Solides Jahr 2020, trotz Corona-Pandemie – der Ausblick für die kommenden Monate bleibt aber mit großen Unsicherheiten behaftet: Die 159 Volksbanken und Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg haben ihr Kreditgeschäft im vergangenen Jahr deutlich um 6,2 Prozent (6,7 Milliarden Euro) auf 115 Milliarden Euro gesteigert. „Unsere Banken haben sich in der Corona-Krise sehr ordentlich geschlagen und vor allem gezeigt, welch ein wertvoller Partner für die mittelständische Wirtschaft im Land sie sind. Gerade in schwierigen Zeiten konnten und können sich Unternehmen und Selbstständige sowie Privatkunden voll auf uns verlassen“, sagt Dr. Roman Glaser, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV), auf der digitalen Pressekonferenz des Verbands im Stuttgarter GENO-Haus.
„Die Volksbanken und Raiffeisenbanken werden ihrer realwirtschaftlichen Verantwortung seit Generationen gerecht und sind eine zentrale Stütze für die Wirtschaft in Baden-Württemberg – gerade auch in Zeiten der Krise, wie sich im vergangenen Jahr eindrucksvoll gezeigt hat“, betont Glaser. So haben die Genossenschaftsbanken zusammen mit der DZ Bank für ihre Kunden in Baden-Württemberg 2020 mehr als 6.700 Anträge für Corona-Hilfskredite der KfW und der L-Bank mit einem Volumen von insgesamt 2,1 Milliarden Euro gestellt, davon 1,7 Milliarden Euro bereits zugesagt und 1,3 Milliarden Euro schon ausgezahlt. „Regionalität, Solidarität und Verlässlichkeit sind wichtige Ankerpunkte für Wirtschaft und Gesellschaft und notwendiger denn je. Wirtschaftlicher Erfolg muss zudem stets mit sozialer Verantwortung einhergehen. All dies vereint das genossenschaftliche Geschäftsmodell in idealer Weise“, so Glaser weiter. Die Kredite der Genossenschaftsbanken an Unternehmen haben um 5 Prozent auf 46,6 Milliarden Euro zugelegt, die an Privatpersonen um 6,6 Prozent auf 65,8 Milliarden Euro – Haupttreiber hierbei war einmal mehr die Immobilien-Finanzierung.
Corona lässt die Kundeneinlagen stark ansteigen
An der Entwicklung der Kundeneinlagen zeigt sich, dass die Menschen durch die Corona-Einschränkungen spürbar weniger konsumieren konnten und dass sie durch die Krise auch ihre Sparquote erhöht haben: Trotz der extrem niedrigen Zinsen am Markt sind die Einlagen mit einem Plus von 6,9 Prozent auf 141,6 Milliarden Euro deutlich gestiegen. Während sich bei den Termineinlagen (minus 15,1 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro) weiter ein Rückgang zeigt, legten die täglich fälligen Kundeneinlagen (plus 11,7 Prozent auf 99,3 Milliarden Euro) sehr stark zu. In etwa stabil blieben die Spareinlagen (minus 0,1 Prozent auf 35,5 Milliarden Euro). Das außerbilanzielle Kundenanlagevolumen stieg leicht um 0,5 Prozent auf 94,7 Milliarden Euro.
Klares „Nein“ zu europäischer Einlagensicherung durch die Hintertür
Die Volksbanken und Raiffeisenbanken lehnen nach wie vor jede Form der Vergemeinschaftung der Einlagensicherung in der Eurozone ab. „Dies ist auch der Fall, wenn eine solche Einführung durch die Hintertür droht – wie es sich nun im Rahmen der EU-Pläne zum Krisenmanagement für in Schieflage geratene Banken andeutet. Die EU-Kommission setzt massiv das Vertrauen der Sparer aufs Spiel“, sagt BWGV-Präsident Glaser. „Mit einer europäischen Einlagensicherung müssten Kunden der Volksbanken und Raiffeisenbanken für andere europäische Banken – mit zum Teil riskanten Geschäftsmodellen – haften. Das ist in höchstem Maße ungerecht und geht klar auf Kosten der Sparer in Deutschland.“ Zudem sei ein solcher Schritt überhaupt nicht notwendig: Durch die bundesweite Institutssicherung garantieren die Genossenschaftsbanken – ebenso wie die Sparkassen mit einem ähnlichen System – seit fast 90 Jahren die Existenz aller Institute der Gruppe und somit alle Kundengelder in unbegrenzter Höhe.
Regulatorik: BWGV fordert spürbare Entlastung für kleinere Banken
Um die bewährte einlagenfinanzierte Kreditvergabe an den Mittelstand zukünftig nicht zu schwächen, brauchen die kleineren und mittleren Kreditinstitute mit einem risikoarmen Kreditgeschäft proportionale Entlastungen von den bankregulatorischen Vorgaben. Die Pläne zur sogenannten Backstop-Regelung für „Non-Performing-Loans“ – ein geforderter Eigenkapital-Abzug für notleidende Kredite über das handelsrechtlich notwendige hinaus – würden jedoch das Gegenteil bewirken. „Diese Regelung würde die Kreditvergabe in den Mittelstand deutlich hemmen und hätte somit gesamtwirtschaftlich negative Auswirkungen. Gerade die Begleitung von Unternehmen, die sich durch die Corona-Krise in finanzieller Notlage befinden, darf nicht noch zusätzlich erschwert werden“, fordert Glaser eindringlich. Der BWGV spricht sich bei der Regulatorik für die konsequente Rückkehr zu einer Politik mit mehr Augenmaß und Proportionalität aus. Ausdrücklich begrüßt wird in diesem Zusammenhang die „Small Banking Box“, die regulatorische Erleichterungen für Banken mit einer Bilanzsumme von weniger als fünf Milliarden Euro vorsieht. „Entscheidend ist aber, dass es in diesem Zusammenhang auch rasch zu spürbaren Entlastungen für kleinere und mittlere Banken kommt“, sagt der BWGV-Präsident. Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie auch Sparkassen werden durch administrative Aufgaben wie Dokumentationspflichten, Anlegerschutzvorgaben oder das Melde- und Beauftragtenwesen weit über Gebühr belastet.
