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Existenzielle Praxisprobleme der Genossenschaften mit dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) lösen

Positionen
BWGV

Sachverhalt:
Der Bundesrat bereitet derzeit die Stellungnahme zum von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Kleinanlegerschutzgesetzes (BR-Drs. 638/14) vor, die am 6. Februar 2015 im Plenum des Bundesrates beschlossen werden soll. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird die Rechtsform der Genossenschaft besonders gewürdigt. Dabei wird klargestellt, dass der Anlegerschutz im Bereich der Genossenschaften bereits durch qualitätskontrollierte Prüfungsverbände, die ihrerseits einer staatlichen Aufsicht unterliegen, sowie durch die umfassenden genossenschaftsgesetzlichen Informationsrechte der Mitglieder gewährleistet wird (vgl. BR-Drs. 638/14, S. 43f.). Die langjährig bewährte Praxis bei Genossenschaften spiegeln auch extrem niedrige Insolvenzquoten wider. Auf Ebene der Bundesländer besteht ein breiter Konsens zur Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagements in Genossenschaften, so hat die Kultusministerkonferenz im Dezember beschlossen, die Genossenschaftsidee in das „Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der Menschheit" aufzunehmen.

Probleme:
Die Erfahrungen mit der Verwaltungspraxis der BaFin belegen, dass die aufsichtsrechtliche Anwendung des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) auf genossenschaftliche Aktivitäten übertrieben und unverhältnismäßig ist. Inzwischen ist ein Punkt erreicht, der das deutsche Genossenschaftsrecht und die Rechtsform der Genossenschaft insgesamt in Frage stellt. Das hat offensichtlich niemand gewollt.
So sehr der Entwurf des Kleinanlegerschutzgesetzes den gesetzlichen Schutzmechanismen bei Genossenschaften Rechnung trägt und diese von Auflagen zum Anlegerschutz befreit, so sehr ignoriert das KAGB bisher die Sachlage bei Genossenschaften. Der jetzige § 1 des KAGB, der über die Definition eines Investmentvermögens (AIF) den Anwendungsbereich eröffnet, ist extrem abstrakt mittels einer Fülle unbestimmter Rechtsbegriffe formuliert. Ob und weshalb Genossenschaften überhaupt unter das KAGB fallen, ist weitgehend unklar. Von der Zielsetzung des Gesetzes und der dem KAGB zugrunde liegenden AIFM-Richtlinie (AIFM = Alternative Investment Fund Manager) her, die Finanzmärkte und deren Anleger zu schützen, können abseits der Finanzmärkte agierende Genossenschaften, insbesondere im Ehrenamt geführte Bürgergenossenschaften, nicht gemeint sein. Weder für die Märkte, noch für die Anleger bergen Genossenschaften die Gefahren, denen die AIFM-Richtlinie als europäische Investmentregulierung begegnen will. Das KAGB sollte eigentlich nur professionelle Kapitalverwaltungsgesellschaften („Fondsmanager“) regulieren, die Anlegergelder nach einer Anlagestrategie investieren und vermehren und dies ausdrücklich als ihre „regelmäßige Geschäftstätigkeit“ betreiben. Das ist aber nicht das Geschäftsmodell der Genossenschaften, die zu einem Förderzweck gegründet und betrieben werden, aber nicht zur professionellen Vermehrung der Mitgliedereinlagen. Die laufende Aufsicht durch die Prüfungsverbände bewirkt darüber hinaus mehr Mitglieder- und Gläubigerschutz als die Anwendung des KAGB!
Um sich nicht angreifbar zu machen, greift die BaFin für Genossenschaften zu einer restriktiven Interpretation des KAGB. So werden z.B. lokale Kooperationen von Genossenschaften mit Stadtwerken oder anderen lokalen Genossenschaften, um gemeinsame Projekte schultern zu können, nach Ansicht der BaFin zu AIFs. Weiterhin sieht die BaFin strafrechtlich relevante unerlaubte Investmentgeschäfte, wenn die Genossenschaft laut Satzung ergänzende Beteiligungen an anderen Unternehmen erwerben könnte, um ihren Förderauftrag zu erfüllen. Das KAGB ermächtigt die BaFin zu Zwangsauflösungen! Diese behördliche Drohung beschneidet die unternehmerischen Handlungsfreiheiten und hat die Gründungsbereitschaft erheblich gedämpft. Auch das hat offensichtlich niemand gewollt.
Es war der ausdrückliche Wunsch des Gesetzgebers, reguläre Genossenschaften vom KAGB unbehelligt zu lassen (BT-Drucks. 18/1648, S. 58). Wiederholte Versuche, diesem Wunsch entsprechend die BaFin-Praxis anzupassen, schlugen fehl, so dass gesetzgeberischer Klarstellungsbedarf besteht.

Lösung:
Da im Entwurf des Kleinanlegerschutzgesetzes auch das KAGB angesprochen ist (Artikel 10), besteht die Chance und die dringende Notwendigkeit rasch nachzusteuern, um das bürgerschaftliche Engagement in genossenschaftlicher Form nicht gänzlich zu ersticken. Zur Klarstellung des in der Praxis unklaren Anwendungsbereiches des § 1 KAGB könnten eingetragene und von Pflichtprüfungsverbänden beaufsichtigte Genossenschaften mit Verweis auf die Förderzweckbindung in die Auflistung der vom KAGB ausgenommenen Unternehmen in § 2 Abs. 1 KAGB aufgenommen werden. Reguläre Genossenschaften sind keine Subjekte des KAGB. Anstelle des jetzigen § 2 Abs. 4b KAGB könnte in § 2 (Ausnahmebestimmungen) im Absatz 1 eine Nr. 8 wie folgt ergänzt werden:
„(1) Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden auf (…)
8. Genossenschaften, die der Pflichtprüfung eines gesetzlichen Prüfungsverbandes gemäß §§ 53 ff. GenG unterliegen und deren Haupttätigkeit nicht darin besteht, einen oder mehrere AIF zu verwalten. Investitionen der Genossenschaft in Beteiligungen an anderen Unternehmen, Immobilien sowie sonstige Finanzinvestitionen stellen keine Verwaltung eines AIF dar, sofern sie der Erfüllung des satzungsmäßigen Zwecks der Genossenschaft und nicht überwiegend der Erzielung einer Rendite auf die Einlagen dienen.“
Die vorgeschlagene Ausnahmeregelung würde die Probleme von Grund auf lösen.

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