Die Volksbanken und Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg haben sich auch im zweiten Corona-Jahr als Fels in der Brandung für ihre Mitglieder und Kunden erwiesen: So steigerten die 144 genossenschaftlichen Institute im Südwesten ihr Kreditgeschäft im vergangenen Jahr deutlich um 7,9 Prozent (9,0 Milliarden Euro) auf 123,8 Milliarden Euro. Zudem überstieg die Bilanzsumme der Genossenschaftsbanken im Jahr 2021 erstmals die Marke von 200 Milliarden Euro. „Dieses erfreuliche Wachstum zeigt, dass die Kreditversorgung jederzeit gewährleistet war und auch weiterhin ist. Gerade in herausfordernden Zeiten wie diesen können sich Unternehmen und Selbstständige sowie Privatkunden voll auf uns verlassen“, sagt Dr. Roman Glaser, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV), auf der digitalen Pressekonferenz des Verbands im Stuttgarter GENO-Haus. Er verweist dabei ganz besonders auf die Bedeutung einer kompetenten und vertrauensvollen Bankberatung – gerade in einem von großen Unsicherheiten geprägten wirtschaftlichen und politischen Umfeld.
„Die genossenschaftliche Beratung, die sowohl auf Fachexpertise als auch auf einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Berater und Kunden basiert, wird immer wichtiger für die Menschen“, sagt Glaser. „Denn gerade in dieser unübersichtlichen Zeit, die zudem durch die schon lang anhaltende Niedrigzinsphase gekennzeichnet ist, brauchen die Menschen kompetente Unterstützung. Mehr denn je gilt, dass Rendite ohne Risiko nicht mehr möglich ist. Die genossenschaftliche Beratung hilft den Menschen bei ihren Finanzentscheidungen – vertrauensvoll, kompetent und persönlich“, betont der Repräsentant der 144 Volksbanken und Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg. „Diese werden ihrer realwirtschaftlichen Verantwortung seit Generationen voll und ganz gerecht und sind ein verlässlicher Partner sowie eine zentrale Stütze für die mittelständische Wirtschaft im Land.“
Deutliches Kreditwachstum und umfangreiche Corona-Hilfen
So haben die Genossenschaftsbanken zusammen mit der DZ Bank seit Beginn der Corona-Pandemie für ihre Kunden in Baden-Württemberg mehr als 7.500 Anträge für Corona-Hilfskredite der KfW, der L-Bank und der Landwirtschaftlichen Rentenbank mit einem Gesamtvolumen von 2,2 Milliarden Euro gestellt, wovon bereits 2,05 Milliarden Euro zugesagt und ausgezahlt worden sind. Im Jahr 2021 wurden mehr als 1.700 Anträge für Corona-Hilfskredite der KfW, der L-Bank und der Rentenbank mit einem Volumen von insgesamt 300 Millionen Euro zugesagt und bereits zu 75 Prozent ausgezahlt. „Wir stehen fest an der Seite der mittelständischen Unternehmen in Baden-Württemberg – dies gilt ganz besonders in Krisenzeiten“, betont Glaser. Die Kredite der Genossenschaftsbanken an Unternehmen und Selbstständige haben im Jahr 2021 deutlich um 7,8 Prozent auf 50,2 Milliarden Euro zugelegt, die an Privatpersonen sogar um 7,9 Prozent auf 70,8 Milliarden Euro – Haupttreiber hierbei war erneut die Immobilien-Finanzierung.
Kundeneinlagen steigen weiter deutlich an
Die Kundeneinlagen bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken legten ebenfalls deutlich zu – was nicht zuletzt auf eine anhaltende Konsumzurückhaltung der Menschen durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie zurückzuführen ist, aber auch ein Indikator für das große Vertrauen, das die Mitglieder und Kunden den Genossenschaftsbanken im Land entgegenbringen. Trotz der immer noch sehr niedrigen Zinsen am Markt sind die Einlagen mit einem Plus von 5,9 Prozent auf 149,7 Milliarden Euro angestiegen. Termineinlagen (plus 13,4 Prozent auf 7,4 Milliarden Euro) legten ebenso zu wie die täglich fälligen Kundeneinlagen (plus 8,1 Prozent auf 107,2 Milliarden Euro). Leichte Rückgänge gab es derweil bei den Spareinlagen (minus 1,5 Prozent auf 34,9 Milliarden Euro). Das außerbilanzielle Kundenanlagevolumen stieg sehr deutlich um 15,3 Prozent auf 109,1 Milliarden Euro.
Regulatorik: BWGV fordert spürbare Entlastung für kleinere Banken
Um die einlagenfinanzierte Kreditvergabe an den Mittelstand zukünftig nicht zu schwächen, brauchen die kleineren Kreditinstitute mit einem risikoarmen Einlagen- und Kreditgeschäft proportionale Entlastungen von den bankregulatorischen Vorgaben auf EU-Ebene. Die nun scharf geschaltete Backstop-Regelung für „Non-Performing-Loans“ (NPL) – ein Eigenkapital-Abzug für notleidende Kredite über das handelsrechtlich notwendige hinaus – bewirkt jedoch das Gegenteil. „Besonders die Begleitung von Unternehmen in einer Restrukturierungsphase wird den Banken dadurch erschwert. Das über Generationen bewährte Prinzip ‚Sanierung vor Abwicklung‘ als wichtiges Instrument für die nachhaltige Stärke unserer Wirtschaft wird damit untergraben. Das kann und darf nicht Ziel dieser Regulierung sein“, betont Glaser.
