutschland erreichen will und dafür 63 ergänzende Ziele beschlossen. Leitlinien der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie sind dabei Generationengerechtigkeit, Lebensqualität, sozialer Zusammenhalt und internationale Verantwortung. Zu diesen Leitlinien wurden Indikatoren mit mittelfristigen und langfristigen Vorgaben festgelegt (siehe dazu https://sustainabledevelopment-deutschland.github.io/). Zur Umsetzung der Agenda 2030 in Kommunen ist ein indikatorengestütztes Monitoring aufgebaut. Es wurden dazu Indikatoren/Kennzahlen definiert, mit denen die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele auf kommunaler Ebene abgebildet und überprüft werden kann (siehe dazu https://sdg-portal.de/de). Mit Hilfe des SDG-Portals sollen die Nutzerinnen und Nutzer schnell und intuitiv einen ersten Eindruck über den aktuellen Stand einer Kommune auf dem Weg zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen erhalten können. Die 17 Nachhaltigkeitsziele stellen eine gute Basis für den Aufbau einer Nachhaltigkeitsstrategie dar und lassen sich in diese hervorragend einbetten. Eine Nachhaltigkeitsstrategie darf dabei nicht isoliert stehen, sondern muss Teil der Unternehmensstrategie sein. Sie ermöglicht die Identifikation aller für ein Unternehmen wesentlichen Themen, sorgt für den effizienten Einsatz von Ressourcen und bietet einen langfristigen Orientierungsrahmen. Imageverbesserung und ein geringeres Risiko gegenüber Vorwürfen des Greenwashing sind als weitere Vorteile einer Nachhaltigkeitsstrategie zu nennen.
Fünf Bestandteile einer Nachhaltigkeitsstrategie
1. Vision
Eine Vision zu haben, bedeutet sich Vorstellungen über die zukünftige Ausrichtung und Entwicklung des Unternehmens zu machen. Sie beschreibt einen idealen Zustand in der Zukunft, den das Unternehmen erreichen möchte und macht den Mitarbeitern deutlich, worum es geht, wohin das Unternehmen möchte.
2. Verantwortlichkeiten
Es gilt festzulegen, wer sich im Unternehmen um das Thema Nachhaltigkeit kümmert. Da das Thema für alle Abteilungen eines Unternehmens relevant ist, bietet es sich an, neben einem „Nachhaltigkeitsbeauftragten“ ein abteilungsübergreifendes Team zu bilden.
3. Handlungsfelder
Es sind Handlungsfelder zu den drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales/Gesellschaft festzulegen und zu priorisieren, die in der Nachhaltigkeitsstrategie abgebildet und aufgegriffen werden sollen. Es macht wenig Sinn, alle möglichen Handlungsfelder anzupacken, sondern sich am Kerngeschäft des Unternehmens zu orientieren. Ansonsten besteht die Gefahr, sich zu verzetteln und am Ende mit relativ wenig konkreten Ergebnissen dazustehen.
4. Zielsystem
Nachdem die relevanten Handlungsfelder benannt sind, sind dazu passende Ziele festzulegen. Diese müssen „smart“ aufgebaut sein, das heißt, spezifisch, messbar, ambitioniert, realistisch und terminiert. Anschließend ist ein Maßnahmenkatalog aufzustellen, der das Erreichen der Ziele möglich macht. Kennzahlen, sogenannte KPIs (Key Performance Indicators), lassen Erfüllungsgrad und Fortschritt hinsichtlich der Zielsetzungen erkennen.
5. Review
Da nichts so beständig ist wie der Wandel gilt es die Nachhaltigkeitsstrategie mit ihren Zielsetzungen und Maßnahmen regelmäßig zu überprüfen und an neue Entwicklungen anzupassen.
In den vorstehend genannten Bestandteilen zeigt sich sehr schön der klassische Managementzyklus, PDCA genannt – Plan, Do, Check, Act, der für einen systematischen, strukturierten Entwicklungs- und Veränderungsprozess sorgt.
Fünf Schritte zu einer Nachhaltigkeitsstrategie
Zwecks Aufbau einer Nachhaltigkeitsstrategie bietet sich ein 5-Schritte-Plan an.
Schritt 1 Bestandaufnahme/Ist-Analyse
Im ersten Schritt erfolgt die Bestandsaufnahme. Hier wird ermittelt, wo das Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit steht. Wie Nachhaltigkeit bereits im Unternehmen verankert ist, was es bereits an Aktivitäten gibt, wo bereits Schwerpunkte liegen, wo die Wettbewerber stehen usw. Dabei ist darauf zu achten, den Betrachtungsschwerpunkt nicht allein auf Umweltaspekte zu richten, was vielfach der Fall ist, sondern alle drei Säulen der Nachhaltigkeit, also auch Ökonomie und Soziales/Gesellschaft einzubeziehen.
Schritt 2 Stakeholder-Analyse/Analyse der Interessengruppen
An die Bestandaufnahme schließt sich die sogenannte Stakeholder-Analyse an. Hier ist zuerst die Frage zu klären, wer überhaupt zu den Stakeholdern des Unternehmens zählt. Unter Stakeholder sind die Interessen- und Anspruchsgruppen zu verstehen, die in welcher Form auch immer mit dem Unternehmen in Verbindung stehen und relevante Anforderungen oder Erwartungen an das Unternehmen stellen. Stakeholder können zum Beispiel Mitglieder, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Nichtregierungsorganisationen, Investoren, Nachbarn etc. sein.
