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Weinlese in Württemberg: Überschaubare Mengen mit sehr guten Qualitäten

Lembergerland Rosswag eG
Lembergerland Rosswag eG

Das Jahr 2021 war kein einfaches für die Weingärtnerinnen und Weingärtner in Württemberg: Nichtsdestotrotz rechnen die Genossenschaften mit einer sehr guten Qualität. Die genossenschaftliche Lesemenge wird dieses Jahr mit gut 65 Millionen Litern etwa 20 Prozent über dem mengenmäßig sehr schwachen Vorjahr liegen, aber rund zehn Prozent unterhalb der Durchschnittsernte. „Freunde des Württemberger Weins können sich auf einen sehr guten Jahrgang freuen, wenngleich die Erwartungen der Weinbau-Betriebe an die Erntemengen nicht ganz erfüllt werden“, sagt Dr. Roman Glaser, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV), auf der Pressekonferenz zur Weinlese Württemberg in den Räumen der Lembergerland Kellerei Rosswag eG in Vaihingen-Rosswag (Landkreis Ludwigsburg). Er lobt insbesondere den enormen Einsatz der Weingärtnerinnen und Weingärtner in diesem extrem arbeitsintensiven Weinjahr.

Die Pandemie hatte auf fast alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens einen großen Einfluss. Die Weinbau-Betriebe waren stark durch die Schließung von Gaststätten und den Wegfall von Veranstaltungen betroffen. „Umso mehr hat es uns gefreut, dass mit kreativen Ideen wie etwa virtuellen Weinproben auch neue Absatzkanäle durch die Genossenschaften erschlossen wurden“, lobt BWGV-Präsident Glaser mit besonderem Verweis auf die Gastgeber-Genossenschaft in Vaihingen-Rosswag. „Mit den Öffnungen im Gaststättenbereich und ersten erfolgreich durchgeführten Weinfesten hoffen wir auf einen Schritt in eine weitgehende Normalität.“ Glaser rechnet zudem damit, dass die Pandemie auch zu einer gewissen Renaissance von Genossenschaften führen wird. „Die Menschen merken, wie wichtig und wertvoll regional tätige Unternehmen sowie vor Ort erzeugte Produkte sind. Genau das leisten unsere Genossenschaften“, betont der Präsident des BWGV. Zudem sei eine Bündelung der Kräfte, wie sie Genossenschaften für die vielen Weingärtner leisten, in solch wirtschaftlich herausfordernden Situationen wichtiger denn je. Knapp 70 Prozent der Rebflächen in Württemberg werden von Genossenschaften und deren Mitgliedern bewirtschaftet. Glaser rechnet damit, dass dieser Wert in den kommenden Jahren stabil bleibt.

Die Erntemenge der 35 Weingärtnergenossenschaften in Württemberg liegt dieses Jahr geschätzt bei gut 65 Millionen Litern, im Vorjahr hatten sie nur 53,4 Millionen Liter in die Keller eingebracht. 2020 gab es in Württemberg den kleinsten Jahrgang seit 35 Jahren. Der Ertrag 2021 wird im Durchschnitt bei knapp 90 Hektoliter je Hektar Rebfläche (2020: 72,2) liegen. Auch wenn 2021 ein mengenmäßig unterdurchschnittlicher Jahrgang zu verzeichnen ist, kann von einer durchgängigen Lieferfähigkeit aller Rebsorten ausgegangen werden. Vor den Hintergrund steigender Kosten gehen die Betriebe auch von steigenden Verkaufspreisen aus. Die durchschnittlichen Mostgewichte bei den Hauptsorten lauten in wie folgt: Riesling 80 Grad Oechsle, Schwarzriesling 77 Grad, Spätburgunder 81 Grad, Trollinger 68 Grad und Lemberger 77 Grad. Die Hauptlese in Württemberg hat vergangene Woche begonnen. Trollinger, Lemberger und Riesling werden seit dieser Woche gelesen.