Neben der Bewältigung der pandemiebedingten Herausforderungen benötigt auch die angestrebte Transformation der Wirtschaft in Richtung Digitalisierung und Nachhaltigkeit leistungsfähige und zuverlässige Hausbanken. Aus diesem Grund spricht sich der BWGV bei der Regulatorik weiterhin für die konsequente Rückkehr zu einer Politik mit mehr Augenmaß und Proportionalität aus. „Entscheidend ist, dass es nun endlich zu spürbaren Entlastungen für kleine und mittlere Banken kommt“, sagt der BWGV-Präsident. Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie auch Sparkassen werden durch administrative Aufgaben wie Dokumentationspflichten, Anlegerschutzvorgaben oder das Melde- und Beauftragtenwesen weit über Gebühr belastet.
Augenmaß auch beim wichtigen Thema Nachhaltigkeitsregulierung
Mit Augenmaß sollte der Gesetzgeber auch bei der Nachhaltigkeitsregulierung vorgehen. BWGV-Präsident Glaser betont: „Die Rechts- und Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft mit ihrer einzigartigen Verbindung aus wirtschaftlichem Erfolg und sozialer Verantwortung trägt die Nachhaltigkeit tief in ihrer DNA – und das schon seit weit mehr als 160 Jahren.“ Wichtig sei allerdings, dass die kleinen und mittleren Banken und Unternehmen mit dem Transformationsprozess nicht überfordert werden. Die zusätzliche Belastung durch Berichterstattungs- und Meldepflichten müsse so gering wie möglich gehalten werden. „Die europäischen Vorgaben in Sachen Taxonomie dürfen zudem keinesfalls dazu führen, dass die Vergabe notwendiger Mittelstandskredite gefährdet wird“, fordert Glaser.
Die Ertragslage der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg war trotz der herausfordernden Rahmenbedingungen sehr ordentlich: Das Betriebsergebnis vor Risiko – im Prinzip das operative Ergebnis – stieg 2021 um 12,5 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro. Dahinter standen ein um 4,4 Prozent auf 2,8 Milliarden Euro gestiegener Zinsüberschuss sowie ein um 7,6 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro erhöhter Provisionsüberschuss. Der Jahresüberschuss wird für das Jahr 2021 etwa 545 Millionen Euro betragen (Vorjahr: 285 Millionen Euro).
Die Institute haben ihre Kernkapitalquote 2021 weitestgehend stabil gehalten. Sie liegt nun im Durchschnitt bei 15,9 Prozent (minus 0,1 Prozentpunkte). In absoluten Zahlen haben die genossenschaftlichen Banken im Südwesten ihr Kernkapital (Geschäftsguthaben der Mitglieder und Rücklagen) um 5,0 Prozent auf knapp 16,4 Milliarden Euro erhöht, das haftende Eigenkapital (Eigenmittel) stieg um 3,1 Prozent auf 18,4 Milliarden Euro.
Genossenschaftsbanken schaffen Wertschöpfung in ihren Regionen
Ein großes Plus der genossenschaftlichen Kreditinstitute stellt ihre enorme Wertschöpfung in ihren jeweiligen Regionen dar: So engagierten sich die Volksbanken und Raiffeisenbanken im Land in den vergangenen Jahren unter anderem zunehmend in verschiedenen genossenschaftlichen WohnenPLUS- und Quartiers-Projekten. Daneben fließen Steuerzahlungen der Volksbanken und Raiffeisenbanken an Bund, Land und Gemeinden im Umfang von rund 320 Millionen Euro und allein im Südwesten 1,3 Milliarden Euro an Löhnen und Gehältern an die Mitarbeitenden. Diese bezahlen jährlich 312 Millionen Euro an Steuern und verfügen über eine Kaufkraft von 650 Millionen Euro, die zum großen Teil direkt in die Regionen zurückfließen. Ebenfalls in die Regionen gehen insgesamt 315 Millionen Euro, die die Banken in ihre Geschäftsstellen investieren, und rund 55 Millionen Euro pro Jahr an Geld- und Sachspenden für Vereine und soziale Einrichtungen. „Unsere Volksbanken und Raiffeisenbanken sorgen dauerhaft für spürbare regionale Wertschöpfung“, sagt Glaser.
Banken bieten den Kunden digitale und persönliche Nähe
Die digitalen Zugangswege zu den Volksbanken und Raiffeisenbanken gewinnen immer mehr an Bedeutung. Fast zwei Drittel der Kunden haben sich bereits für das Online-Banking entschieden. Das sind rund fünf Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Ein Modell, das ebenfalls immer mehr Kunden schätzen, ist die persönlich-digitale Beratung per Videotermin. „Es entscheidet aber stets der Kunde selbst, welchen Kanal er letztlich für welchen Vorgang nutzen möchte: persönlich, digital oder persönlich-digital“, erläutert der BWGV-Präsident. Neben allen digitalen Zugangswegen werden auch die Angebote in Sachen persönlicher Beratung immer weiter verbessert. „In der Krise hat sich das besondere Vertrauensverhältnis, das unsere Banken zu ihren Mitgliedern und Kunden pflegen, voll ausgezahlt“, bilanziert Glaser.
Die Bilanzsumme der 144 (Vorjahr: 157) Volksbanken und Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg erhöhte sich 2021 um 7,2 Prozent auf 202 Milliarden Euro. Die Zahl der Bankstellen hat sich um 104 auf 2.263 (davon 717 SB-Stellen) verringert. Die Zahl der Mitarbeitenden ging um 122 auf 20.597 (umgerechnet auf Vollzeitstellen) zurück. Aktuell arbeiten 1.706 Auszubildende (minus 34) bei den Instituten, was einer Azubi-Quote von acht Prozent entspricht. Die Genossenschaftsbanken im Südwesten zählen fast 3,69 Millionen Mitglieder – das ist mehr als jeder dritte Baden-Württemberger.