Springe direkt zum Inhalt , zum Menü .

»SREP« - Zeitenwende in der Bankaufsicht?

Bankenaufsicht Bild Brille auf Bankdaten
Andreas Hermsdorf / pixelio.de

/

Ende Juni 2016 war es soweit: Die deutsche Bankenaufsicht startete den SREP-Prozess mit der Versendung der ersten Anhörungsschreiben an LSIs (Less Significant Institutions). Ungefähr 20 Prozent aller LSIs in Deutschland bilden die „Tranche I“ des SREP-Verfahrens, der „Rest“ der insgesamt zirka 1.650 LSIs in Deutschland wird bis 2017 in den Tranchen II und III die „Segnungen“ von SREP ebenso erfahren.

Mit SREP ändern sich die Basel-Säulen

Bevor erste Erkenntnisse referiert und vorläufige Bewertungen skizziert werden, lohnt ein sehr grundsätzlicher Blick auf SREP. In der bisherigen Basel-Architektur der drei „Säulen“ stand der SREP für den Bauplan der Säule 2 und damit im Wesentlichen für die qualitative Aufsicht, während die quantitativen Anforderungen, insbesondere die Kapitalanforderungen, ausschließlich in der Säule 1 angesiedelt waren. Herzstück der Säule 2 waren die Risikotragfähigkeitskonzepte. Mit SREP wird die Säulenanordnung fundamental verändert. In Säule 2 werden nun ebenfalls (zusätzliche) quantitative Kapitalanforderungen festgelegt: Säule 1 und Säule 2 treiben die Anforderungen an die Kapitalausstattung signifikant nach oben, ohne das Risikotragfähigkeitsmodul neu zu justieren.

Aufsicht konterkariert politischen Willensbildungsprozess

Politisch ist SREP äußerst bemerkenswert. European Banking Authority (EBA) und die Bankaufseher nutzen die Vollmachten aus CRR/CRD IV in vollen Zügen aus und konterkarieren den politischen Willensbildungsprozess im Rahmen des Trilogs zu CRR/CRD IV 2012–2014. Was wurde nicht um den „Karas-Faktor“ gerungen? Also um jenen Faktor, mit dem die Eigenkapitalbelastung für Mittelstandskredite nach unten korrigiert wird. Übrigens: Der „Karas-Faktor“ (benannt nach dem Berichterstatter im Europäischen Parlament) beträgt 0,7619, das heißt, er wurde bis zur vierten Stelle hinterm Komma ausgefochten. Im Rahmen der vorgesehenen SREP-Bescheide führt ein „Expertenurteil“ der BaFin/Bundesbank zum Beispiel zur Qualität der Internal Governance dazu, dass ein Kapitalzuschlag um 0,25 Prozent oder auch 0,50 Prozent oder auch noch höher festgelegt wird. Eine groteske Entwertung politischer Entscheidungsprozesse in Brüssel. Das Europäische Parlament sollte sich 2017 beim CRR-Review dringend ansehen, was die Aufsichten in der EU aus dem Blankovollmachten gemacht haben und hier korrigierend eingreifen.

Einzigartiger Verwaltungsaufwand

Auch der verwaltungsmäßige Umfang des SREPVerfahrens ist eine Reflexion wert. Für jedes der 1.650 LSIs in Deutschland erfolgt im Rahmen von SREP eine individuelle Risikoeinschätzung und eine (zusätzliche) Kapitalfestsetzung. Der Aufwand ist in der Historie der Bankaufsicht einzigartig. Ob die Prinzipien der Transparenz, der Rechtssicherheit und der Angemessenheit eingehalten werden (können), ist nach den ersten Erfahrungen höchst zweifelhaft. Ein letztes vorweg: Die deutsche Bankenaufsicht, BaFin wie Bundesbank, hat sehr viel Arbeit in SREP investiert – aber warum nur? Die Aufseher argumentieren, dass die einschlägige SREP-Guideline der EBA vom Dezember 2014 spätestens 2016 umzusetzen sei. Formal richtig – aber eine Guideline ist keine Verordnung, sondern eine Richtlinie, die „umgesetzt“ werden kann (= to comply), aber nicht muss („to explain“). Die deutsche Bankenaufsicht hätte sich mit ihrer Säule-2-Organisation europaweit nicht verstecken müssen. Der eigentliche „Witz“: Die EZB-Bankenaufsicht wird in den nächsten zwei Jahren ein SREP Konzept für alle LSIs in der Eurozone entwerfen. Diese Zeit hätte man auch in Deutschland ruhig abwarten können!

Erste Erfahrungen mit dem SREP-Prozess

Gleichwohl: Was sind nun die ersten Erfahrungen mit dem SREP-Prozess Deutschland? Die formale Seite: Insgesamt 46 Genossenschaftsbanken aus dem BWGV-Gebiet haben ein Begleitschreiben der BaFin, ein Anhörungsschreiben zum beabsichtigten SREP-Kapitalzuschlag und ein „Überraschungsei“ der BaFin, ein Schreiben besonderer Art, erhalten. Zum Anhörungsschreiben können die Institute binnen sechs Wochen eine Stellungnahme abgeben. Der beabsichtigte SREP-Kapitalzuschlag besteht aus zwei Bestandteilen, einem Kapitalzuschlag für das Zinsänderungsrisiko (ZÄR) im Anlagebuch und einem Kapitalzuschlag für weitere wesentliche Risiken. Mit dem Kapitalzuschlag für das Zinsänderungsrisiko war fest zu rechnen. Dennoch überrascht die Berechnungsgrundlage Zinsschock 200 Basispunkte in Relation zu den gesamten risikogewichteten Aktiva (RWA) die Fachwelt doch sehr. Die Spreizung von 0,0 Prozent bis 3,5 Prozent Kapitalzuschlag ist beachtlich und das Expertenurteil der Aufseher zur „Qualität der Steuerung des Zinsänderungsrisikos“ kann alleine bis zu 1,5 Prozent Kapitalzuschlag generieren.