Herausforderndes Weinjahr mit versöhnlichem Ausgang

Die Lese 2021 beschließt ein für die Weingärtnerinnen und Weingärtner ausgesprochen herausforderndes und arbeitsreiches Jahr. Einem gemäßigten Jahreswechsel und deutlich überdurchschnittlichen Temperaturen im Januar und Februar folgte ein sehr kühles Frühjahr mit zögerlichem Austrieb der Reben. Die Frostnacht vom 6. April mit nachfolgender Kälte bis zum 14. April führte teilweise zu Frostschäden. Der sehr kühle Mai bremste das Wachstum der Reben stark. Steigende Temperaturen im Juni führten dann zu einer explosiven Rebenentwicklung, die die Weingärtner arbeitswirtschaftlich kaum bewältigen konnten. Die sehr häufigen Niederschläge taten ihr Übriges: Die Bestände konnten teilweise nicht befahren werden, der Infektionsdruck durch Schadpilze war zwischendurch sehr hoch. Peronospora (falscher Mehltau) führte entsprechend zu deutlichen Ertragsausfällen. Gerade Reben in Steillagen und ökologisch wirtschaftende Betriebe waren besonders betroffen. 2021 bleibt auch aufgrund von Unwettern mit schweren Gewittern und Hagel in Erinnerung. Kaum eine Region blieb vom Hagel verschont. Die Schäden wirken sich insbesondere in Hohenlohe, im Weinsberger Tal und im Bottwartal sowie lokal auch in anderen Regionen auf die Erträge aus. „Die Weingärtnerinnen und Weigärtner kamen dieses Jahr an die Grenzen des körperlich und mental Machbaren“, berichtet Ute Bader, Fachberaterin Weinbau und stellvertretende Bereichsleiterin Beratung Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften beim BWGV. „Insgesamt nehmen wir im Gespräch mit unseren Genossenschaften wahr, dass die Mengen unterdurchschnittlich ausfallen“, so Bader. „Die Qualität wird aber sehr gut.“

Der Absatz der württembergischen Weingärtnergenossenschaften mit eigener Kellerwirtschaft und eigenem Vertrieb ist im ersten Halbjahr 2021 um 3 Millionen auf 31,1 Millionen Liter Wein und Sekt gesunken (minus 9,6 Prozent). Der Umsatz ging im gleichen Zeitraum um 1,3 Millionen Euro auf 95,9 Millionen Euro (minus 1,3 Prozent) zurück. Im Jahr 2020 haben die Weingärtnergenossenschaften 70,2 Millionen Liter Wein und Sekt verkauft (plus 3,4 Millionen Liter beziehungsweise 5,1 Prozent). Der Umsatz stieg derweil um 4,9 Millionen Euro (2,3 Prozent) auf 212,6 Millionen Euro.

