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Dorfladen Jagsthausen eG mit Dividendenzahlung

Das Gebäude des Dorfladens Jagsthausen wurde 2011 für 20 Jahre gepachtet.
Dorfladen Jagsthausen

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Der nächste Supermarkt liegt zwölf Kilometer entfernt. Dieser Nachteil für die Jagsthausener bringt dem Dorfladen Jagsthausen eG seine Daseinsberechtigung und einen großen Vorteil: den Erfolg. „Wir für uns“ – so lautet das Motto des Dorfladens Jagsthausen eG. Im Juli 2012 gegründet, konnte der Dorfladen seinen rund 300 Mitgliedern schon für das Jahr 2013 eine Dividende in Höhe von 3 Prozent ausbezahlen. „Das haben wir in Form von Einkaufsgutscheinen für den Laden gemacht“, sagt Ralph Matousek, Vorstandssprecher und Geschäftsführer der Genossenschaft. So bleibt der Erfolg in der Genossenschaft. Matousek und seine zwei Vorstandskollegen sowie der Aufsichtsrat der Genossenschaft, dem der Bürgermeister von Jagsthausen, Roland Halter, vorsteht, arbeiten ehrenamtlich. Neben neun Beschäftigten arbeiten zusätzlich rund 50 Bürger im Laden ehrenamtlich mit. „Der Dorfladen ist nicht nur für die Jagsthausener zum Ort der Begegnung geworden“, sagt Matousek. Mittags kommen die Handwerker und essen Hähnchen oder Schnitzel auf der kleinen Terrasse, am Wochenende die Radfahrer vom Jagsttalradweg oder die Kinder von der naheliegenden Badestelle. Und es gibt Fahrgemeinschaften von Nachbargemeinden zum gemeinsamen Einkaufen im Dorfladen.

300 Bürger zeichnen Genossenschaftsanteile

Rundumblick im Dorfladen Jagsthausen
Hoher Anspruch: Kein Kunde soll wegen fehlender Produkte im Sortiment den Dorfladen wieder verlassen müssen.

Vor Gründung des Dorfladens stand Jagsthausen, Landkreis Heilbronn, vor einem Problem: Der örtliche Bäcker und der Metzger schlossen Ende 2010 gleichzeitig. Die Nahversorgung brach damit ein, denn der nächste Supermarkt ist zwölf Kilometer entfernt. Die Gemeinde setzte sich daraufhin für die Ansiedlung eines Discounters ein. Es gab Gespräche und auch ein Grundstück, doch der Betreiber zog seine Pläne wieder zurück. Daraufhin entstand die Idee eines genossenschaftlich organisierten Dorfladens. Die Gemeindeverwaltung gab im April 2011 rund 600 Frage bögen an Haushalte in Jagsthausen, Olnhausen und umliegende Höfe. Darin wurden die Akzeptanz eines Dorfladens sowie der Wille zur Beteiligung abgefragt. 97,5 Prozent der Befragten standen einem Dorfladen positiv gegenüber. Über 300 Bürger zeichneten schließlich Genossenschaftsanteile im Wert von 150.000 Euro. Das war weitaus mehr als erwartet. Businessplan, Gründungsversammlung, Satzung – es ging alles recht schnell: Der Vorstand der Volksbank Möckmühl, Rainer Schwab, übernahm die Abstimmung der Satzung für die Genossenschaft mit dem BWGV. In einem ehemaligen BAG Lagerhaus fand der Dorfladen seine Heimat. Die Bürger halfen tatkräftig mit, den Laden zu modernisieren und freundlich einzurichten. 25 Sams tage arbeiteten durchschnittlich 20 Personen an der Renovierung des Gebäudes. Das gelbe Gebäude mit der großen Glasschiebetür wirkt einladend. Draußen stehen Tische auf der Terrasse. Drin warten rund 2.500 Produkte. „Eine Gruppe von Hausfrauen hat zu Beginn das Sortiment festgelegt, das fast noch genauso im Laden zu finden ist“, erklärt Matousek.

Möglichst breites, aber auch regionales Sortiment

Ein Regal ist mit regionalen Produkten wie Eier oder Honig gefüllt.
Ein Regal ist mit regionalen Produkten wie Eier oder Honig gefüllt. Eine Umfrage unter den Dorfbewohnern hat ergeben, dass „regional“ wichtiger als „bio“ ist.

