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Sparkassen und Genossenschaftsbanken fordern: Sparen muss sich wieder lohnen

Sparkassen und Genossenschaftsbanken fordern: Sparen muss sich wieder lohnen
Wolfgang List, Perfectfotos

„Sparen muss sich endlich wieder lohnen! Ein Ende der Nullzinspolitik ist längst überfällig“, fordern Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg, und Dr. Roman Glaser, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV), anlässlich des Weltspartags 2017.

Die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) schade nicht nur den Sparern – sie untergrabe auch die sozialen Sicherungssysteme. Die praktisch nicht mehr existenten Zinsen schafften eine Fülle neuer Probleme. Beim gut besuchten Symposium „Sparen muss sich wieder lohnen!“ in Stuttgart diskutierte eine renommierte Expertenrunde über das Thema Sparen und die Folgen der Nullzinspolitik der EZB. Ihre Botschaft: Trotz Niedrigzinsen bleibt das Sparen eine Voraussetzung für den Vermögensaufbau. Die Bedeutung der privaten Vorsorge wächst weiter.

Rund 300 Gäste hatten sich auf Einladung der Sparkassen sowie der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg am Dienstagabend, 24. Oktober, im Haus der Wirtschaft in Stuttgart eingefunden, um die spannende Diskussion zu verfolgen. Auf dem Podium saßen die baden-württembergische Finanzministerin Edith Sitzmann, der Europa-Abgeordnete Burkhard Balz, der zugleich Koordinator der EVP-Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Währung ist, sowie die beiden Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim und Prof. Dr. Gustav Horn, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung.

„Niedrigzins verlagert lediglich Probleme in eine andere Zeit“

Während die übrigen Referenten sich klar gegen die Niedrigzinspolitik stellten, verteidigte Gustav Horn die Arbeit der Europäischen Zentralbank. „Die EZB handelt im Sinne ihres Auftrags. Hätte sie 2012 nicht eingegriffen, lägen wir heute am Boden“, betonte er und ergänzte in Richtung Publikum: „Herr Draghi hat auch Sie gerettet.“ Burkhard Balz führte die Folgen der Niedrigzinspolitik für Renten, Versicherungen und Stiftungsvermögen vor Augen: „Das Niedrigzinsniveau verlagert lediglich Probleme in eine andere Zeit.“ Die Regulatorik bevorzuge vor allem internationale Großbanken. Dabei entstehe ein Bankensystem, das in zehn bis 15 Jahren noch deutlich gefährlicher werde.

Auch Hans-Peter Burghof wandte sich gegen die aktuelle EU-Regulatorik. Gerade in Deutschland seien die regional verwurzelten Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie Sparkassen für den Mittelstand unersetzbar: „Ein schwäbischer Mittelständler braucht seine Hausbank, sonst ist er sofort tot.“ Finanzministerin Edith Sitzmann hob die Wertigkeit und die soziale Bedeutung der einfachen Sparformen für Bürger hervor: „Nicht jeder hat die Möglichkeit zu entscheiden, ob er sich eine Immobilie kauft oder nicht. Investitionen sind für viele mit einem hohen Risiko verbunden.“

Die Sparer in Deutschland sind die großen Verlierer der EZB-Politik. Beliebte und sichere Anlagen wie Festgeld, Tagesgeld oder Sparbücher bringen derzeit praktisch keinen Ertrag. „Die Bankkunden fragen sich, warum sie überhaupt noch sparen sollen“, gab Sparkassenpräsident Schneider zu bedenken. Vor allem junge Menschen hätten das Gefühl für den stetigen Vermögensaufbau verloren – was verhängnisvolle Folgen haben könne.

Die quasi abgeschafften Zinsen ziehen auch soziale Folgen nach sich. Insbesondere Stiftungen und soziale Sicherungssysteme kämpfen mit der aktuellen Situation. „Für Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen ist es inzwischen fast unmöglich, fürs Alter vorzusorgen“, konstatierten die Bankenvertreter Schneider und Glaser. Die Folge sind längere Lebensarbeitszeiten, erhebliche Versorgungslücken und teilweise sogar Altersarmut. „Die Nullzinsen sind politisch gewollt, für die Menschen und die Volkswirtschaft insgesamt aber langfristig äußerst schädlich“, sagte BWGV-Präsident Glaser. Der Zins habe seine Steuerungsfunktion fast vollständig verloren.

Folge der Niedrigzinspolitik: Jeder Vierte spart überhaupt nicht mehr

Auch wenn es für Staatshaushalte und Kreditnehmer kurzfristig positive Effekte durch die niedrigen Zinsen geben mag – langfristig wirkt sich die „Abschaffung“ des Zinses negativ aus. Die Anreize zum Sparen sinken massiv. Immer mehr Deutsche sparen überhaupt nicht mehr, lautet entsprechend das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) zum Weltspartag. Wichtige Zukunftsinvestitionen werden zugunsten des Konsums zurückgestellt. 25 Prozent der Befragten geben an, gar kein Geld zurückzulegen, im Vorjahr hatten sich noch 17 Prozent entsprechend geäußert. „Das ist mehr als bedenklich“, betonte Glaser. Durch die Nullzinspolitik drohen zudem Spekulationsblasen – etwa auf den Immobilienmärkten, wo die Preise schon seit Längerem immer weiter steigen. Die Niedrigzinspolitik fördert somit Spekulationen und ist eine Gefahr für ein stabiles Wirtschaftswachstum.