Wachstum im Lebensmittel-Einzelhandel vorerst beendet

„Die Rally ist vorerst vorbei“, sagt Uwe Kämpfer, Vorstand Marketing und Vertrieb der Württembergischen Weingärtner-Zentralgenossenschaft eG (WZG), bezogen auf den Wein-Absatz im Lebensmittel-Einzelhandel (LEH), der durch die Corona-Pandemie deutlich zugelegt hatte. Obwohl es im ersten Halbjahr 2021 im LEH in Deutschland laut dem „Nielsen Homescan Panel für Wein“ noch ein leichtes Wachstum im Absatz von 0,6 Prozent und im Umsatz sogar noch um 3,4 Prozent gegeben hat, zeigen die Entwicklungen des zweiten Quartals, dass der Höhenflug des vergangenen Jahres wohl beendet ist. „So gingen im zweiten Quartal die Absätze um 8 Prozent und die Umsätze um 4,5 Prozent zurück“, berichtet Kämpfer. Auffällig dabei ist, dass sich deutsche Weine sowohl im Absatz (mit minus 5,9 Prozent gegenüber einem Minus von 9,7 Prozent für ausländische Weine) als auch im Umsatz (sogar mit minus 0,8 Prozent gegenüber minus 8,1 Prozent für ausländische Weine) deutlich besser entwickelten konnten. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei Betrachtung der Käuferreichweite: Gab es im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum noch einen Anstieg von 49,5 auf 50,7 Prozent der Wein kaufenden Haushalte, so kam es im zweiten Quartal zu einem Rückgang von 42,2 Prozent auf 40,7 Prozent. Und auch bei der Käuferreichweite schneidet deutscher Wein besser ab als seine ausländische Konkurrenz: Während die Anzahl kaufender Haushalte für deutschen Wein nur sehr wenig zurückging (29,8 auf 29 Prozent), schrumpfte die Anzahl kaufender Haushalte für ausländischen Wein so stark (30,3 auf 27,8 Prozent), dass sie nun unter der Käuferreichweite für deutschen Wein liegt. Fächert man die Entwicklung der Marktanteile im ersten Halbjahr weiter auf, so geht Spanien als klarer Gewinner der ersten sechs Monate sowohl im Absatz (plus 15,9 Prozent) als auch Umsatz (plus 12,4 Prozent) hervor. Italien konnte mit plus 1,8 Prozent im Absatz und plus 2,4 Prozent im Umsatz noch leichte Gewinne verbuchen. Verlierer war zum einen Frankreich (minus 2 Prozent im Absatz und minus 1,7 Prozent im Umsatz), aber vor allem die Neue Welt (minus 15,9 Prozent im Absatz und minus 16 Prozent im Umsatz) und Sonstige (minus 12 Prozent und minus 10,8 Prozent). Deutschland entwickelte sich mit plus 1,8 Prozent bei den mengenmäßigen Marktanteilen und mit plus 1,6 Prozent bei den wertmäßigen Anteilen analog zu Italien.

Genossenschaftliche Ertragsrebfläche in Württemberg stabil

In Württemberg arbeiten 34 Weingärtnergenossenschaften, darunter 15, die ihre Weine im eigenen Keller ausbauen, dazu kommt noch die WZG in Möglingen. Die Zahl der Mitarbeiter (inklusive WZG) lag Ende 2020 bei 724 (2019: 738). Die genossenschaftliche Ertragsrebfläche in Württemberg ist leicht um fünf Hektar von 7.404 Hektar (2019) auf 7.399 Hektar zum Jahresende 2020 gesunken. Dies entspricht etwa zwei Drittel der Gesamtrebfläche. 2020 hat sich die Weingärtnergenossenschaft Winnenden mit der Weingärtnergenossenschaft Korb zusammengeschlossen. Im laufenden Jahr gab es eine weitere Fusion im Remstal. Die Weingärtner Remstal eG, die Weingärtnergenossenschaft Remshalden-Schorndorf eG und die Weingärtnergenossenschaft Schnait eG sind mit der Remstalkellerei verschmolzen.

Lembergerland: Gute Qualität in herausforderndem Jahr

„Qualitativ und quantitativ ist das Jahr 2021 sehr herausfordernd für uns: Frost im Frühjahr, zu viel Niederschlag und zudem zu wenige sonnige und warme Perioden“, berichtet Christian Kaiser, Geschäftsführer der Lembergerland Kellerei Rosswag eG, Gastgeber der diesjährigen Pressekonferenz zur Weinlese. „Erstaunlich ist, wie sich die Trauben trotzdem ordentlich entwickeln. Wir gehen von einem schwierigen Herbst aus, sind aber zuversichtlich, dass wir die Trauben gesund einfahren können“, so Kaiser weiter. Da es in einigen Lagen (Illinger Neue Weinberge und Schützinger Heiligenberg) starke Frostschäden gab, rechnet der Geschäftsführer mit einem mengenmäßig insgesamt kleinen Herbst, vor allem weil der Lemberger (mit 40 Prozent Anteil an der Gesamtmenge die wichtigste Rebsorte) stark betroffen ist. Im Markgröninger St. Johännser gab es im August zudem Hagelschäden. Kaiser erwartet etwa 1,5 Millionen Kilogramm Trauben (90 Kilogramm je Ar). Im Vorjahr brachten die Weingärtner nur 1,15 Millionen Kilogramm Trauben ein (68 kg/ar), was der mengenmäßig schwächste Herbst seit mehr als 30 Jahren war. „Die Lese 2021 stellt uns und unsere Wengerter vor große Herausforderungen. Ziel ist es, gesundes Lesegut einzufahren. Das Mostgewicht spielt hierbei die untergeordnete Rolle, ist aber natürlich nicht zu vernachlässigen.“ Kaiser rechnet mit durchschnittlichen Oechsle-Werten von 80 Grad über alle Sorten hinweg (2020: 84 Grad). Seit 2019 setzten die Rosswager so genannte NIRS-Sensoren ein, hierbei wird schon bei der Anlieferung des Leseguts die Traubengesundheit mittels Infrarot-Technik bestimmt.

