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Nachhaltige Transformation im Immobiliensektor – ein Interview

Union Investment Immobilienbewertung Gebäude von Union Investment in Helsinki
Union Investment

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Die 1965 gegründete Union Investment Real Estate GmbH mit Sitz in Hamburg ist die Spezialistin für private Immobilieninvestments innerhalb der Union-Investment-Gruppe. Ihre Schwestergesellschaft, die Union Investment Institutional Property GmbH, konzentriert sich auf Immobilieninvestitionen für institutionelle Kunden. Mit einem verwalteten Anlagevermögen von rund 47 Milliarden Euro ist Union Investment einer der führenden Immobilien-Investmentmanager in Europa. Das Unternehmen investiert in die Bereiche Büro, Einzelhandel, Hotel, Logistik und Wohnen und hält weltweit rund 425 Immobilien in 23 Ländern im aktiv gemanagten Bestand. Als Asset Manager verwaltet Union Investment etwa 8,6 Millionen Quadratmeter Gewerbeimmobilienfläche, die von rund 9.800 Mietern genutzt werden. 2018 hat sich Union Investment Real Estate mit der Manage-to-Green-Strategie das Ziel gesetzt, das Immobilienportfolio bis 2050 klimaneutral aufzustellen.

Herr von Mallinckrodt, kurz zur Einordnung: Wie wird Nachhaltigkeit bei Union Investment „gelebt“ – wie ist das Thema aufgehängt und mit welcher Manpower wird daran gearbeitet? Wie kann man sich die Zusammenarbeit bei diesem übergreifenden Thema bei Union Investment vorstellen?

Union Investment Immobilienbewertung
Jan von Mallinckrodt, Head of Sustainability bei Union Investment Real Estate: „Die Dekarbonisierung des Immobilienbestands ist alternativlos und der Druck wird weiter steigen.“

Nachhaltigkeit ist bei Union Investment bereits seit rund 15 Jahren ein wichtiges und strategisch fest verankertes Thema. Sie beruht auf den drei Säulen Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung, abgekürzt ESG. Ein nachhaltig ausgerichtetes Immobilienportfolio lässt sich nur mit einem langfristig orientierten Management, einer klar formulierten Strategie und im fortlaufenden Dialog mit den Mietern erreichen. Im Immobilienbereich von Union Investment kümmert sich ein siebenköpfiges Expertenteam auf der Grundlage etablierter Bewertungssysteme seit 2009 um die Umsetzung und Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie.

Wenn ich Ihren Kollegen Dr. Henrik Pontzen (Leiter der Abteilung ESG im Portfoliomanagement) in Bezug auf Unternehmen zitieren darf: „Wir müssen diejenigen, die heute noch braun sind, grün machen. Nicht die grünen noch grüner.“ Kann dies auf den Immobiliensektor übertragen werden beziehungsweise wie würde dies im Immobilienbereich aussehen und welche Auswirkungen hat dies für die Anleger/Kunden/Mieter oder auch grundsätzlich für die Branche?

Analog würde das bedeuten, die grünen Gebäude nicht noch grüner zu machen, sondern die nicht nachhaltigen Objekte nachhaltig. Dem kann ich nur zustimmen. Bei jeder Immobilie können die Nachhaltigkeitskriterien anders umgesetzt werden, und das zu völlig unterschiedlichen Kosten. Zudem ist nicht jedes Kriterium für jede Immobilie sinnvoll. Eine nachträgliche Integration von Grauwassernutzung beispielsweise ist für Büroimmobilien in aller Regel ökonomisch nicht sinnvoll. Geothermie ist auch nicht an jedem Standort machbar. Außerdem muss man zwischen Neubau und Bestandsobjekt unterscheiden: Beim Neubau etwa sind die Nachhaltigkeitskriterien nach aktuellem Stand nicht zwingend ein Kostentreiber. Sie müssen allerdings frühzeitig in der Planung und Durchführung berücksichtigt werden. Eine Bestandsimmobilie nachhaltig auszugestalten, ist indes eine Herausforderung für sich. Wie können beispielsweise Immobilien, die den derzeitigen Anforderungen der EU-Taxonomie nicht entsprechen und etwa kein EPC Rating A vorweisen, transformiert und weiterentwickelt werden? Hier gilt es, einen umsetzbaren Business Case zu finden. Darauf müssen wir uns vor allem konzentrieren – nicht auf Neubauten und deren Kosten.

