Dr. Dirk Vater, Partner und Leiter der Praxisgruppe Banken bei Bain & Company in Deutschland, Österreich und der Schweiz, beantwortete dem Genossenschaftsverband–Verband der Regionen, Neu-Isenburg, Fragen zur Bain-Studie „Deutschlands Banken 2018“.
In Ihrer Studie „Deutschlands Banken 2018“ haben Sie die Rentabilität unterschiedlicher Bankengruppen in Deutschland untersucht. Wie schneiden die Genossenschaftsbanken ab?
Die Genossenschaftsbanken haben 2018 ein sehr solides Ergebnis erzielt. Mit rund 3 Prozent Eigenkapitalrendite schnitten sie deutlich besser ab als der deutsche Bankensektor mit 2 Prozent. Diesen Wert erhält man, wenn man den Jahresüberschuss nach Steuern ins Verhältnis zum Eigenkapital setzt. Ohne die als Aufwand verbuchten Rückstellungen für allgemeine Bankrisiken kommen die Genossenschaftsbanken sogar auf stattliche 7 Prozent Eigenkapitalrendite – und können sich damit klar vom Gesamtmarkt absetzen.
Die Volksbanken und Raiffeisenbanken weisen große Teile ihrer Gewinne dem Bilanzposten „Fonds für allgemeine Bankrisiken“ zu und stärken damit ihre offenen Rücklagen. Was bedeutet das für die Berechnung der Eigenkapitalrenditen?
Der nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches ermittelte Jahresüberschuss dient auch als Ausschüttungsbemessungsgrundlage. Die Zuweisungen zum Fonds für allgemeine Bankrisiken mindern jedoch den Jahresüberschuss, da sie nicht mehr für eine eventuelle Ausschüttung an die Eigentümer zur Verfügung stehen. Institute, die diese Rückstellungen bilden, weisen unter Umständen eine Eigenkapitalrendite aus, die nicht ihre volle Ertragskraft widerspiegelt. Dies betrifft insbesondere Volks- und Raiffeisenbanken sowie Sparkassen, die über Zuführungen in den Fonds für allgemeine Bankrisiken auch ihre regulatorische Eigenkapitalbasis stärken. Wir haben uns deshalb entschlossen, für diese Bankengruppen in unserer Studie beide Berechnungsvarianten für die Eigenkapitalrendite auszuweisen.
In welchem Umfang haben Genossenschaftsbanken und Sparkassen in den vergangenen Jahrzehnten ihre Fonds für allgemeine Bankrisiken gestärkt?
Kumuliert konnten die genossenschaftlichen und öffentlichen Institute über die letzten 20 Jahre rund 85 Milliarden Euro an Reserven aufbauen, circa 27 Milliarden Euro waren es bei den Volks- und Raiffeisenbanken und etwa 50 Milliarden Euro bei den Sparkassen. Damit haben sie die Eigenkapitalbasis signifikant gestärkt – Kapitalerhöhungen mussten in der Regel nicht von den Anteilseignern finanziert werden. Andererseits heißt das aber auch: Die erwirtschafteten Erträge standen nicht für Ausschüttungen an die Eigentümer zur Verfügung.
Wie Ihre Studie zeigt, konnten etliche Volksbanken und Raiffeisenbanken 2017 ihr Renditeniveau nur durch Fusionen halten. Nach unserer Erfahrung als Genossenschaftsverband – Verband der Regionen ist dies unter anderem auf eine Bankenregulierung zurückzuführen, die kleine Institute überproportional mit Bürokratie belastet. Sind Bankenfusionen auch vor diesem Hintergrund immer der richtige Weg, um Synergien zu heben?
Die deutsche Bankenlandschaft gehört nach wie vor zu den am höchsten fragmentierten Märkten der Welt. Um von Größenvorteilen, beispielsweise bei Investitionen in die Digitalisierung, zu profitieren oder um hohe regulatorische Kosten zu schultern, wird der Konsolidierungstrend in Deutschland weiter anhalten. Fusionen sind aber kein Allheilmittel, und noch schöpfen nicht alle Institute ihr Potenzial in vollem Maße aus. Zwischen den renditestärksten und -schwächsten Banken in unserer Studie gibt es erhebliche Unterschiede auf Ertrags- und Kostenseite.
Welche Alternativen zur Fusion gibt es aus Ihrer Sicht?
Die Primärinstitute brauchen zunächst ein klares Verständnis ihres eigenen vollen Potenzials. Dafür ist eine kompromisslose Kundenorientierung bei gleichzeitig schlanken Strukturen nötig. Sie müssen abwägen, wie sie von Größenvorteilen, beispielsweise in der Regulierung oder Digitalisierung, profitieren können. Das kann über zentrale Dienstleister sichergestellt werden, über Partnerschaften oder eben auch durch Fusionen. Gerade die Bedeutung von Partnerschaften wird in Zukunft weiter steigen – auch über die Grenzen der Bankengruppen hinweg.