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Hybrides Arbeiten – so gelingt der Brückenschlag zwischen Remote und Präsenz

Hybrides Arbeiten in Genossenschaften
Rainer Sturm / pixelio.de

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Spätestens als die von der Politik ausgerufene Homeoffice-Pflicht Realität wurde, waren die Rahmenbedingungen, die unsere Arbeit in der nahen Zukunft prägen sollten, unmissverständlich gesetzt. Die Pflicht von zuhause aus zu arbeiten, lenkte die Aufmerksamkeit von Führungskräften und Teams auf das gemeinsame Funktionieren im Remote-Modus. Und obwohl Homeoffice und Homeschooling zeitweise nicht nur die Internet-Bandbreite, sondern auch die Nerven strapazierte, ist das den meisten von uns mit gutem Erfolg gelungen. 

Zwischenzeitlich haben wir in der virtuellen Zusammenarbeit Routinen entwickelt, uns digital zu organisieren, Online-Begegnungen persönlich zu gestalten und mit der Entgrenzung von beruflichem und privatem Raum umzugehen. Im Nachhinein betrachtet konnten wir der Situation sogar positive Seiten abgewinnen. So ersparten wir uns beispielsweise die staubelastete Fahrt zum Arbeitsplatz oder die lange Anreise zu einer Besprechung. Jetzt drehen sich die Arbeitsvoraussetzungen ein weiteres Mal. Es scheint wieder möglich, uneingeschränkt ins Büro zu gehen – „zurück auf Start“?! Was die einen freudig begrüßen, stellt für andere einen Rückschritt in frühindustrielle Zeiten dar. Hinzu kommt die Aussicht, dass uns die Corona-Krise einmal mehr ins Homeoffice zwingen könnte. Die mögliche Wahlfreiheit eröffnet aber einen dringend benötigten Diskurs, bei dem es um weit mehr geht als um die Frage nach dem richtigen Arbeitsort und der richtigen Arbeitszeit. Sie führt uns zu Fragen, wie wir Zusammenarbeit in unserer Organisation gestalten wollen, welche Freiheiten und welches Maß an Selbstbestimmung möglich sind, wie Kommunikation und Begegnung jenseits von Funktionalität gelingt, was wir effizienter lösen können und wie wir Lust darauf haben, unsere Potenziale zu nutzen – unsere eigenen und die der Organisation. 

Hybride Teams 

Das neue Zauberwort heißt hybrides Arbeiten beziehungsweise hybride Teams. Wer bereits über Filialgebiete hinweg oder in Projekten mit Kooperationspartnern zusammengearbeitet hat, der kennt diese Art der Team-Zusammenarbeit bereits. Hybride Teams zeichnen sich dadurch aus, dass die Zusammenarbeit so organisiert ist, dass Kolleginnen und Kollegen zeitlich und räumlich flexibel arbeiten und nicht mehr gezwungen sind, ständig vor Ort im selben Büro zu sein. Und genau diese Spannung zwischen „hier & dort“, „jetzt & später“ lädt ein, Eingeschliffenes zu hinterfragen und proaktiv das gerade für alle kompliziert erscheinende Miteinander neu zu gestalten.

Wie gelingt hybride Arbeit und welche Gestaltungsfelder gibt es?

Ob hybride Zusammenarbeit gelingt oder nicht, hängt von vielen Faktoren ab. Dabei spielen benötigte Technologien und Tools genauso eine Rolle, wie passende Bürokonzepte und gut organisierte Prozesse und Abläufe. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist auch die Rolle von Führungskräften und Teams. Von ihren Fähigkeiten, die gemachten Erfahrungen für sich zu reflektieren und ihrer Haltung, mit der sie den Herausforderungen der hybriden Arbeitswelt begegnen, hängt letztlich ab, wie gut wir diese nicht ganz so neue Arbeitssituation meistern werden. Erste ausgewählte Gestaltungsfelder für Führungskräfte und ihre Teams stellen wir Ihnen hier vor.

