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Genossenschaftliches »Eintauchen« im Hallenbad Baienfurt eG

Spaß für die ganze Familie: Das Hallenbad Baienfurt hat attraktive Öffnungszeiten. Sie wurden um 32 Stunden pro Monat ausgeweitet.
Hallenbad Baienfurt

Es ist trist in Oberschwaben, dunkel-graue Wolken bedecken den Himmel – seit Stunden gießt es in Strömen. Nur wenige Baienfurter trauen sich an diesem kühlen Sonntagvormittag überhaupt vor die Tür. „Das Wetter ist ideal, besser könnte es gar nicht sein“, sagt Arthur Pfau mit einem einnehmenden Lächeln im Gesicht. „Je schlechter das Wetter ist, desto besser ist es für uns. Das völlig verregnete Pfingsten 2013 war am besten“, ergänzt Sini Dorka-Napp. Nein, die beiden sympathischen Oberschwaben sind keineswegs übergeschnappt. Sie sind vielmehr Vorstandmitglieder der Hallenbad Baienfurt eG, des ersten genossenschaftlich betriebenen Hallenbads in Baden-Württemberg – ein Erfolgsprojekt, das auch für andere Gemeinden als Vorbild dienen könnte. Denn die Probleme, die zur Gründung der Genossenschaft geführt haben, sind vielerorts dieselben. Der oberschwäbischen Gemeinde Baienfurt – unweit von Ravensburg – fehlte das Geld, um ihr dortiges Hallenbad weiter betreiben zu können. In dem 7000-Einwohner-Ort hatte eine große Papierfabrik eines internationalen Konzerns ihre Pforten geschlossen. Die Folge: Die Steuereinnahmen, die über Jahre gut gesprudelt waren, haben sich auf einen Schlag massiv reduziert. Der Gemeinderat war 2010 zum Sparen gezwungen – und kam sogleich auf die Idee, das verlustbringende Hallenbad im Ortszentrum zu schließen. „Das Gremium war sich schnell einig“, erinnert sich Pfau.

Unterschriftenaktion als Auslöser

Die Bürger, die schon seit Jahrzehnten viel lieber in ihr eigenes Hallenbad gehen, anstatt ins benachbarte Weingarten zu fahren, waren massiv enttäuscht. Sogleich formierte sich Widerstand. „Die Initiative entstand aus der DLRG heraus“, er-zählt Agnes Müller, ebenfalls Vorstandsmitglied der mittlerweile sehr erfolgreichen Hallenbad- Genossenschaft. Per Unterschriftenaktion hatte die DLRG Fürsprecher gesammelt – bei Schulen, Vereinen, Kindergärten, Senioren und Familien. Nach kurzer Zeit lagen schon mehr als 2.000 Unterschriften vor. Für die Bürgerinitiative war schnell klar: Der Betrieb des geliebten Hallen-bads muss weitergehen – zur Not auch in privater Regie. Doch wie?

„Als eG ist das Bad bei den Bürgern einfach präsenter“

Die Macher der Hallenbad-eG: Vorstandsmitglied Sini Dorka-Napp, Vorstandsvorsitzender Arthur Pfau, Vorstandsmitglied Agnes Müller und Schwimmmeister Erich Bräuchle (v.l.).
Die Macher der Hallenbad-eG: Vorstandsmitglied Sini Dorka-Napp, Vorstandsvorsitzender Arthur Pfau, Vorstandsmitglied Agnes Müller und Schwimmmeister Erich Bräuchle (v.l.).