Vor diesem Hintergrund wird das Thema Beratung immer wichtiger. „In der kompetenten und vertrauensvollen Beratung liegt die große Stärke unserer Banken, die traditionell sehr nahe an den Menschen sind“, verdeutlichte Genossenschaftspräsident Glaser. „Gerade in der Niedrigzinsphase wird eine breite und sinnvolle Streuung der Anlagen für Privatanleger noch wichtiger. Unsere Beraterinnen und Berater können hier kompetent Hilfestellung geben“, betonte auch Sparkassenpräsident Schneider.

Klares „Nein“ zur europäischen Einlagensicherung

Beim Symposium bezogen die Präsidenten Schneider und Glaser klar Stellung: Eine europäische Einlagensicherung, die über die ohnehin schon geltenden einheitlichen Standards hinaus geht, stößt bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken auf massiven Widerstand. Auch das jüngst von der EU-Kommission ins Spiel gebrachte Rückversicherungsmodell lehnen sie strikt ab: Letztlich sei dies nichts anderes als eine Vorstufe zur kompletten Vergemeinschaftung aller Risiken.

„Brüssel setzt das Vertrauen der Sparer aufs Spiel. Mit einer europäischen Einlagensicherung werden die festen Schutzmauern eingerissen, die unsere nationalen Bankenmärkte vor Finanzmarkt-Turbulenzen schützen. Verlierer sind die Bankkunden in Deutschland“, sagte Schneider. „Niemandem ist es zu vermitteln, warum wir den bewährten nationalen Schutz unserer Ersparnisse gegen eine instabile europäische Sicherungseinrichtung eintauschen sollten. Wir brauchen keine europäische Einlagensicherung“, ergänzte Glaser. Es ergebe überhaupt keinen Sinn, dass deutsche Sparer mit ihren Einlagen für die Risiken italienischer oder griechischer Banken haften müssten – auch nicht in einem einheitlichen Wirtschafts- und Währungsraum.

Schneider und Glaser fordern dagegen eindringlich, die über viele Jahrzehnte bewährten Systeme der Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie der Sparkassen zu erhalten. Durch ihre selbstständig organisierten Institutssicherungen ist gewährleistet, dass weder bei Sparkassen noch bei Volksbanken oder Raiffeisenbanken die Einlagen der Kunden verloren gehen können. Noch nie hat ein Kunde einer Genossenschaftsbank oder Sparkasse auch nur einen Cent seiner Einlagen verloren.

Mehr Augenmaß bei der Bankenregulierung

Weiter fordern Sparkassen und Genossenschaftsbanken von der EZB, bewusst zwischen global agierenden Großbanken auf der einen und regional aktiven Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie Sparkassen auf der anderen Seite zu differenzieren. „Gerade die verlässlichen kleinen und mittleren Institute dürfen nicht durch übertriebene bürokratische Belastungen in Schwierigkeiten gebracht werden“, betonte Sparkassenpräsident Schneider. „Bei der Regulierung ist mittlerweile eine Schwelle erreicht, die lähmend wirkt“, ergänzte Glaser. „Wir brauchen hier eindeutig mehr Differenzierung. Die Grenze der Belastbarkeit ist definitiv erreicht“, sagte der Repräsentant der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg.

Beide Präsidenten plädieren für mehr Augenmaß der Politik und die strikte Wahrung des Subsidiaritätsprinzips: Für ein gemeinsames Budget der Eurostaaten, wie vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron vorgeschlagen, sehen Schneider und Glaser ebenso wenig überzeugende Gründe wie für immer mehr Umverteilung in Europa oder eine Haftungsunion.

Verlässliche Partner der Menschen und des Mittelstands vor Ort

Die Sparkassen sowie die Volksbanken und Raiffeisenbanken sind seit mehr als 150 Jahren verlässliche Partner der Menschen und des Mittelstands in Baden-Württemberg. Insbesondere nach Ausbruch der Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise 2008/2009 haben die regionalen Banken mit ihren nachhaltigen und auf die örtliche Realwirtschaft bezogenen Geschäftsmodellen ihre außerordentliche Stärke und ihre große Bedeutung für den Standort Deutschland bewiesen. Es ist zu einem guten Teil ihr Verdienst, dass die heimische Wirtschaft schnell und vergleichsweise unbeschadet durch die Krise kam.

Die 185 Volksbanken und Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg weisen eine Bilanzsumme von mehr als 156 Milliarden Euro aus. Die Einlagen liegen bei gut 117 Milliarden Euro, die vergebenen Kredite bei mehr als 95 Milliarden Euro. Insgesamt arbeiten 23.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Volksbanken und Raiffeisenbanken im Südwesten, darunter fast 2.200 Auszubildende. Die Genossenschaftsbanken werden von mehr als 3,75 Millionen Mitgliedern getragen.

Die 51 Sparkassen im Südwesten kommen zusammen auf eine Bilanzsumme von 184 Milliarden Euro. Die Einlagen der Kunden liegen bei 130 Milliarden Euro. Rund 119 Milliarden Euro wurden aktuell an Krediten ausgereicht. Insgesamt arbeiten gut 34.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Sparkassen, darunter rund 2.500 Auszubildende

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