Springe direkt zum Inhalt , zum Menü .

Digitaler Euro: Chancen erkennen, Risiken minimieren

Dr. Roman Glaser, BWGV, zum digitalen Euro
BWGV

/

Soll es den Euro in Zukunft auch als digitale Währung geben? Auch wenn aktuell sicherlich kein Mangel an Bezahlmöglichkeiten besteht, spricht vieles dafür, diese Frage mit „ja“ zu beantworten. Als die drei wichtigsten Argumente für die Einführung eines Digitalen Euros und eines auf das digitale Zeitalter ausgerichteten Geldsystems für die Wirtschaft werden genannt:

  1. Das Bezahlverhalten der Menschen ändert sich rasant, die Nutzung von Bargeld wird in der Zukunft immer weiter zurückgehen. Während an der Ladenkasse immer seltener nach Münzen und Scheinen, sondern nach Karten und Smartphones gegriffen wird, gibt es im Online-Handel noch nicht einmal eine Alternative. Dort geht es nur mit bargeldlosen Zahlungsmitteln. Daher nimmt die Bedeutung von Bargeld insgesamt immer mehr ab. 
  2. In Europa haben wir keine einheitliche Bezahllösung für die Ladenkasse und den Online-Handel. Häufig sind wir auf internationale Kartensysteme angewiesen, die ihren Sitz außerhalb Europas haben. Ein europäisches System wäre wünschenswert, und der Digitale Euro als europaweit einsetzbares Zahlungsmittel könnte dazu beitragen. 
  3. Für die Wirtschaft liegen in der digitalen Weiterentwicklung des Geldsystems große Chancen bezüglich neuer, innovativer Zahlungsprozesse, etwa autonome Zahlungen zwischen Maschinen. Außerdem ermöglicht es Automatisierungen sowie eine stärkere Integration des Zahlungsverkehrs in betriebliche Abläufe. Hiervon erhoffen sich die Unternehmen eine Steigerung der Effizienz der Zahlungsabwicklung sowie der vor- und nachgelagerten Prozesse.

Die Einführung eines Digitalen Euros durch die Europäische Zentralbank (EZB) hat durchaus ökonomisches Potenzial und könnte damit einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der digitalen und währungspolitischen Unabhängigkeit Europas leisten. Gleichzeitig stellte seine Einführung aber auch eine fundamentale Weichenstellung dar, die nicht nur unser Zahlungswesen auf Jahrzehnte hinaus prägen würde, sondern auch erhebliche Konsequenzen für die Finanz- und Geldpolitik sowie die Realwirtschaft haben könnte. Daher muss sorgfältig überlegt werden, wie der Digitale Euro ausgestaltet werden soll.

Dazu ist es notwendig, sich den grundlegenden Unterschied zu vergegenwärtigen von Zentralbankgeld und Buchgeld. Buchgeld ist Privatgeld, dem eine konkrete Forderung gegen eine Bank zugrundliegt – so wie wir es vom Girokonto kennen. Der Digitale Euro wäre hingegen Geld, das von der Zentralbank ausgegeben ist – so wie Bargeld. 

Für die Ausgestaltung des Digitalen Euros gibt es nun zwei grundlegende Modelle: Eine Inhaber-Version und eine Konto-Version. Bei der Inhaber-Version würde der Digitale Euro von der EZB als digitales Bargeld ausgegeben werden. Die Kreditwirtschaft würde diese wie Bargeld beziehen und an die Menschen in Wallets ausgeben – analog zur Bargeldausgabe am Geldautomaten. Die EZB könnte den Digitalen Euro aber auch konventionell über Konten in Umlauf bringen. Die Guthaben würden dann entweder direkt auf privaten EZB-Konten oder treuhänderisch und außerhalb der Bilanz auf Konten bei privaten Banken geführt werden. Diese Form wäre eine Kopie heutiger Bankkonten unter dem Label der EZB und stünde in direkter Konkurrenz zu den Banken. Damit stünde der Digitale Euro auch in direktem Wettbewerb zu dem Geld, das die Kunden auf ihren Girokonten oder anderen Einlagenformen bei den Banken halten. 