Schritt 3 Themenanalyse
Im dritten Schritt, der Themenanalyse, geht es um die Betrachtung und Berücksichtigung politischer, gesellschaftlicher und branchenspezifischer Aspekte und Entwicklungen. Als einige Beispiele seien hier nur das Verbot von Einwegplastik, das auf den Weg gebrachte Lieferkettengesetz, das Verbot von Schottergärten, das Entstehen von Unverpackt-Läden oder der Trend zu Sharing-Konzepten, wie zum Beispiel Carsharing oder Lebensmittel teilen statt wegwerfen, genannt. Um wesentliche Themenfelder zu erkennen, können Standards aus unterschiedlichen Bereichen hilfreich sei. Zu nennen ist einmal die internationale Norm ISO 26000. Diese Norm hat weltweit viel Aufmerksamkeit und Interesse erregt. Sie ist die erste ISO-Norm zum Thema gesellschaftliche Verantwortung und der erste Leitfaden dieser Art, der sich explizit nicht nur an Unternehmen, sondern an alle Arten von Organisationen richtet. Es ist damit zu rechnen, dass die ISO 26000 zu einer bedeutenden internationalen Referenzgröße im Bereich verantwortungsvoller Organisationsführung wird.
Daneben hat sich der Nachhaltigkeitsstandard des ZNU – Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung als interessanter Ansatz herauskristallisiert, der auf der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie aufsetzt und inzwischen zertifiziert werden kann.
Und last but not least ist auf die Global Reporting Initiative (GRI) zu verweisen, die insbesondere durch die Verpflichtung zum Erstellen von Nachhaltigkeitsberichten/CSR-Berichten (Corporate Social Responsibility) für große Unternehmen relevant ist, sondern auch für kleine Unternehmen zur Inspiration genutzt werden kann.
Schritt 4 Wesentlichkeitsanalyse
Sind die Themenfelder festgelegt, auf die die Nachhaltigkeitsstrategie ausgerichtet werden soll, ist eine sogenannte Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen. Hier geht es um die Fokussierung auf das Wesentliche, um die Priorisierung der relevanten Themenfelder. Sie bildet den Eckpfeiler für die strategische Ausrichtung. Die Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse lassen sich anschaulich in einer sogenannten Wesentlichkeitsmatrix abbilden, wie sie sich oft in Nachhaltigkeits- beziehungsweise CSR-Berichten wiederfindet. Im Rahmen eines Vier-Felder-Portfolios werden die Themenfelder zum einen nach der Relevanz für das Unternehmen, zum andern nach der Relevanz für die Stakeholder bewertet. Damit werden wesentliche von eher unwesentlichen Themenfeldern abgegrenzt. Empfehlenswert ist, angesichts von in der Regel begrenzten Ressourcen nicht zu viele Themenfelder aufzugreifen, in der Regel reichen fünf bis zehn Felder aus. Die DAX-Unternehmen konzentrieren sich beispielsweise im Durchschnitt auf 15 Felder. Weniger kann also durchaus mehr sein, wenn es gelingt, das Weniger erfolgreich umzusetzen.
Schritt 5 Ziele, Kennzahlen, Maßnahmen
Im fünften Schritt wird zu den jeweiligen Themen Handlungsfeldern ein Zielsystem aufgestellt, das mit Maßnahmen und Kennzahlen zur Erfolgsmessung versehen ist. Ein Zielsystem besteht in der Regel aus einem Oberziel, aus dem Unterziele abgeleitet werden. Ein Oberziel kann zum Beispiel Klimaschutz sein, ein Unterziel dazu die „Klimaneutralität bis 2030“, ein Unterziel dazu „die Bestandsaufnahme abgeschlossen bis Ende 2021“. Maßnahmen müssen nach Aufwand und Nutzen bewertet und festgelegt werden, Kennzahlen sollten die Zielerreichung angemessen wiedergeben, was bei quantitativen Kennzahlen wie Energieverbräuchen relativ einfach erfüllt werden kann, bei qualitativen Kennzahlen wie beispielsweise zur Mitarbeiterzufriedenheit jedoch durch aus Schwierigkeiten bereiten kann.
Fazit
Nachhaltigkeit ist inzwischen eines der größten Themen unserer Zeit. Durch die massive Medienpräsenz, großes öffentliches Interesse und zunehmende Vorgaben und Verschärfungen durch die Politik wird es für Unternehmen immer wichtiger, Wege zu einem verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen zu finden und diese offen zu kommunizieren. Es gilt dabei, den Dreiklang von ökonomischen, ökologischen und sozialen/gesellschaftlichen Belangen in ein vernünftiges ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Das Aufstellen und Umsetzen einer an internationalen wie nationalen Nachhaltigkeitsstandards und -zielen ausgerichteten Strategie leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Zukünftiger wirtschaftlicher Erfolg wird maßgeblich von einer nachhaltigen Geschäftspolitik profitieren.
Mit einem umfassenden, einzigartigen, kreativen und strategisch fundierten Nachhaltigkeitsmanagement gelingt es auch langfristig, sich aus der Masse der Wettbewerber hervorzuheben. Es ist daher zu empfehlen, sofern noch nicht geschehen, den Unternehmenskontext mit den Chancen und Risiken für das eigene Unternehmen intensiv zu analysieren und eine auf das Unternehmen zugeschnittene, realistische Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln.
ZNU – Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung
„Nachhaltiger Wirtschaften bedeutet, auf Unternehmens- und auf Produktebene schrittweise mehr Verantwortung für Mensch und Natur zu übernehmen – vom Unternehmensstandort über die Wertschöpfungskette bis hin zur Gesellschaft. Hierbei gilt es sowohl das globale Nord-Süd-Gefälle als auch die zukünftigen Generationen im Blick zu haben. Nachhaltiger Wirtschaften ist ein mittel- bis langfristiger Lernprozess, der einen offenen Dialog mit den Anspruchsgruppen des Unternehmens voraussetzt.“ (ZNU 2013, basierend auf UN-Definition Nachhaltige Entwicklung & EU-Definition CSR)