Aller Anfang ist Vertrauen

Sitzen Kolleginnen von 8 bis 17 Uhr im Büro vor ihrem Computer, zahlen sie bereits unbewusst auf das Vertrauenskonto ihrer Führungskraft ein. Warum? Physische Präsenz am Arbeitsplatz unterstellt in vielen Arbeitsbeziehungen immer noch per se, dass gearbeitet wird. Wenn das Team im Homeoffice arbeitet und außerhalb von Video-Konferenzen nicht „sichtbar“ ist, sorgt der fehlende Kontakt für Unsicherheiten. Dann wird es für manche Führungskräfte schwieriger, Vertrauen in die Eigenverantwortung und Eigenständigkeit der Mitarbeitenden zu entwickeln. Hinzu kommt, dass die Aufgaben der allermeisten heutigen Wissensarbeiter nicht in der Erstellung von Dokumenten oder der sichtbaren Fehlerbehebung bestehen. Wo vorzeigbare Arbeitsergebnisse sich der unmittelbaren Kontrolle entziehen, bedarf es noch mehr Vertrauen darauf, dass alle im Team ihre Aufgaben zuverlässig und gewissenhaft erledigen und niemand „Däumchen dreht“.

Vertrauen – auch eine Frage der Kompetenz

Es gibt Vertrauen, das sich auf die soziale Seite von Teams und Personen bezieht. Und solches, das die Fähigkeiten von Individuen und Teams in den Blick nimmt. Beides heißt nichts anderes als, dass wir an die emotionale Integrität der Kolleginnen und Kollegen sowie an deren Kompetenz glauben müssen. Wir erleben, dass hybride Arbeitswelten zum Beispiel höhere Anforderungen an die persönliche Selbstführungs- und Selbstorganisationskompetenz stellen. Team-Mitglieder, die diese Kompetenzen mitbringen, halten wir für vertrauenswürdig. Allerdings ist unser Zutrauen und Misstrauen in die Fähigkeiten unserer Mitarbeitenden sehr subjektiv und das führt nicht selten zu verzwickten Alltags- und Führungssituationen. So gerät die Entscheidung „Wer darf ins Homeoffice und wer nicht“ schnell mal zur Günstlings-Frage und wird im Zweifel durch eine formale „Jeder-darf-zwei-Tage“-Regelung aus der dringend benötigten Vertrauensdiskussion genommen. 

Um dem entgegen zu wirken, sollten Führungskräfte immer wieder ihre persönliche (Kompetenz-)Einschätzung überprüfen und klären, wessen Fähigkeiten wie jetzt besonders gestärkt werden müssen, um anschließend gezielt in den erforderlichen Kompetenzaufbau zu investieren. 

Strapaziertes Vertrauen wird schnell toxisch

In ähnlicher Weise stellt sich die Situation auf der sozialen Seite der Vertrauensmedaille dar. Im arbeitsalltäglichen persönlichen Miteinander sind Zuverlässigkeit, Eindeutigkeit im Handeln und Offenheit schon gute Garanten für ein gelingendes Zusammenspiel. Das ändert sich auch in der hybriden Arbeitswelt nicht. Wo sich Kolleginnen und Kollegen jedoch nicht unmittelbar erleben, braucht die Beziehungsebene sorgfältige Pflege und sollte frei von Zweideutigkeiten und doppelten Böden sein. Auch weitere wichtige Vertrauensindikatoren wie beispielsweise Akzeptanz und Toleranz werden durch das verteilte Arbeiten auf die Probe gestellt. Zu akzeptieren, dass die privaten Umstände des Kollegen mit einer großzügigeren Home-office-Regelung besser zu bewältigen sind oder die Kollegin nur im Büro konzentriert arbeiten kann und daher auf einen festen Arbeitsplatz besteht, fällt nicht immer leicht. Mit der Folge, dass dem eigenen Unmut oder dem Unverständnis bilateral Luft gemacht wird und das wiederum kann die Vertrauensbeziehungen im Team empfindlich stören. Spätestens jetzt ist Handeln gefragt. Führungskräfte unter-stützen durch regelmäßige Team-Reviews und -Feedbacks ihr Team dabei, vermeintlich „Unaussprechliches“ zu klären und ein tieferes Verständnis füreinander zu schaffen. Sie sorgen damit auch für klare Vereinbarungen und Regelungen im Team. So können Schieflagen auf der Vertrauensebene wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. 

Gegenwärtig werden wohl die allermeisten Führungskräfte der Entscheidung, inwieweit ihre Mit-arbeitenden künftig im Büro oder im Homeoffice arbeiten, relativ entspannt entgegensehen man kennt sich und blickt auf eine über Jahre gefestigte Vertrauensbeziehung zurück. Was die Arbeit in hybriden Teams jedoch nach Einschätzung vieler Führungskräfte anspruchsvoller macht, ist das Thema Kommunikation. Und das ist das zweite Gestaltungsfeld, in das wir etwas tiefer hineinblicken. 

