Die Winzer in Baden können vielerorts aufatmen: Die Auswirkungen des Spätfrosts im April sind zwar deutlich spürbar, jedoch vielfach nicht so gravierend wie ursprünglich befürchtet. Die diesjährige genossenschaftliche Erntemenge wird nach ersten Prognosen etwa 20 Prozent unterhalb der üblichen Normalernte liegen. „Trotz zahlreicher Herausforderungen im Verlauf des Vegetationsjahres wird die Qualität der 2017er-Weine sehr gut ausfallen“, prognostiziert Dr. Roman Glaser, der Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV), in den Räumen der Durbacher Winzergenossenschaft eG in Durbach (Ortenaukreis). Knapp 70 Prozent der Rebflächen in Baden werden von Genossenschaften bewirtschaftet. Für Glaser ist und bleibt die Rechts- und Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft ein „Zukunftsmodell“ – gerade in der Weinwirtschaft.
Nach derzeitigen Schätzungen dürfte die Erntemenge der 75 Winzergenossenschaften (WG) in Baden dieses Jahr bei etwa 70 Millionen Litern liegen, aufgrund extremer Wetterereignisse wie Spätfrost, Trockenheit und örtlich auch Hagel lassen sich die Mengen in diesem Jahr jedoch besonders schwer schätzen. Im Vorjahr haben die badischen Winzergenossenschaften 94,1 Millionen Liter in die Keller eingebracht. Der Ertrag 2017 könnte bei rund 70 Hektoliter je Hektar Rebfläche liegen (2016: 91,8). So vielfältig wie die badischen Weinregionen ist auch die Ertragssituation. Alles in allem sind die durchschnittlichen Mostgewichte sehr zufriedenstellend: Müller-Thurgau 80 Grad Oechsle, Weißburgunder 88 Grad, Grauburgunder und Spätburgunder schon jetzt bei 90 Grad. Die Hauptlese der Burgundersorten in Baden läuft vielerorts gerade. Andere Regionen wie das Markgräflerland oder der Kaiserstuhl befinden sich bereits in der Endphase der Lese.
Extrem frühe Lese nach sehr herausforderndem Vegetationsjahr
Die Lese in Baden hat in diesem Jahr ein bis zwei Wochen früher als üblich begonnen. Das Vegetationsjahr erwies sich als ausgesprochen herausfordernd: Nach einem sehr frühen Austrieb wurden die Winzer Mitte April von einem heftigen Spätfrost überrascht, der für große Schäden an den Pflanzen sorgte. Frostnächte sind im April nicht ungewöhnlich, jedoch sorgten die außergewöhnlich tiefen Temperaturen sowie der bereits sehr weit fortgeschrittene Vegetationsstand für Beschädigungen an Trieben und Blüten. Dennoch führten erneute Austriebe vielerorts dazu, dass auch in den betroffenen Rebflächen noch qualitativ hochwertige Trauben geerntet werden können. Die sehr zügige Entwicklung der Trauben wurde über den Sommer stellenweise durch Trockenheit und lokale Hagelereignisse beeinträchtigt. „Regenperioden während der Reife der Trauben sind bei Winzern nicht beliebt. Aufgrund der kühlen Witterung der vergangenen zwei Wochen hat sich die Situation allerdings zum Positiven gewendet. Aktuell freuen wir uns über das stabile Herbstwetter“, berichtet Ute Bader, Fachberaterin Wein und stellvertretende Bereichsleiterin Beratung Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften beim BWGV. Die Expertin rechnet trotz der zahlreichen Herausforderungen mit einem überwiegend sehr guten Jahrgang 2017 in Baden. In Jahren wie 2017 machen sich die Investitionen der Winzergenossenschaften in hochqualifiziertes Personal und modernste technische Ausstattung im besonderen Maße bezahlt. „Die gärenden Moste zeigen bereits jetzt eine sehr schöne Aromatik. Die Konsumenten dürfen sich auf fruchtige und sortentypische Qualitätsweine freuen“, berichtet Bader.
Absatz und Umsätze steigen leicht
Der Absatz der badischen Winzergenossenschaften stieg im ersten Halbjahr 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,2 Millionen auf 39,1 Millionen Liter Wein und Sekt (plus 0,6 Prozent). Der Umsatz erhöhte sich leicht um 0,3 Millionen Euro auf 122,9 Millionen Euro (plus 0,2 Prozent). „Diese positive Entwicklung in einem herausfordernden Markt spricht für die sehr gute Qualität der genossenschaftlichen Weine aus Baden“, sagt Glaser. Der Durchschnittserlös je Liter Wein und Sekt verringerte sich im Gesamtjahr 2016 leicht um 4 Cent auf 3,18 Euro. Im ersten Halbjahr 2017 lag der Durchschnittserlös stabil bei 3,14 Euro je Liter – 1 Cent unter dem Vorjahres-Halbjahr. Im Jahr 2016 haben die badischen Winzer 82,5 Millionen Liter Wein und Sekt verkauft (plus 1,3 Millionen Liter beziehungsweise 1,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Der Umsatz stieg im gleichen Zeitraum um 0,7 Millionen Euro (0,3 Prozent) auf 262,5 Millionen Euro.