Die 250 aktiven Weingärtner (Mitglieder insgesamt: 345) der Lembergerland Kellerei Rosswag eG bewirtschaften 167 Hektar Rebfläche, davon 40 Hektar terrassierte Steillagen mit reinen Muschelkalkböden – kulturhistorisch denkmalgeschützt. „Die Edition 401 bildet den Markenkern unseres Sortiments“, berichtet Kaiser. „401 steht für vierhunderteins Stäffele, die sich vom Enzufer bis an die letzte Lemberger-Traube ziehen. Das sind umgerechnet 23 Stockwerke reine Handarbeitslage.“ In den Lagen im Stromberg befinden sich außerdem Keuper-Böden. Die 1935 gegründete Weingärtnergenossenschaft zählt 14 Mitarbeiter, die im Jahr 2020 rund 4,25 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet haben. Ein Zuwachs um 4,1 Prozent – trotz Corona. „Durch die Pandemie ist der Absatzzweig Gastro & Veranstaltungen weggebrochen, durch viele Aktionen im Endkundengeschäft konnte dies aber kompensiert werden. Der Endverbraucheranteil ist dadurch auf 50 Prozent gewachsen“, sagt der Geschäftsführer. Für das laufende Wirtschaftsjahr erwartet er ein weiteres Umsatzplus von zwei Prozent.

In Vaihingen-Rosswag dreht sich alles um den „Genussmoment“

„Im Mittelpunkt des Lembergerlands steht der Genussmoment“, beschreibt Kaiser die Philosophie der Genossenschaft. Diese verarbeitet zu 84 Prozent rote Sorten (davon 60 Prozent Lemberger) und zu 16 Prozent weiße. Die Sorten im Einzelnen: Lemberger, Trollinger, Spätburgunder, Muskattrollinger, Merlot, Satin Noir, Riesling, Kerner, Weißburgunder, Chardonnay und Sauvignac. Die Lembergerland-Genossenschaft, die 2001 mit den Weingärtnern Schützingen und 2005 mit den Weingärtnern Markgröningen fusioniert ist, setzt konsequent auf das Thema Weinerlebnis – etwa mit Weinbergtouren und Genuss-Seminaren. Auch das Projekt „Wengerter für ein Jahr“ lockt seit zehn Jahren Weinfreunde an: „Hierbei bewirtschaften wir 80 Ar terrassierte Steillage mit Quereinsteigern, daraus haben sich bereits zehn Neumitglieder akquiriert. Insgesamt haben sich schon 180 Teilnehmer an dem Projekt beteiligt“, berichtet Kaiser. Besonders stolz sind die Weingärtner auf die im März 2020 nach Umbau neu eröffnete Vinothek. Diese ist 2021 mit dem Siegel „Wein & Architektur“ des Deutschen Weininstituts (DWI) ausgezeichnet worden, erst vor wenigen Tagen wurde sie, ebenfalls vom DIW, zu einer der Top-30-Vinotheken in Deutschland gekürt.

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