Es ist dringend davon abzuraten, den Digitalen Euro als Form der Geldverwahrung oder Geldanlage zu sehen. Wenn der Digitale Euro zur Geldanlage würde, könnte dies dazu führen, dass Bürgerinnen und Bürger ihre bisherigen Einlagen unkontrolliert bei den Banken umschichten. Dies würde die Finanzstabilität gefährden und die Finanzierungsmöglichkeiten für die Wirtschaft einschränken und verteuern. Denn der Zahlungsverkehr und die über Einlagen abgesicherte und refinanzierte Kreditvergabe wären massiv bedroht. 

Ausreichende Bankeinlagen sind Grundvoraussetzung für ein nicht eingeschränktes Kreditangebot. Ist dieses Verhältnis gestört, würden sich die Finanzierungskonditionen sowohl für Privathaushalte als auch für die Wirtschaft verschlechtern. Die notwendige Finanzierung in Wachstum und Innovation sowie in die ökologische und digitale Transformation wäre gefährdet.

Daher braucht es auch – in Anlehnung an ein volles Portemonnaie – eine betragliche Obergrenze für jeden Verbraucher. Eine klare und niedrige Obergrenze von 500 Euro ist zielführend. Damit findet kein zu starker Abfluss von Bankeinlagen in den Digitalen Euro statt. Außerdem begrenzt solch ein Limit die Möglichkeiten von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung und bringt dies mit der von den Verbraucherinnen und Verbrauchern eingeforderten Privatsphäre beim Bezahlen in Einklang. 

In einem Satz ausgedrückt: Der von der EZB geplante Digitale Euro muss in erster Linie eine von den Bürgerinnen und Bürgern verwendete Ergänzung zum heutigen Bargeld darstellen, die durch die Banken ausgebracht wird. Als solcher „digitaler Zwilling“ des Bargelds hätte der Digitale Euro den größten Mehrwert. So verstanden braucht es eine klare Abgrenzung, was ein Digitaler Euro der EZB leisten soll, und was unverändert Aufgabe der privaten Banken bleiben muss. Private und staatliche Geldformen müssen sich ergänzen und dürfen nicht in Konkurrenz zueinander treten. Dieses Nebeneinander in klar geregelter Aufgabenverteilung und -ergänzung stellt einen wesentlichen Grundpfeiler unserer sozialen Marktwirtschaft dar. 

Mit einem kontobezogenen Digitalen Euro, der sämtliche Zahlungsarten unterstützt, würde die EZB zum Komplettanbieter im Zahlungsverkehr für Verbraucher und Unternehmen – erklärtermaßen kostenlos analog zur kostenlosen Nutzung von Bargeld. Dies darf nicht geschehen. Denn gegenüber privaten Anbietern, Banken und Zahlungsdienstleistern wäre dies eine Wettbewerbsverzerrung durch eine hoheitlich organisierte Dienstleistung, ohne dass ein Marktversagen vorliegen würde. Es ist davon auszugehen, dass in der Folge die privaten Investitionen in die Weiterentwicklung und den Betrieb alternativer Lösungen massiv sinken würden. 

Das Angebot für die Verbraucherinnen und Verbraucher würde sich verschlechtern und die Erfahrung der Banken und Finanzdienstleister im Umgang mit Kunden und Risiken durch ihre Schnittstellenfunktion bliebe ungenutzt. Im Ergebnis käme es somit auch im Zahlungsverkehr perspektivisch sowohl zu einer Investitions- als auch einer Innovationsbremse.

