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„Mit einer kritischen Rede kann man etwas bewegen“ – ein Interview über Nachhaltigkeit als Baustein der Vermögensverwaltung

Interview des BWGV mit Union Investment über Nachhaltigkeit als Baustein der Vermögensverwaltung
I-vista / pixelio.de

Janne Paul Werning Union Investment
Janne Paul Werning

Auch wenn viele Aktionärstreffen aktuell verschoben werden, ist die Hauptversammlungs-Saison bereits in vollem Gange. Für Union Investment als aktiver Vermögensverwalter ist dies eine willkommene Gelegenheit, den Forderungen an die Unternehmen zusätzliches Gewicht zu geben. Janne Werning, Leiter der Gruppe ESG (Environment, Social, Governance) Capital Markets & Stewardship, erklärt im Geno-Graph-Gespräch, welche Themen dieses Jahr im Fokus stehen.

Herr Werning, sie tragen das Wort „Stewardship“ in ihrem Gruppennamen. Was bedeutet das eigentlich?

Die verantwortungsvolle Allokation und aktive Betreuung der uns anvertrauten Vermögensverwerte mit dem Ziel einer nachhaltigen, langfristigen Wertschöpfung für den Kunden. Dazu gehört der konstruktive Dialog mit den Unternehmen und die zielgerichtete Ausübung von Aktionärsrechten.

Welche Themen greifen Sie dabei auf?

Das Portfolio-Management von Union Investment führt pro Jahr rund 4.000 Gespräche mit Unternehmensvertretern, davon über 500 dezidiert zu Nachhaltigkeitsthemen. Hier geht es im Kern um die Zukunftsfähigkeit der Konzerne, um Transparenz und immer stärker um Fragen des Klimaschutzes. Die Speerspitze unseres aktiven Engagements sind dabei die Reden auf den Hauptversammlungen.

Wieso ist es wichtig, dass wir uns aktiv engagieren?

Nachhaltigkeit ist Teil unseres genossenschaftlichen Selbstverständnisses und lebt vom aktiven und kontinuierlichen Engagement. Für uns ist es ein elementarer Baustein der aktiven Vermögensverwaltung, im Gegensatz zu passiven Wettbewerbern. Der Dialog ermöglicht uns eine tiefe Analyse des Unternehmens und gleichzeitig können wir als Investor Einfluss auf die Firmen nehmen. Im Gegenzug können die Konzerne reagieren und dabei auch ihr Risikomanagement verbessern.

In welchem Maße reagieren die Unternehmen denn auf die Kritik?

Natürlich gehen nicht alle Dialoge mit kurzfristig messbaren Erfolgen einher, sondern diese zeigen sich eher langfristig. Ein positives Beispiel ist die starke Verbesserung der Corporate Governance von Daimler und BMW. Mit der zunehmenden Elektrifizierung der Fahrzeuge herrscht dort mittlerweile ein neues soziales Risiko bei Zulieferern. Als Beispiel sei die Kobaltgewinnung in der Republik Kongo genannt. Wir haben menschenrechtliche Sorgfaltspflichten der Lieferkette angemahnt. Das haben die Konzerne im Anschluss umgesetzt: Daimler etwa hat verpflichtende Menschenrechtsstandards und Audits in die Lieferantenverträge aufgenommen.

Welche Stellung haben die Reden auf den Hauptversammlungen?

Die Rede auf der HV hat eine Hebelwirkung und ist sozusagen eine Eskalationsstufe. Die Themen, die wir dort adressieren, sind den Firmen schon bekannt. Der Druck, unseren Forderungen nachzukommen, erhöht sich aber durch die Öffentlichkeit. Mit einer kritischen Rede kann man etwas bewegen.

Welche HV ist Ihnen am intensivsten in Erinnerung geblieben?

Die Bayer-HV 2019. Das Unternehmen wurde bereits im Vorfeld wegen der Übernahme des umstrittenen Pflanzenschutzmittelherstellers Monsanto kritisiert. Vor der Halle war eine aufgeheizte Stimmung. Demonstranten hatten einen Teppich aus toten Bienen ausgelegt. Ich bin als zweiter Redner auf die Bühne gegangen. Nach meinen ersten kritischen Worten fingen die Leute plötzlich an zu klatschen. Dem Vorstandsvorsitzenden von Bayer wurde am Ende die Entlastung verweigert.

Welche Themen stehen 2020 besonders im Fokus?

Dieses Jahr dominieren die Themen Klimawandel, Vorstandsvergütung und Aufsichtsratsbesetzung. Die „Fridays for Future“-Bewegung wird sich weiter stark einmischen. Das sorgt für eine intensive Klimadebatte, die wir ausdrücklich begrüßen.

Beeinflusst das Corona-Virus die Saison?

Bislang haben einige Unternehmen die Verschiebung ihrer Hauptversammlungen angekündigt. Aber stattfinden werden sie. Besonders aufmerksam beobachten wir die aktuellen Pläne der Politik, in Zeiten von Versammlungsbeschränkungen die HVs digital stattfinden zu lassen. Dies ist aus unserer Sicht mit Blick auf die Dividende und die weitere Geschäftsentwicklung sehr sinnvoll.

Allerdings müssen wir möglichen Einschränkungen von wesentlichen Aktionärsrechten wie dem Frage- und Rederecht deutlich widersprechen. Das sehen wir als aktiver und kritischer Aktionär als Gefahr für die Aktionärsdemokratie.

Was tippen Sie: Welche HV wird dieses Jahr besonders spannend?

Die Wirecard-HV wird spannend aufgrund der Vorwürfe der Bilanzfälschung. Auch die Bayer HV dürfte wieder turbulent werden. Die Risiken der Monsanto-Übernahme und die Glyphosat Klagewelle sind immer noch Thema. Es wird nicht langweilig.

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