Mitte der 1990er Jahre beschloss der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV), nach Abstimmung mit dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die Bedeutung der Arbeit in Südafrika mit der Eröffnung eines Büros zu unterstreichen. Seit dieser Zeit begleitet der BWGV die Zielsetzung des Regionalprojekts „Förderung von Selbsthilfeorganisationen und Aufbau genossenschaftlicher Strukturen in Afrika“ – so die amtliche Projektbezeichnung. Der Fokus des BWGV lag dabei auf der Beratung beim Aufbau von Strukturen.
Hilfe zur Selbsthilfe
Was heißt das? Eingetragene Genossenschaften alleine funktionieren nicht. Denn sie sind Teil eines Systems, bestehend aus Primär-, Sekundär-, Tertiärgenossenschaften, einem Verband und gegebenenfalls Unternehmen mit ergänzenden Aufgabenstellungen. Und schließlich funktionieren marktwirtschaftliche Genossenschaften nicht ohne eine Rechtsnorm. In einem ersten Schritt galt es daher auch in Südafrika, die Zusammenhänge aufzuzeigen. Gesprächspartner waren dabei staatliche Einrichtungen und interessierte Gruppierungen der Zivilgesellschaft. Das Selbstverständnis der vom DGRV konzipierten und vom BWGV in der Operationalisierung unterstützten Entwicklungsarbeit ist bis heute geprägt von der Grundeinstellung, kein (wirtschaftliches) Eigeninteresse zu verfolgen, sondern die Partner in die Lage zu versetzen, selbst handeln zu können, getreu den genossenschaftlichen Prinzipien der Selbstverwaltung, Selbstverantwortung und Eigeninitiative. Im Laufe der Jahre haben immer wieder auch Genossenschaftsorganisationen aus anderen Ländern entwicklungspolitische Hilfestellung angeboten. Doch in Wirklichkeit standen wirtschaftliche Eigeninteressen dahinter, was die südafrikanische Seite schnell erkannte. Wenn es um Fragen des Genossenschaftswesens geht, ist der DGRV heute erster Ansprechpartner.
„Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück“
Noch ist Südafrika lange nicht am Ziel. Getreu dem Motto „zwei Schritte vor, einen zurück“ lässt sich nach knapp 20 Jahren jedoch ein eindeutig positives Fazit ziehen. Die deutschen Bemühungen tragen Früchte: Man spürt ein hohes Vertrauen in das deutsche Genossenschaftssystem, das deutsche Vorgehen mitsamt Selbstverständnis und die handelnden Personen. Dies zeigt sich beispielsweise in der Entwicklung des Genossenschaftsgesetzes oder auch Registrierungsprozesses von Genossenschaften; viele Vorschläge aus unserer Beratungsarbeit sind erkennbar. So werden beispielsweise nicht operativ tätige Genossenschaften von Amts wegen gelöscht; in der Bankenüberwachung wird differenziert zwischen Cooperative Financial Institutes (CFIs) und Cooperative Banks, also zwischen großen und kleinen Genossenschaftsbanken, festgemacht unter anderem am Einlagenbestand.
Zwei Beispiele von Kooperationen
Über allem steht aber die Vermittlung des Selbstverständnisses von marktwirtschaftlichen Genossenschaften. Gerade unter diesem Aspekt hat sich in den vergangenen Jahren eine Bewusstseinsveränderung auch auf Regierungsseite vollzogen: Wurden Genossenschaften bis vor kurzem als arbeitsmarkt-/sozialpolitische Instrumente gesehen, ist heute ihre wirtschaftliche Ausrichtung bereits bei der Gründung unter anderem durch Businesspläne nachzuweisen. Auch wird bei der Gründung ein Augenmerk auf die Satzung gelegt. So richtet sich eine erste Frage nach dem sogenannten Common Bond, wie sich der Mitgliederkreis zusammensetzt. Zwei Beispiele: Der Mmetlakhola CFI können nur Menschen angehören, die ihren Wohnsitz in einem regional abgegrenzten Geschäftsgebiet haben. Aber auch andere „Common Bonds“ findet man vor; so gehören der NAGRIK CFI nur „business minded indian people“ an, derzeit rund 300. Ob dies in Deutschland unter dem Aspekt von Diskriminierung auch denkbar wäre? Da es um die Kreditmoral oft nicht zum Besten bestellt ist, ist ein Verweis auf die bei CFIs statutarisch zu verankernde Vorgabe eines monatlichen Mindestsparbeitrags bemerkenswert. Die Kredithöchstgrenze beträgt in der Regel das Zwei- bis Dreifache der vom jeweiligen Kreditnehmer geleisteten Einlagen, die wiederum als Kreditsicherheit dienen. Das sind ganz einfache Überlegungen mit hoher erzieherischer Wirkung. Interessant ist der Hinweis, dass die Kredite in der Regel zu wohnwirtschaftlichen Zwecken oder zur Finanzierung von Schulgeldern aufgenommen werden. Aber (noch) ist nicht alles Gold was glänzt. Erhebliche Defizite sind noch in formalen Bereichen (Dokumentationspflichten etc.), in der Unternehmensführung und vor allem in der Buchhaltung festzustellen. Ein Vergleich zu hiesigen Strukturen im Nachkriegsdeutschland ist gar nicht abwegig bis hin zu (transferierbaren?) Lösungen analog von Buchstellen bei Verbänden. Auch wird es eine Aufgabe gerade für die Mitarbeiter der Abteilung „Genossenschaftskunde“ im Büro des DGRV in Pretoria sein, die im Grunde als „Wanderlehrer“ unterwegs sind, die Bedeutung der Buchprüfung im Allgemeinen und im Folgenden der genossenschaftlichen Prüfung zu unterstreichen. Dies gelingt erfahrungsgemäß gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern, indem die vertrauensbildende Zielstellung einer Prüfung vermittelt wird. Der BWGV selbst und auch die GESTE – Genossenschaftliche Stiftung für Entwicklungszusammenarbeit Baden-Württemberg werden sich auch weiterhin in die vom DGRV koordinierte Arbeit einbringen.