Schnell war ein Förderverein gegründet. Die Bürger standen felsenfest hinter dem Projekt. „Wir waren mit 350 Mitgliedern gleich eine politische Macht, einer der größten Vereine in Baienfurt“, berichtet Pfau. Heute zählt der Förderverein 460 Mitglieder. Und so konnte schließlich auch der Gemeinderat – nach langem Hin und Her – vom privaten Weiterbetrieb des Hallenbads überzeugt werden. Nun musste noch die passende Rechtsform für das Bürgerprojekt gefunden werden. „Für die eingetragene Genossenschaft haben wir uns aus zwei Gründen entschieden: Erstens, um die Bürger möglichst ideal einzubinden, zudem ist durch die genossenschaftliche Prüfung am ehesten gewährleistet, dass unser Projekt auch langfristig funktioniert“, erläutert Pfau. Vorbild waren ähnliche Projekte in Hessen und Niedersachsen, die sich die Initiatoren zuvor intensiv angeschaut hatten. „Als eG ist das Bad bei den Bürgern einfach präsenter“, ergänzt Müller. Im Gründungsprozess sei man sehr gut und kompetent von den Experten des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands beraten und betreut worden. „Allein hätten wir das kaum geschafft“, sagt sie. Die Gründungsversammlung der Genossenschaft fand schließlich im April 2012 statt, seit Februar 2013 ist die Hallenbad Baienfurt eG, die aktuell 76 Mitglieder mit 107 Anteilen zählt, offiziell ein -getragen und betreibt nun das „neue“ Bürgerbad. „Mittlerweile steht auch die Gemeinde voll hinter dem Projekt“, berichtet Pfau erfreut. „Das Hallen-bad in Bürgerhand ist eine tolle Werbung für Baienfurt“, ergänzt Müller. Aber auch die Gemeinde hat ihren Beitrag zu dem Erfolgsprojekt geleistet: So kam sie mit Unterstützung des Landes für die Renovierung im Umfang von rund 1,6 Millionen Euro auf. Unter anderem wurde die Wärmedämmung verbessert, eine Dreifach-Verglasung ein-gebaut und die Lüftungsanlage erneuert. Zudem trägt die Gemeinde Baienfurt den Unterhalt des Gebäudes. Außergewöhnliche Anschaffungen wie etwa Liegen, Spielsachen für die Kleinen und eine in der Region einzigartige bunte LED-Beleuchtung steuert der Förderverein bei.

Mehr Badegäste als vor eG-Gründung

Für den Betrieb ist nun aber die Genossenschaft, die als Pächter des Hallenbads fungiert, verantwortlich. „Wir haben rund 20 Prozent mehr Badegäste als vor der Genossenschaftsgründung“, erzählen die Vorstände stolz. Das heißt: bis zu 1.600 pro Woche – inklusive der Nutzung durch die Schulen. An einem Sonntag können es schon mal bis zu 200 Schwimmer sein. „Ab und zu wird es ganz schön eng – wie auch heute wieder“, sagt Agnes Müller. Und so liegen auch die Zahlen im Plan: So konnte das erste Jahr mit einem Umsatz von 145.000 Euro abgeschlossen werden, berichtet Pfau. Unter dem Strich stand ein erfreuliches Plus von 2.000 Euro. Warum die Genossenschaft so erfolgreich ist? Das liegt sicher an der umfangreichen Sanierung des Bads, aber auch an vielen weiteren Besonderheiten. So wurden die Öffnungszeiten um 32 Stunden pro Monat ausgeweitet und das Kursangebot deutlich ausgebaut – von Aquafitness und Aqua Zumba über Babyschwimmen bis hin zu Kursen für Schwangere. Einmal im Monat gibt es sogar eine Aqua Molly Fit für nicht ganz so schlanke Badegäste. Fast alle Kurse sind ausgebucht. „Unser Erfolgsgeheimnis liegt sicher in der optimalen Zielgruppenorientierung“, sagt Dorka-Napp. „Wir haben für jeden das Passende, alle fühlen sich wohl bei uns.“

Baienfurter können mitreden, ihre Ideen einbringen

Doch am wichtigsten ist ein ganz anderer Punkt: Das Hallenbad gehört nun den Bürgern. „Das Motto ,Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele‘ passt bei uns besonders gut“, findet Dorka-Napp. Die Baienfurter können mitreden, ihre Ideen einbringen – und sie sind zu Recht stolz auf ihr besonderes Projekt. Eine ältere Schwimmerin, die zu den Stammgästen zählt, bringt das Gefühl im Ort auf den Punkt. „Wir haben unser Schwimmbad gerettet“, sagt sie zufrieden. Und so blickt der eG-Vorstand, der ebenso wie viele Mitglieder des Fördervereins jede Menge ehrenamtliche Arbeit in das Schwimmbad steckt, optimistisch in die Zukunft. „Wir wollen stetig mehr Mitglieder gewinnen und das Hallenbad so-mit nachhaltig erfolgreich betreiben“, sagt Pfau. Wenn es in Baienfurt oft genug schlechtes Wetter gibt, sollte dabei eigentlich nichts schiefgehen.

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