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Regionale Genossenschaftsbanken wollen nicht für europäische Großbanken einstehen

Podiumsdiskussion an der Jubiläumsveranstaltung des BWGV in Breisach
BWGV

Die Volksbanken und Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg wehren sich gegen eine zu wenig differenzierte Betrachtung des Bankenmarkts. „Die Genossenschaftsbanken haben die Finanzmarktkrise nicht verursacht und sie haben auch als einzige Bankengruppe Deutschlands die Hilfe des Steuerzahlers nicht in Anspruch nehmen müssen“, sagte der Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV), Dr. Roman Glaser, in Karlsruhe. Insbesondere bei den aktuellen Themen rund um die Ausstattung eines europäischen Fonds zur Abwicklung von Banken sowie bei den zunehmenden regulatorischen Anforderungen sieht der BWGV eine unverhältnismäßig hohe Belastung auf die regionalen Banken zukommen.

Im Rahmen einer Veranstaltung in Karlsruhe anlässlich des 150-jährigen Bestehens des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands zeigte sich Glaser im Hinblick auf die Pläne der Europäischen Kommission zur EU-Bankenabgabe besorgt, dass nicht systemrelevante regionale Banken bei den pauschalisierten Beitragszahlungen überproportional stark in die Pflicht genommen werden. „Es ist nicht gerechtfertigt, dass unsere regional ausgerichteten Genossenschaftsbanken für die Abwicklung europäischer risikoreicher Großbanken in einen Fonds einzahlen müssen, der niemals für sie tätig werden wird“, betonte der BWGV-Präsident.

Auch die neuen regulatorischen Anforderungen im Wertpapiergeschäft sieht Glaser mit Sorge: Der damit verbundene hohe Aufwand für die Banken stelle gerade kleinere und mittelgroße Banken vor große Herausforderungen, die dafür sorgen könnten, dass sie sich aus der Wertpapierberatung komplett zurückziehen. „Gerade vor dem Hintergrund der Niedrigzinsphase kann das nicht im Sinne des Verbraucherschutzes sein, dass die Kunden nicht mehr bedarfsgerecht beraten werden“, unterstrich Glaser.

Diskussion zum Thema „Bankenwelt im Umbruch“

Bei einer von SWR-Redakteurin Hendrike Brenninkmeyer geleiteten Podiumsdiskussion vor rund 200 Zuhörern in Karlsruhe-Rüppurr diskutierten der stellvertretende Vorsitzende des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europäischen Parlaments, Peter Simon, Christian Freiherr von Stetten, Mitglied des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags, gemeinsam mit den Volksbank-Vorstandsvorsitzenden Claus Preiss (Volksbank Bühl), Henry Rauner (Volksbank Rottweil) und Roland Schäfer (Volksbank Bruchsal-Bretten) über das Thema „Bankenwelt im Umbruch: Rückenwind für Genossenschaftsbanken?“. Die wissenschaftliche Perspektive zeigte Prof. Dr. Reiner Doluschitz, Geschäftsführender Direktor der Forschungsstelle für Genossenschaftswesen an der Universität Hohenheim, auf. Neben Fragen der Regulatorik wurden auch wesentliche Zukunftsthemen für die Banken wie die weitere Optimierung der Beratung, Online und Social Media sowie Crowdfunding diskutiert.

Die Genossenschaftsbanken in Deutschland haben seit Ausbruch der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008 kontinuierlich zugelegt. Der Marktanteil der Volksbanken und Raiffeisenbanken bei den Krediten an Unternehmen und Privatpersonen ist von 15,7 Prozent auf 17,4 Prozent angestiegen – ein stolzes Plus von fast elf Prozent gegenüber dem Jahr 2008. „Die Menschen vertrauen dem transparenten und regionalen Geschäftsmodell unserer Genossenschaftsbanken“, führte Glaser aus. Ein elementarer Aspekt sei insbesondere die Möglichkeit, dass die Kunden über die Mitgliedschaft auch Teilhaber der Bank sein können. Hierin liegt auch der grundlegende Unterschied zu den meisten anderen Banken. Dieser basisdemokratische Ansatz der Volksbanken und Raiffeisenbanken komme stark dem Bedürfnis der Menschen nach mehr Mitbestimmung nach.

3,6 Millionen Mitglieder in Baden-Württemberg

Dies drückt sich auch in dem seit Jahren anhaltenden Anstieg der Mitgliederzahlen bei den Banken aus: Die aktuell 217 Volksbanken und Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg können auf ein starkes Fundament von rund 3,6 Millionen Mitgliedern bauen. Allein im vergangenen Jahr haben sich 71.000 Bürger, Unternehmen, Vereine und Institutionen entschlossen, Mitglied einer Volksbank oder Raiffeisenbank zu werden. „Das bedeutet, dass nahezu jeder dritte Einwohner Baden-Württembergs Anteilseigner einer Genossenschaftsbank ist“, stellte Glaser heraus. Bundesweit verzeichnen die Genossenschaftsbanken 17,7 Millionen Mitglieder.

Exakt am 21. August 1864 ist der älteste Vorgängerverband des heutigen Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands in Stuttgart gegründet worden. Der BWGV vereint unter seinem Dach mehr als 900 Mitgliedsunternehmen, davon etwa 850 Genossenschaften. Das Jubiläumsjahr begeht der Verband mit zahlreichen Veranstaltungen wie der in Karlsruhe, bei denen er die enorme Vielfalt und Stärke der Genossenschaften in Baden-Württemberg aufzeigt – von den Volksbanken und Raiffeisenbanken über die landwirtschaftlichen Genossenschaften, Kooperationen in Handel und Handwerk bis hin zu den zahlreichen neuen Genossenschaften, die sich verstärkt in Zukunftsbranchen wie Energie, IT oder dem Pflege- und Gesundheitswesen gründen.

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