Auch 2016 setzte sich der Strukturwandel im Weinbau fort. Seit Jahren ist die Zahl der Betriebe in Baden rückläufig – von 25.480 im Jahr 2000 auf 13.800 zum Jahresende 2016. Insbesondere kleine Nebenerwerbsbetriebe geben vermehrt auf, während die Zahl der Betriebe über fünf Hektar kontinuierlich zunimmt – von 571 im Jahr 2000 auf 817 zum Jahresende 2016. In Baden arbeiten 75 Winzergenossenschaften, darunter 36, die ihre Weine im eigenen Keller ausbauen. Die Zahl der Mitarbeiter liegt bei 980 (2015: 945). Die genossenschaftlichen Rebflächen in Baden haben sich 2016 leicht von 10.400 Hektar auf 10.249 Hektar (minus 151 Hektar beziehungsweise minus 1,5 Prozent) verringert. Dennoch entspricht dies immer noch fast 70 Prozent der Gesamtfläche. „Wir wollen die genossenschaftliche Rebfläche möglichst hoch halten. Nur gemeinsam sind die Winzer in Baden stark und für alle Zukunftsherausforderungen gewappnet“, sagt Glaser. Fusionen gab es 2016 keine in Baden. Im laufenden Jahr haben sich bisher die Vogtei Eschbachtal (Vogtsburg) und die Winzergenossenschaft Bickensohl (Vogtsburg) sowie die Winzergenossenschaft Eichelberg (Sinsheim) und die WG Zeutern (Ubstadt-Weiher) zusammengeschlossen.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Herausforderungen im Weinbau steht der BWGV seinen Winzergenossenschaften als strategischer Partner unterstützend zur Seite und intensiviert sein Engagement in der Beratung. „Eine Genossenschaft hat in ihrer Zukunftsgestaltung immer drei Optionen“, sagt Glaser. „Neben Fusionen sind dies Kooperationen sowie die zukunftsorientierte strategische Neuausrichtung in Eigenregie.“ Bei allen drei Prozessen unterstützt der Verband seine Mitglieder und bietet ihnen umfangreiche Struktur- und Zertifizierungsberatungen, aber auch strategische Unterstützung, Beratungen auf der Kostenseite sowie in Fragen der Oenologie.
Die Steillagen-Spezialisten: Durbacher Winzergenossenschaft
Vom Klima begünstigt und in der Bewirtschaftung anspruchsvoll: Mit über 75 Prozent Steillagen und mehr als 30 Prozent Hangneigung stellt sich die Durbacher Winzergenossenschaft, Gastgeberin der diesjährigen Pressekonferenz, seit Jahren erfolgreich den besonderen topographischen Herausforderungen der Lese. Die Mitglieder des Steillagenspezialisten an der Badischen Weinstraße, wenige Kilometer östlich von Offenburg, bauen auf rund 330 Hektar Rebfläche Weine auf höchstem Niveau an. Von den 200 Winzern wirtschaften 60 Familien im Vollerwerb. Zur aktuellen Ernte äußert sich der Geschäftsführer der Durbacher Winzergenossenschaft, Stephan Danner, optimistisch: „Obwohl unsere Winzer zum Teil vom Frühjahrsfrost im April und dem Hagelschlag Ende Juli doppelt getroffen wurden, sind wir mit der Menge noch einigermaßen zufrieden. Die Qualitäten sind ebenfalls sehr gut und wir können unseren Kunden einen optimalen Übergang von 2016 zu 2017 bieten“, betont er. Die Menge der Vorjahres-Ernte von rund 3,8 Millionen Kilogramm Trauben wird aber nicht erreicht werden. Danner erläutert, dass im Jahr 2016 ein Absatz von 2,5 Millionen Liter erzielt werden konnte. „In diesem Geschäftsjahr würden wir uns sehr freuen, wenn wir die Umsatzmarke von 12 Millionen Euro überschreiten würden“, meint Danner, der dies von der letztlichen Erntemenge abhängig macht. Mit durchschnittlich über 90 Grad Oechsle erwarten die Durbacher Winzer ähnliche Werte wie im Vorjahr, wobei es klassischerweise große Unterschiede je nach Sorte gibt. „Unsere Winzergenossenschaft hat in den vergangenen vier Geschäftsjahren jeweils das höchste Umsatzergebnis der Firmengeschichte geschrieben“, verweist Danner auf die Erfolgsgeschichte der 1928 gegründeten Genossenschaft, die aktuell 41 Mitarbeiter beschäftigt. Zahlreiche Investitionen in den vergangenen Jahren legten dabei den Grundstein: So wurde 2016 die komplette Abfüllung erneuert und umgebaut, nachdem bereits ab 2012 das Gesamterscheinungsbild der Genossenschaft – vom Flaschenetikett, über den Lastwagen bis zum Kugelschreiber – neu gestaltet worden war.
Topweine aus vier Spitzenlagen
Auf Granitverwitterungsgestein in den vier Spitzenlagen Ölberg, Steinberg, Kochberg und Plauelrain werden Weine auf höchstem Niveau angebaut. Der Rotweinanteil der Durbacher liegt bei knapp der Hälfte, 43 Prozent der Gesamtfläche entfällt auf Spätburgunder. Die andere Hälfte bilden die Weißweine wie Riesling mit knapp einem Drittel, dann Müller-Thurgau und Grauburgunder, die zu je 10 Prozent angebaut werden. 13 Prozent des Umsatzes wird aus Sekt und Secco generiert, was abgesehen von den Sektkellereien einen Spitzenanteil in Baden darstellt. Die in Durbach genossenschaftlich organisierten Winzer setzen weniger auf große Mengen, sondern überzeugen den Kunden durch ein „ganz besonderes jahrzehntelanges Durbacher Qualitätsdenken“, so Geschäftsführer Danner über das erfolgreiche Konzept. Nicht umsonst wurde die Durbacher WG dreimal in Folge von Gault Millau als „beste Winzergenossenschaft in Baden“ bezeichnet.