Volksbanken und Raiffeisenbanken fordern Ende der Niedrigzinspolitik
„Noch weitaus mehr schadet die fatale Zinspolitik der Europäischen Zentralbank den Bankkunden“, sagt Glaser. Denn die größten Verlierer dieser Entwicklung sind die Sparer, da traditionelle und sichere Anlagen wie Festgeld, Tagesgeld oder Sparbücher seit Jahren kaum noch Ertrag bringen. „Ein ausreichendes Sparen fürs Alter wird vor diesem Hintergrund massiv erschwert“, betont der BWGV-Präsident, der ein Ende dieser Politik fordert.
Die Ertragslage der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg war trotz der herausfordernden Rahmenbedingungen ordentlich: Das Betriebsergebnis vor Risiko – im Prinzip das operative Ergebnis – ging 2020 um 4,6 Prozent auf 1,17 Milliarden Euro zurück. Dahinter standen ein um 3,1 Prozent auf 2,66 Milliarden Euro gesunkener Zinsüberschuss sowie ein um 1,7 Prozent auf 1,14 Milliarden Euro gestiegener Provisionsüberschuss. Der Jahresüberschuss dürfte in etwa auf Vorjahresniveau liegen. 2019 betrug dieser 325 Millionen Euro. Die Institute haben ihre Kernkapitalquote 2020 weiter gesteigert. Sie liegt nun im Durchschnitt bei 16,1 Prozent (plus 0,4 Prozentpunkte). In absoluten Zahlen haben die genossenschaftlichen Banken im Südwesten ihr Kernkapital (Geschäftsguthaben der Mitglieder und Rücklagen) um 4,8 Prozent auf knapp 15,5 Milliarden Euro erhöht, das haftende Eigenkapital (Eigenmittel) stieg um 1,9 Prozent auf 17,7 Milliarden Euro.
Ein großes Plus der genossenschaftlichen Institute stellt ihre enorme Wertschöpfung in den jeweiligen Regionen dar: Neben den Steuerzahlungen der Volksbanken und Raiffeisenbanken an Bund, Land und Gemeinden im Umfang von rund 330 Millionen Euro fließen allein im Südwesten 1,29 Milliarden Euro an Löhnen und Gehältern an die Mitarbeiter. Diese bezahlen jährlich 310 Millionen Euro an Steuern und verfügen über eine Kaufkraft von 670 Millionen Euro, die zum großen Teil direkt in die Region zurückfließen. Ebenfalls in die Regionen gehen 332 Millionen Euro, die die Banken in ihre Geschäftsstellen investieren, und 68 Millionen Euro pro Jahr an Geld- und Sachspenden für Vereine und soziale Einrichtungen. „Unsere Banken sorgen dauerhaft für spürbare regionale Wertschöpfung“, betont Glaser.
Corona lässt das Online-Banking wachsen
Die digitalen Zugangswege zu den Volksbanken und Raiffeisenbanken gewinnen von Jahr zu Jahr an Bedeutung – ganz besonders war dies 2020 zu spüren, da Corona viele Kunden vom Filialbesuch abgehalten hat. So ist die Zahl der Online-Konten innerhalb nur eines Jahres um fünf Prozent angestiegen. 60 Prozent der Kunden nutzen mittlerweile Online-Banking. „Aber auch auf digitalem Weg oder telefonisch haben wir die Nähe zu den Menschen in der Corona-Zeit erhalten und konnten unsere Firmen- und Privatkunden jederzeit kompetent und sehr persönlich betreuen“, betont Präsident Glaser. „In der Krise hat sich das besondere Vertrauensverhältnis, das unsere Banken zu ihren Mitgliedern und Kunden pflegen, voll ausgezahlt.“ Neben allen digitalen Zugangswegen werden auch die Angebote in Sachen Beratung immer weiter ausgebaut und verbessert. „Es entscheidet stets der Kunde selbst, welchen Kanal er letztlich für welchen Vorgang nutzen möchte: persönlich, digital oder persönlich-digital“, erläutert der BWGV-Präsident.
Die Bilanzsumme der 159 (Vorjahr: 167) Volksbanken und Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg erhöhte sich 2020 um 8,9 Prozent auf 188,8 Milliarden Euro. Die Zahl der Bankstellen hat sich um 133 auf 2.374 (davon 745 SB-Stellen) verringert. Die Zahl der Mitarbeiter ging derweil um 500 auf 20.770 zurück (umgerechnet auf Vollzeitstellen). Aktuell arbeiten 1.746 Auszubildende (plus 67) bei den Instituten, was einer Azubi-Quote von 8,4 Prozent entspricht. Die Genossenschaftsbanken im Südwesten zählen 3,74 Millionen Mitglieder – das ist mehr als jeder dritte Baden-Württemberger.