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Die Weinbranche auf dem Weg zur 0,75-Liter-Mehrwegflasche

Wein-Mehrwegflaschen
Ute Spatz

Ene handelsübliche Flasche Wein verursacht im Schnitt insgesamt einen Ausstoß von 0,830 Kilogramm CO2. Dieser könnte durch eine nur fünfmalige Wiederbefüllung der Glasflasche auf 0,533 kg CO2 gesenkt und damit eine Einsparung von 36 Prozent ermöglicht werden. Dieses Einsparpotenzial ergibt sich aus dem einmaligen Anfall der Energie, die aufgebracht werden muss, um Glasscherben einzuschmelzen, was nur bei Temperaturen um die 1.500°C geschieht. Die Europäische Union hat dieses Problem bereits im Blick, weswegen angedacht wird, ab 2030 eine Mehrwegquote für Weinbehältnisse einzuführen.

Der BWGV arbeitet in führender Rolle im Förderprogramm der Europäischen Innovationspartnerschaften (EIP-AGRI) in dem Projekt „Wein-Mehrweg“ an der Thematik. Gemeinsam mit einigen Winzer- und Weingärtnergenossenschaften, Branchenverbänden, Glasproduzenten und dem Weincampus Neustadt als Forschungspartner wird an der technischen und organisatorischen Umsetzbarkeit eines Mehrwegsystems für Baden-Württemberg in Experimenten mit dem Handel gearbeitet. Es besteht eine enge Kooperation mit der Wein-Mehrweg eG, einer eigens gegründeten Genossenschaft, welche eine 0,75-l-Flasche für die Mehrwegverwendung konzipiert hat und diese in einem Poolsystem den Produzenten zugänglich machen möchte.

Alternativen zur Glasflasche werden diskutiert

Zeitgleich gibt es in der Weinbranche auch Ansätze, den CO2-Ausstoß der Weinverpackung aus Glas mit alternativen Verpackungsarten zu reduzieren. Behältnisse wie die Bag-in-Box, PET-Flaschen, Dosen oder Kegs (Mehrwegfässer aus Edelstahl) verursachen bereits weniger CO2 als die herkömmliche Weinflasche. Dennoch bietet die Weinflasche bisher die besten Voraussetzungen für eine langfristige und bedarfsgerechte Weinlagerung. Beispielsweise sind Glasflaschen für lang- und kurzfristige Weinlagerung geeignet, wo hingegen Bag-in-Box oder PET-Flaschen bei Wein nur für kurze Lagerung geeignet sind.

Vorerfahrungen mit Mehrwegsystemen

In der deutschen Getränkebranche existieren bereits viele Mehrwegsysteme. Eine Erfolgsgeschichte ist etwa die der Genossenschaft Deutscher Brunnen (GDB), deren Perlenflasche uns allen bekannt ist. Diese gibt es schon seit 1969 und sie gilt als Symbol für Mehrwegverpackungen in der Getränkeindustrie. Die GDB führte durch ihre Gründung 1949 fast 60 unterschiedliche Flaschenformen und 200 unterschiedliche Kastentypen im Markt zu einer Flaschenform und einem Kastentyp zusammen. Heutzutage führt sie zwölf verschiedene Flaschenarten aus Plastik und Glas. Im Umlauf befinden sich etwa eine Milliarde Flaschen der GDB. 

Auch in der Weinbranche gibt es bereits einige Erfahrungen mit Wein in Mehrwegflaschen. So gibt es etwa einen Mehrwegpool in Baden-Württemberg in genossenschaftlicher Hand, welcher seine Liter-Flaschen hauptsächlich für Gastronomie und Getränkehandel anbietet. 

Die Etablierung eines Mehrwegsystems für die Weinbranche wäre ein großer Hebel, um die Nachhaltigkeit der Branche zu verbessern. Was sind jedoch die Herausforderungen bei solch einem Vorhaben? Eine Herausforderung dabei ist,zu verhindern, dass Weinerzeuger aufgrund der Einführung von Mehrweg Kunden verlieren. Die Möglichkeit, die Flasche als Alleinstellungsmerkmal für den einzelnen Produzenten zu nutzen, wird verringert. Zugleich muss die Gewohnheit des Kunden berücksichtigt werden, der auf bestimmte Flaschenformen zurückgreift, die mit bekannten Weinsorten assoziiert werden. In der Etablierung eines Mehrwegsystems ist jedoch eine Konzentration auf wenige Formen essenziell, um die Sortierung effektiv zu gestalten. Ebenso kann ein höherer Preis durch Pfandkosten der Flasche den Kunden zu einer günstigeren Flasche greifen lassen. Der Einsatz von Pfand ist jedoch notwendig, damit die Flasche in den Kreislauf zurückgeführt wird und nicht im Glascontainer endet. Ein Mehrwegsystem kann dann als erfolgreich betrachtet werden, wenn hohe Rücklaufquoten der Flaschen gewährleistet sind. 

Infrastruktur mit vielen beteiligten Akteuren

Weitere Herausforderungen ergeben sich in der konkreten technischen Umsetzung eines Mehrwegsystems. So gibt es Probleme bei der Flaschenreinigung, da bisher nicht alle Etikettenarten abgelöst werden können. Zudem bedarf der Betrieb eines Mehrwegsystems einer Infrastruktur mit vielen beteiligten Akteuren in Handel, Logistik und Flaschenreinigung, welche eng verzahnt zusammenarbeiten müssen. Dabei nimmt der Handel eine bedeutende Position ein, da er zwei Rollen gleichzeitig ausführen muss: Die des Verteilers an den Kunden und des Rücknehmers. Die bereits höchstoptimierten Abläufe der Betriebe müssen neu durchdacht und umstrukturiert werden. 

Die genannten Herausforderungen und technischen Fragen bilden, unter anderem, den Inhalt des EIP-AGRI-Projekts „Wein-Mehrweg“. Dieses bahnt den Weg zu einer nachhaltigeren Weinbranche und erleichtert den Akteuren den Zugang dazu.

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