Kommunikation – ist weniger doch mehr?

In der Phase der zwangsweisen Homeoffice-Pflicht haben wir uns nach der Zeit gesehnt, in der es möglich war, dem Kollegen mal eben etwas über den Schreibtisch zuzurufen. Oder schnell zur Kollegin ins Nebenbüro zu gehen, um mit ihr noch ein paar Fragen zu klären. Stattdessen haben wir uns gehetzt und meist ohne Pause von einem Meeting zum nächsten geklickt, um am Ende des Arbeitstages erschöpft und mit rotgeränderten Augen auf die Couch zu sinken. Die Vielzahl der virtuellen Kommunikations-Plattformen hat uns um ein Haar ein „Zoom Fatigue“ (einen virtuellen Erschöpfungszustand) beschert. 

Viele Führungskräfte und Teams haben erkannt, dass eine Falle in der Technologie liegt. Durch digitale Hilfsmittel ist es plötzlich weniger aufwändig, Video-Meetings anzusetzen oder ihnen beizutreten. Freigeschaltete Kalender lassen auf einen Blick erkennen, wer gerade verfügbar ist, und ein Raum muss auch nicht mehr gebucht werden. Die Folge, ein Meeting jagt das nächste. 

Ein erster Schritt muss also sein, gemeinsam mit dem Team zu prüfen, welche Besprechungen tatsächlich stattfinden müssen. Und wessen Teilnahme an welchem Gespräch wirklich zielführend ist. Unabhängig davon, ob Sie remote, hybrid oder in Präsenz arbeiten, eine „aufgeräumte“ Meeting-Struktur sorgt dafür, dass zwischendrin auch noch gearbeitet werden kann. 

Arbeitstreffen statt Diskussionsrunden

Apropos gemeinsam arbeiten. Hier liegt, nicht nur für hybride Teams, eine weitere Chance. Wenn Sie ein Meeting nicht länger als Diskussions- und  Informationsplattform, sondern als Arbeitstreffen betrachten würden, was verändert sich dadurch? Vermutlich entspannen sich die Kalender, das Team wird produktiver und die Themen kämen schneller vom Tisch.Charakteristisch für solche Treffen ist − neben Vorbereitung und thematischem Fokus − ein am Ende von allem gemeinsam erarbeitetes greifbares Ergebnis. Das kann ein gemeinsames Dokument, ein Konzeptpapier oder ein Entwurf für die nächste Vertriebskampagne sein. 

Gemeinsame Arbeitstreffen in hybriden Teams benötigen allerdings ein eindeutiges Setting. Jeder muss in gleicher Weise Zugriff auf alle Arbeitsmittel und Werkzeuge haben, keiner darf sich passiv in der Zuschauerrolle zurücklehnen. Leichter gelingt das, wenn entweder alle im Büro oder aber alle virtuell am Meeting teilnehmen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Produktivität sinkt oder sich diejenigen, die im Homeoffice arbeiten, nicht so stark einbringen wie die vor Ort.

Schnell und unkompliziert mittels Technik und klaren Regeln

Für die kurzen Dienstwege und den zwanglosen Austausch, wie wir ihn aus dem Büro kennen, benötigen hybride Teams technische Unterstützung und gemeinsame Verabredungen. Erfolgreiche Teams nutzen zum Beispiel Chat-Programme. Auf dem digitalen Kanal halten sie so die Wege kurz. Allerdings nicht ohne klare Vereinbarungen, wann jemand beispielsweise ungestört arbeiten möchte, welche Reaktionszeiten okay sind, etc. Für die Arbeit in Projekten bieten sich Projektmanagement-Tools an. Aufgaben verteilen, Termine vereinbaren und auf einen Blick den aktuellen Stand erfassen gelingt leicht und schafft für alle, gleich ob Homeoffice oder Büro, die nötige Transparenz. Diese und noch viele weitere Kommunikationsaspekte lohnen sich aufgegriffen und diskutiert zu werden. Grundsätzlich können Sie sich mit Ihrem Team dem Thema mit folgend Fragen gut nähern: Aus welchen Formaten bestand unsere „Regelkommunikation“ bisher? Wie sieht sie jetzt aus? Welche Meetings möchten wir bewusst im Büro und welche virtuell abhalten? Über welche Kanäle und wie oft kommuniziert wer mit wem? Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und Freude beim Ausprobieren.

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