Bevor grundlegende Entscheidungen getroffen werden, müssen daher sorgfältig die Folgen für die Kreditwirtschaft, aber auch für die Unternehmen klar abgeschätzt und berücksichtigt werden. Hierbei ist eine Differenzierung nötig, welche Auswirkungen auf einzelne Banken mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen zu erwarten sind. Bei den Überlegungen zum Digitalen Euro geht es um eine grundlegende Weiterentwicklung des Geldsystems im Zeitalter der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Die Deutsche Kreditwirtschaft setzt sich für die Schaffung von drei neuen Geldformen ein, die als „digitale Zwillinge“ die Eigenschaften der bereits existierenden Geldformen Bargeld, Giralgeld und Zentralbankguthaben der Banken spiegeln und diese ergänzen. Ein solches innovatives Geldsystem würde Europa eine Führungsposition in der digitalen Welt verschaffen und verspricht den größten Nutzen. Der Digitale Euro der EZB ist in diesem Zielbild somit eine von drei zu schaffenden Geldformen. Seine Aufgabe ist es, die Vorteile des Bargelds für die Bürgerinnen und Bürger in die digitale Welt zu übertragen. 

Mit Blick auf die Unternehmen und den Digitalen Euro ist unbestritten, dass diese eine andere Form des digitalen Gelds als die Bürgerinnen und Bürger benötigen. Für die Wirtschaft hat es Vorrang, Automatisierungen sowie eine stärkere Integration des Zahlungsverkehrs in betriebliche Abläufe zu ermöglichen und so die fortschreitende digitale Transformation der europäischen Wirtschaft zu fördern, während anonyme Zahlungen nicht erforderlich sind. Diese Anforderungen kann und sollte tokenisiertes Geschäftsbankengeld erfüllen. Die Schaffung von Giralgeldtoken ist keine Aufgabe staatlichen Handelns durch die EZB, sondern Aufgabe der Kreditwirtschaft. Ein staatliches Angebot ist hierfür nicht nur nicht nötig, da kein Marktversagen vorliegt, sondern sogar schädlich. Es wäre eine Bremse für die bereits weit fortgeschrittenen privaten Innovationsprojekte. 

Die EZB arbeitet intensiv am Digitalen Euro, der bereits 2025 zur Verfügung stehen könnte. Gleichzeitig wird durch die Privatwirtschaft an einer innovativen Geldform für die Industrie (Giralgeldtoken) gearbeitet. Fassen wir den aktuellen Stand zusammen: 

  • Es zeichnet sich ein weitreichender Handlungs- und Aktionsrahmen der EZB ab; eine umfassende Bezahllösung scheint das Ziel der EZB zu sein. 
  • Dies wirft nicht nur die Frage nach dem notwendigen Innovationsspielraum für die Privatwirtschaft, sondern ganz grundsätzlich zum Auftrag und zum Mandat der EZB und der Arbeitsteilung zwischen Staat und Privatwirtschaft auf. 
  • Für das Gelingen des Digitalen Euro ist es unumgänglich, dass er im Sinne der Bürger, der Gesellschaft und der Volkswirtschaft einen klaren Fokus bekommt. Stichworte sind: Ergänzung des Bargelds, Geldform mit anonymer Zahlmöglichkeit, offline-fähig und in der Summe beschränkt. Außerdem muss der Digitale Euro in enger Zusammenarbeit mit der Kreditwirtschaft entwickelt und ausgegeben werden. 
  • Neben möglichen Chancen und der Bedeutung eines Digitalen Euro für die Sicherung der Währungssouveränität im globalen Wettbewerb der Währungen, bestehen gleichzeitig teils erhebliche Risiken insbesondere für die Stabilität der Real- und Finanzwirtschaft. Diese müssen genau analysiert und bei der Ausgestaltung des Digitalen Euro berücksichtigt werden. 
  • Der Erhalt des zweistufigen Geld- und Bankensystems ist von grundlegender Bedeutung. Daher müssen Risiken minimiert werden. Eine unüberlegte Einführung kann nicht nur die Finanzstabilität gefährden, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Eine gründliche quantitative Analyse ist daher zwingend notwendig.
Artikel versenden