Union Investment, speziell bei Ihnen in Hamburg, also im Immobilienbereich, schreibt sich „Manage to Green“ auf die Agenda. Bis 2050 soll der Immobilienbestand klimaneutral sein. Wie kam es dazu und wie soll dieses Ziel erreicht werden?

Uns war schon früh klar, dass am Klimaschutz kein Weg vorbeiführt. Vor diesem Hintergrund hat Union Investment bereits im Jahr 2009 den hauseigenen Sustainable Investment Check, kurz SI-Check, eingeführt. Damit werden bei jedem Ankaufsprozess die ESG-Kriterien des Objekts oder der Projektentwicklung überprüft. Außerdem werden unsere Bestandsgebäude einmal pro Jahr analysiert, um Potenzial für eine kontinuierliche Verbesserung der Nachhaltigkeits-Performance unserer Büro-, Einzelhandels-, Hotel- und Logistikimmobilien aufzuzeigen. Erst kürzlich haben wir den SI-Check zudem um die Nutzungsart „Wohnen“ ergänzt, um auch dem stetig wachsenden Anteil an Wohnobjekten in unserem Portfolio gerecht zu werden. Der SI-Check erfasst insgesamt sieben Kategorien, darunter gebäudestrukturrelevante Daten, Maßnahmen im Betrieb und den Nutzerkomfort. Die Objekte können eine Bewertung zwischen 0 und 5 erzielen. So wissen wir frühzeitig, welche Stärken und Schwächen das Gebäude hat und was kurz- oder mittelfristig getan werden muss.

Wenn wir von Klimaneutralität sprechen, reden wir automatisch von CO2-Bilanzen oder Emissionswerten. Die CO2-Werte für private Wohngebäude in Deutschland haben noch Nachholbedarf. Daher werden noch viele Investitionen und Sanierungen notwendig sein. Wie sehen die Klimabilanzen bei Gewerbeimmobilien/Investitionsobjekten bei Ihnen aus und wo sehen Sie am meisten Handlungsbedarf?

Die Energie- und CO2-Reduktion zählen aktuell auf jeden Fall zu den wichtigsten Anliegen. Gleichzeitig sind Gebäude aber keine „Ware“ und können nur gemeinsam mit ihren Nutzern – unseren Mietern – betrachtet werden. Außerdem gehören die Gebäude unseren Kunden, den Anlegern. Deshalb spielen natürlich auch andere ESG-Kriterien sowie die Kommunikation und Sensibilisierung eine entscheidende Rolle.

Union Investment hat bekanntlich „SIRIS“ für die Ermittlung eines ESG-Score bei ihren Aktien- und Rentenfonds im Einsatz. Wird beziehungsweise kann diese auch bei Immobilienfonds angewandt werden?

Nein, für unsere Immobilienfonds haben wir – wie bereits erwähnt – 2009 unseren hauseigenen SI-Check eingeführt, um die Nachhaltigkeitsanforderungen umzusetzen. Die Ergebnisse und Potenziale des SI Checks, aber auch aktuelle Energieverbrauchsdaten und CO2-Emissionen, dokumentieren und managen wir in unserer Nachhaltigkeitssoftware ImmoSustain. Alle relevanten Nachhaltigkeitsdaten sind hier auf Objekt- und Fondsebene für Asset- und Fondsmanager einsehbar und bilden eine wichtige Diskussionsgrundlage für Verbesserungen.

Wenn wir den Investmentprozess betrachten: Wie werden Nachhaltigkeitskriterien im Investmentprozess genutzt und inwieweit sind sie letztlich ausschlaggebend für eine Investition?

Das Prinzip der ESG-Integration ist bei allen Investitionsentscheidungen verankert. Darunter versteht man die systematische Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren in den wesentlichen Schritten des Investmentprozesses. Nachhaltigkeitsfaktoren sind dabei unter anderem Umwelt, Sozial- und Unternehmensführungsbelange. Nachhaltigkeitsexperten und Risikomanager analysieren zudem die wesentlichen Nachhaltigkeitsrisiken für eine Immobilie beziehungsweise den Immobilienfonds und erweitern damit die klassische Ankaufsprüfung um finanziell relevante Nachhaltigkeitsrisiken. So wird im Rahmen jeder Ankaufsprüfung beispielsweise eine Umwelt-Due-Diligence durchgeführt, bei der unter anderem Bodenverunreinigungen auf dem Grundstück untersucht und bewertet werden.

Zudem wird der SI-Check vor jedem Ankauf durchgeführt und ist fester Bestandteil der Investmententscheidung. Werden festgelegte Grenzwerte nicht erreicht, müssen die notwendigen Investitionen zur Erfüllung der Werte eingepreist und in der Investitionsplanung berücksichtigt werden. Damit stellen wir direkt zu Beginn des Investments eine nachhaltige Weiterentwicklung der Immobilie sicher.