Die Hälfte des Umsatzes macht der Dorfladen mit regionalen Backwaren, Metzgereiprodukten und Produkten des ortsansässigen Unternehmens Gartenfrisch Jung, das abgepackte Gemüse und Salatvariationen vertreibt. „Wir haben es geschafft, dass das Unternehmen seinen Werks laden bei uns im Dorfladen integriert“, sagt Matousek. Er legt Wert darauf, dass auf den 180 Quadratmetern Ladenfläche alle Produkte des täglichen Bedarfs angeboten werden. Seit vergangenem Sommer stehen ein Kühlkoffer sowie ein LKW-Container im Hof, um Lebensmittel und Getränkekisten zu lagern, die im Laden keinen Platz mehr finden. Es gibt immer ein Qualitätsprodukt und ein günstiges. „Wir wollen nicht nur, dass die Kunden vor beikommen, wenn sie etwas vergessen haben, oder dass sie für ein Produkt, das wir nicht haben, doch wieder zum Supermarkt fahren müssen“, sagt der Vorstandssprecher. Auch Sonderbestellungen nimmt das Dorfladenteam entgegen. Zudem gibt es ein Regal mit regionalen Produkten, die stark nachgefragt sind: Honig vom örtlichen Imker, Erdbeeren aus der Nachbargemeinde oder Eier vom örtlichen Eierhof. Inzwischen sind die zwölf Kilometer zum nächsten Supermarkt ein Vorteil für den Dorfladen. Zwischen 16 und 18 Uhr steigt die Kundenfrequenz. Die Kunden nutzen den Dorfladen, um nach der Arbeit dort ein zukaufen. Matousek ist hauptberuflich Kämmerer der Gemeinde Jagsthausen und herrscht über die Zahlen im Dorfladen. „In einem Dorfladen braucht es ein gutes Controlling“, erklärt er, „die Gewinnspanne ist naturgemäß klein, aber es muss Gewinne geben, um investieren zu können.“ Im ersten Halbjahr war der Kundenandrang groß. Mitte 2013 konnte schon der Kunde Nummer 100.000 in der Genossenschaft begrüßt werden. Dennoch machte der Laden 6.000 Euro Verlust. Matousek musste mehrmals nachrechnen und fand schließlich den Grund. Die Einkaufsprei se des Hauptlieferanten waren zu hoch. Nachverhandlungen blieben erfolglos. Seit Herbst 2013 beliefert Edeka den Dorfladen – auch mit Angebotsware aus dem Edeka-Sortiment. So kann der Dorfladen mit Discounter-Angeboten mithalten. Matousek hat zudem mit drei anderen Dorfläden aus der Region einen Ideenaustausch angeregt. Vertreter der Dorfläden treffen sich seit kurzem zu einem Erfahrungsaustausch. „Einzeln sind wir nur ein kleines Glied in der Kette, zusammen sind wir stark“, sagt der Vorstandssprecher und hebt damit den genossenschaftlichen Gedanken hervor. Zusätzlich zum Hauptlieferantenwechsel sorgte die Inbetriebnahme einer Photovoltaikanlage auf dem Dach des Dorfladens für eine jährliche Einsparung in Höhe von 2.500 Euro. 35 Prozent des Stromverbrauchs können dadurch gedeckt werden.

Veränderte Marketingstrategie des Dorfladens

ersten Jahr verteilten die Landfrauen der Gemeinde gedruckte Handzettel mit Wochen angeboten an Haushalte. Doch dadurch stiegen jedoch weder Kundenzahl noch nachgefragte Angebotsprodukte nennenswert. Jetzt werden die Wochenangebote unter anderem über die Homepage des Dorfladens, die über ein ehrenamtliches Azubi-Projekt aufgebaut wurde, beworben. „Durch den Wegfall von Anzeigen im Amtsblatt und der gedruckten Flyer sparen wir rund 1.500 Euro jährlich“, sagt Matousek. Der Dorfladen liegt ihm am Herzen und der Erfolg gibt ihm Recht: Rund 400 Kunden kommen täglich in den Laden. 40 Prozent sind auswärtige Kunden. Trotz des Verlusts im ersten Halbjahr 2013 wurden im Gesamtjahr rund 870.000 Euro Umsatz und ein kleiner Gewinn erwirtschaftet – gerade genug um Investitionsplanungen anzustoßen. „Das Motto des Dorfladens ,Wir für uns‘ unterstreicht die Gemeinschaft der Bürger. Wir haben die Nahversorgung selbst in die Hand genommen und die Rechtsform der Genossenschaft hat die Identitätsfindung der Bürger mit dem Laden geschaffen“, sagt Matousek.

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