Die deutsche Bankenaufsicht wollte sich aber nicht mit dem ZÄR begnügen, sondern hat für jedes LSI die weiteren wesentlichen Risiken untersucht. Grundlage war die Meldung zur Risikotragfähigkeit (Meldebogen RSK) zum 31.12.2015. Völlig unerwartet und fachlich nicht nachvollziehbar haben die Aufseher insbesondere den „Puffer für Risiken aus Planabweichungen“ als wesentliches Risiko identifiziert (!) und in Relation zu den gesamten Risiken aus dem RTF-Meldebogen gesetzt (!). Das Expertenurteil zur Qualität des ICAAP beziehungsweise der Internal Governance kann hier bis zu 3,0 Prozent Kapitalzuschlag auslösen. Kein Kommentar an dieser Stelle. Das „Überraschungsei“ der BaFin war und ist ein weiteres Schreiben, in dem die Aufsicht ohne jede erkennbare Rechtsgrundlage eine „Eigenmittelzielkennziffer“ (EMZK) kommuniziert. Dies sei eine rein aufsichtsinterne Kennziffer, deren Einhaltung aber nach aufsichtlichem Weitblick das Überleben der Bank sichert (!?) und deshalb solle das Institut diese Kennziffer bitte sehr ernst nehmen - sonst kommt das Institut in die „besondere Manndeckung“, wie es der Präsident der BaFin Anfang des Jahres formuliert hatte. Die EMZK liegt zwischen 0,0 Prozent und satten 7,50 Prozent und wird aus Stress-Verlust-Daten aus der „NZU Umfrage“ des Frühjahrs 2015 in Relation zu der Summe der RWA errechnet. Die Katze ist damit aus dem aufsichtlichen Sack. Eine erste Bewertung kann nur zwischen Ernüchterung und berechtigtem Protest liegen.

Tabellen materiell kaum nachvollziehbar

Kurz gefasst: Dem Grundsatz der Transparenz kommt das Anhörungsschreiben zum SREPKapitalzuschlag formal nach, indem alle Parameter benannt werden. Materiell aber sind die „Bucket“-Tabellen aber kaum nachvollziehbar. Wieso wird der Zinsschock in Relation zu allen RWA genommen? Wie kommen die Bucket-Klassen zustande? Wurde tatsächlich der Effekt aus dem Zinsschock um etwa 50 Prozent abgemildert? Soll es nachvollziehbar sein, dass eine Bank mit weniger RWA als eine andere Bank mit dem gleichen Barwertverlust/Zinsschock einen höheren Kapitalzuschlag erhält als eine Bank mit einem höheren Bestand an RWA? Der Schuss bei den „weiteren wesentlichen Risiken“ ist ganz danebengegangen; eigentlich ist es nur ein Rohrkrepierer. Dass ein Risikopuffer zum wesentlichen Risiko deklariert wird, ist fachlich schlicht unhaltbar. Dass nebenbei die Institute mit besonders vorsichtigem Ansatz besonders bestraft werden, ist besonders „charmant“. Dieser Fehlgriff der Aufsicht darf so nicht im Raume stehen bleiben – er muss korrigiert werden! Eine – ungewollte(?) – Provokation ist das „Überraschungsei“ der BaFin. Eine interne Größe den Instituten in einer Weise mitzuteilen, dass deren Einhaltung de facto zu einer weiteren verbindlichen Kapitalanforderung wird, ist historisch gesehen ohne jeden aufsichtlichen Vergleich. Die BaFin argumentiert mit Risiken aus dem Niedrigzinsumfeld, wobei die Berechnung der EMZK Zinsverluste bunt mischt mit Stressauswirkungen auf das Kreditportfolio beziehungsweise auf die Eigenanlagen. Einziger (aber nicht unbedeutender) Lichtblick: Der Kapitalerhaltungspuffer von zurzeit 0,625 Prozent/2,5 Prozent in 2019 soll auf die EMZK „angerechnet“ werden.

Informationen und Arbeitshilfen vom BWGV

Der BWGV hat den betroffenen Banken der Tranche I umfassend Informationen und Arbeitshilfen gegeben. Er hat sich im Namen aller 46 Banken an die BaFin gewandt, um Klarheit zur EMZK zu erlangen. Der BWGV wird auch weiterhin umfassend seine Unterstützung anbieten und darüber hinaus unter anderem in der traditionellen Bankaufsichts-Tagung am 12. Oktober informieren.

Zwischenfazit

Ob das SREP-Verfahren tatsächlich eine Zeitenwende in der Bankaufsicht eingeläutet hat, wird sich erst noch zeigen müssen. Der BWGV wird sich im genossenschaftlichen Verbund entschieden dafür einsetzen, die erkennbaren Missstände klar zu benennen und die Interessen der Genossenschaftsbanken konsequent zu vertreten.

Artikel versenden