Wenn wir beim Investmentprozess verbleiben – welche Ausschlusskriterien hat sich Union Investment gesetzt?

Immobilienverkäufer sowie Mieter der angedachten Immobilienkäufe werden einem Prüfprozess unterzogen, der kontroverse Geschäftspraktiken oder Geschäftsfelder, unter anderem im Sinne der Prinzipien des UN Global Compact (beispielsweise kontroverse Waffen) aufzeigt. Wird eine entsprechende Auffälligkeit angezeigt, erfolgt kein Ankauf.

Wenn wir dann einen Schritt weitergehen und die Immobilieninvestitionen im Nachgang betrachten, wie wirken sich Nachhaltigkeitsrisiken im Immobilienbereich/-fonds aus? Welche Faktoren spielen hier eine zentrale Rolle und wie werden die Nachhaltigkeitsrisiken nach dem Erwerb der Immobilie/bei Bestandsimmobilien gesteuert?

Um Nachhaltigkeitsrisiken zu verringern, sucht das Fondsmanagement den konstruktiven Dialog mit den Asset Managern, die die Immobilien betreuen und weiterentwickeln. Ziel ist es, Portfolien aktiv in Bezug auf Chancen und Risiken weiterzuentwickeln, die in Verbindung mit Nachhaltigkeitsfaktoren stehen können. Wir überprüfen beispielsweise die Energieverbräuche und Emissionen unserer Gebäude und vergleichen diese untereinander. Hat ein Gebäude überdurchschnittlich hohe Verbräuche – gehen wir diesen mit Hilfe unserer Property Manager auf den Grund. In einigen Gebäuden haben wir zudem bereits Energiemonitoringsysteme installiert. Damit können die komplexen technischen Anlagen so präzise gesteuert werden, dass erhebliche Einsparungen im Energieverbrauch erzielt werden können. Vor Jahren haben wir außerdem alle unsere Immobilien in Deutschland auf Ökostrom in den Allgemeinflächen umgestellt und dies mittlerweile auf einige europäische Länder ausgeweitet. Wann immer es sinnvoll ist, wird die herkömmliche Beleuchtung zudem durch LEDs ausgetauscht. Oft kann schon mit einfachen Maßnahmen eine Verbesserung erzielt werden. Man muss nur das Problem erkennen. Doch genau das ist nicht so einfach. Zum Management der komplexen Daten setzen wir mit „ImmoSustain“ eine spezielle Software ein, die eigens für Union Investment weiterentwickelt und angepasst wurde.

Was können Ihrer Meinung nach die Volksbanken und Raiffeisenbanken darüber hinaus zur Erfüllung der ESG-Ziele/SDGs beitragen, um den Transitionsprozess weiter voranzutreiben?

Die Banken können sich in den Transitionsprozess auf verschiedenen Ebenen wesentlich einbringen. Zunächst ist es wichtig, dass ein gemeinsames Verständnis darüber besteht, dass eben dieser Transitionsprozess für die Erreichung der SDGs entscheidend ist – wie oben bereits besprochen ist der ökologische Mehrwert am größten, wenn „braune“ Immobilien „grün“ werden. Banken können dies zum einen bei der Kreditvergabe berücksichtigen, indem sie beispielsweise vorteilhafte Kredite für energetische Verbesserungen an Gebäuden vergeben, und zum anderen bei den Investitionsentscheidungen. Mit der EU Offenlegungs-Verordnung erhalten Investoren wertvolle Informationen über die Nachhaltigkeit von Produkten und können diese perspektivisch anhand der Taxonomiequote, also dem Grad der Nachhaltigkeit, direkt vergleichen – auch hier gilt: Eine Taxonomiequote, die sich schnell nach oben entwickelt, weil Gebäude in einem Fonds energetisch verbessert werden, hat mehr positiven Einfluss auf die SDGs als eine Taxonomiequote, die hoch ist, aber konstant bleibt.

Wir wären kein Prüfungsverband, wenn wir nicht zum regulatorischen Umfeld eine Frage stellen würden. Regulatorik, Nachhaltigkeit im Immobiliensektor, Union Investment: Wo stehen wir hier aktuell und wo geht die Reise Ihrer Meinung nach hin?

Die Dekarbonisierung des Immobilienbestands ist alternativlos und der Druck wird weiter steigen. Viel Zeit bleibt uns nicht mehr. Um die ambitionierten Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen, dürften in den kommenden Jahren lokale Gesetze, Verordnungen und Bauvorschriften der Mitgliedsstaaten immer weiter verschärft werden. Die jüngsten Urteile des Bundesverfassungsgerichts, das von Deutschland einen strengeren Klimaschutz einfordert, und des Bezirksgerichts von Den Haag sind klare Zeichen in Richtung Nachhaltigkeit. Letzteres verurteilte den Ölkonzern Shell dazu, den Ausstoß von Kohlendioxid bis 2030 um 45 Prozent im Vergleich zu 2019 zu senken.

Der Entwurf des neuen Bundes-Klimaschutzgesetzes sieht nun eine Senkung der Treibhausgasemissionen von mindestens 65 Prozent bis zum Jahr 2030 vor - gegenüber 1990. Das sind enorme zehn Prozentpunkte mehr als im aktuellen Gesetz festgeschrieben sind. Bis zum Jahr 2040 sollen mindestens 88 Prozent eingespart werden (18 Prozentpunkte mehr) und bis zum Jahr 2045, fünf Jahre früher als zuletzt vorgesehen, sind die Emissionen so weit zu mindern, dass Netto-Treibhausgas-Neutralität erreicht wird. Welche Maßnahmen dafür notwendig sind, ist in Deutschland noch offen.

Allerdings dürfte das erst der Anfang sein. Andere Länder werden mit Sicherheit folgen. Außerdem könnten die Bestimmungen der jeweiligen Gesetze auch noch mit Sanktionen verbunden werden, wenn Bestandshalter ihr Portfolio nicht entlang des aufgezeigten Klimapfads weiterentwickeln. Wie Eigentümer von Immobilen die weltweiten CO2-Anforderungen umsetzen können und was konkret gefordert wird, ist noch überhaupt nicht klar. In einigen Ländern wurden bereits entsprechende Gesetze verabschiedet. Und wie das Shell-Urteil zeigt, werden auch immer mehr große Unternehmen Druck auf die Eigentümer ausüben (müssen), um ihre Flächen nachhaltig zu gestalten.

Gleichzeitig werden auf Produktebene ebenfalls die Regelungen verschärft. Der EU-Action-Plan-on-Sustainable-Finance wird nach wie vor stringent umgesetzt. Seit März dieses Jahres gilt die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor. Demnach dürfen nur noch ganz bestimmte Produkte als nachhaltig vertrieben werden. Was als nachhaltig gilt, regelt die EU Taxonomie. Wann ein Fonds in welche Kategorie fällt, hat die Europäische Union allerdings nicht in Form von konkreten Quoten geregelt. Die nationalen Regulierungsbehörden, wie die BaFin, werden voraussichtlich noch festlegen, wie hoch der taxonomiekonforme Teil des Portfolios sein muss, damit ein Fonds als nachhaltiges Finanzprodukt angeboten werden kann.

Zum Schluss noch eine Frage zum hauseigenen Nachhaltigkeitslabel „atmosphere“. In Ihren eigen Worten kurz erklärt.

Die Nachhaltigkeit einer Immobilie ist hochkomplex und muss viele Kriterien berücksichtigen.

Um diese Komplexität dennoch messen und Fortschritte sehen zu können, haben wir über die Jahre unterschiedliche Instrumente entwickelt. Diese mündeten 2019 in unser Nachhaltigkeitslabel „atmosphere“. Diese Kennzahl zeigt an, zu wieviel Prozent eine Gewerbeimmobilie oder ein Teilportfolio die Klimaschutzziele vorerst bis zum Jahr 2030 erfüllt – und was noch zu tun ist. So können Mieter, Anleger und Marktbegleiter auf einen Blick die Nachhaltigkeitsperformance einer Immobilie oder des jeweiligen Fonds erkennen.

Die Kriterien im Detail: Zu 40 Prozent fließen die Ergebnisse unseres SI-Checks ein. Zu weiteren 40 Prozent fließen Energie- und Wasserverbräuche sowie Abfall und CO2-Emissionen in den Zielerreichungsgrad ein. Es kann also konkret abgelesen werden, an welchem Punkt des Klimapfads sich das Gebäude befindet. Hinzu kommen 20 Prozent Governance-Themen auf Unternehmens- und Portfolioebene. Hierzu zählen beispielsweise Themen wie Unternehmenswerte oder Steuerungs- und Kontrollprozesse. Pandemiebedingt hat sich der Rollout des Labels allerdings nach hinten geschoben. Aktuell arbeiten wir an der technischen Umsetzung.

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