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Innovationskraft für mehr gesellschaftliche Akzeptanz – Landwirtschaftspreis für unternehmerische Innovation (LUI) verliehen

ZG Raiffeisen Hauk Landwirtschaftspreis LUI BWGV
Foto ZG Raiffeisen/Jens Kreutzfeldt

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Zum 23. Mal wurden pfiffige Erfindungen und Geschäftsmodelle aus der landwirtschaftlichen Praxis mit dem Landwirtschaftspreis für unternehmerische Innovation (LUI) ausgezeichnet. Abgesehen vom praktischen Nutzen der Siegerprojekte erschien an diesem Abend das Thema Innovation auch als eine Brücke im Dialog einer vielgescholtenen Landwirtschaft mit der Gesellschaft.

Landwirtschaftsminister Peter Hauk MdL überreichte Anfang Dezember 2019 in Achern die Auszeichnungen und sprach Bewerbern und Siegern seine Anerkennung dafür aus, dass sie die Leidenschaft, die Energie und den Mut besessen hätten, ihre Ideen zu realisieren. In seiner Festrede kritisierte Hauk, dass die Landwirtschaft einseitig für Probleme wie Klimawandel und das Insektensterben verantwortlich gemacht werde, obwohl sie höchstens ein Teil des Problems sei. Doch die gesellschaftliche Kritik und die geforderten politischen Maßnahmen gingen fast ausschließlich zulasten der Bauern.

Verlassen der Komfortzone

Wenn die Gesellschaft diese Probleme wirklich lösen wolle, müsse es ihr das auch wert sein – in den öffentlichen Haushalten wie auch an der Supermarktkasse. Vor allem aber müsse sie offen sein für Anderes und Neues. Denn ohne neue Verfahren und innovative Technologien würden die Herausforderungen der Zukunft nicht zu bewältigen sein. Wer zukunfts- und wettbewerbsfähig sein wolle, der müsse auch bereit sein, seine Komfortzone zu verlassen. Innovation erfordere Offenheit gegenüber Wissen und neuen Ideen von außen.

„Alle reden von Innovation, aber nicht jeder handelt auch so“, sagte Hauk. „Ich habe den Eindruck, unsere Bevölkerung nimmt die Früchte der Innovation gern mit, aber für Neuentwicklungen sind die Leute von vornherein gar nicht so aufgeschlossen, sondern man hält sich lieber an das, was sich schon bewährt hat.“

Im Fadenkreuz der Gesellschaft

Insgesamt war in der Diskussion an diesem Abend ein Stück weit die Ratlosigkeit der Anwesenden spürbar über den beispiellosen „Sturm“ von Schmähkritik, der seit einiger Zeit über die Landwirtschaft hereinbreche. Inzwischen sei es an der Tagesordnung, dass Landwirte als „Klimakiller, Grundwasserverschmutzer und Umweltvergifter“ beschimpft würden.

„Meine persönliche Antwort ist: Die Gesellschaft spürt, dass sie so auf Dauer nicht mehr leben kann, dass dieser Lebensstil, dieser Lebenswandel auf Dauer nicht gutgeht“, sagte Dr. Ewald Glaser, Vorstandsvorsitzender der ZG Raiffeisen. Die badische Hauptgenossenschaft hatte den LUI 1996 gemeinsam mit der Landjugend aus der Taufe gehoben und stiftet den Preis bis heute gemeinsam mit dem Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband (BWGV). „Es handelt sich also ein Stück weit um ein schlechtes Gewissen, und dieses schlechte Gewissen wird mit voller Wucht auf die Landwirtschaft projiziert.“

Die Frage des Abends lautete dementsprechend: Inwieweit kann Innovation zu mehr gesellschaftlicher Akzeptanz für die Landwirtschaft beitragen? Hier nannte Gerhard Glaser vom Landesbauernverband vor allem digitale Technologien wie satellitengesteuerte Verfahren, die nicht mehr Flächen behandelten, sondern einzelne Pflanzen, und damit drastische Reduzierungen etwa beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ermöglichten. „Pflanzenschutz um 30 bis 40 Prozent reduzieren, zugleich großflächige Umstellung auf ökologischen Anbau, das kann ohne Innovation gar nicht gehen. Wie soll das denn sonst funktionieren?“, sagte der Landtagsabgeordnete Reinhold Pix (Grüne), der selbst Forstwirtschaftsmeister und Winzer ist. Pix erinnerte sich daran, wie er 1984 seinen ersten pneumatischen Hackstriegel gekauft habe. „Das war damals die Sensation überhaupt bei uns im Dorf. Hätte ich da gesagt, so etwas wird es  irgendwann auch volldigitalisiert geben, hätte man mich sicherlich für verrückt erklärt.“

Aktiver in den Dialog treten

Allerdings müsse die Landwirtschaft auch lernen, aktiver in den Dialog mit der Gesellschaft zu treten, wenn diese ihre Anstrengungen auch wahrnehmen solle. Es reiche nicht aus, immer nur zu reagieren. „Es gibt unendliche viele tolle Ideen in der Landwirtschaft, sie sind bloß in der Öffentlichkeit kaum bekannt“, meinte Franz Benz, Vizepräsident des Badischen Weinbauverbands, der 1996 zu den Mitbegründern des LUI gehörte. „Der LUI ist für mich ein Paradebeispiel, wie man in den Dialog treten und zeigen kann, was eigentlich passiert.“ So war ein Ergebnis des Abends, dass die Landwirtschaft proaktiver und auch ein Stück weit emotionaler als bisher ihre Anforderungen, ihre Verfahren und ihre Leistungen gegenüber der Gesellschaft vertreten und erklären solle.

 

Stürmische Zeiten – genau richtig für Innovationen

„Ja, die Zeiten sind stürmisch, aber das sind genau die Zeiten für Innovationen“, sagte Dr. Roman Glaser, Präsident des BWGV. Das beste Beispiel hierfür seien die genossenschaftlichen Gründerväter Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch gewesen. Die Preisträger und ihre innovative Kraft nannte Glaser „Leuchttürme“. Ihre Erfindungen hätten einen Mehrwert geschaffen, der über ein bloßes „Mehr“ hinausgehe, denn sie gingen Entwicklungen und Herausforderungen der Gesellschaft an. „Wenn wir diesen Erfindergeist weitertragen, dann ist es mir, bei allen Stürmen, die die Landwirtschaft erlebt, nicht bange“, meinte Glaser. „Vielleicht müssen wir eines aber lernen, alle gesellschaftlichen Gruppen: Wir sitzen in einem Boot. Das Zeigen mit dem Finger auf die Anderen wird uns nicht weiterbringen. Ein Preis wie der LUI trägt zur gesellschaftlichen Diskussion bei. In diesem Sinne dürfen Sie sich alle als Sieger fühlen.“

Die Siegerprojekte

Nominiert waren fünf Projekte aus ganz Baden-Württemberg, die aus über 20 Bewerbungen ausgewählt und bei einer Juryfahrt im September 2019 begutachtet worden waren.

Mit dem ersten Preis in der Kategorie Landwirtschaft wurden Thomas Mayer und Peter Brandmeier von MST Mobile-Schlachttechnik GbR aus Kandern ausgezeichnet. Ihre mobile Schlachteinheit MSE-200A bringt den Schlachthof zum Tier, damit dieses seine letzten Stunden ganz entspannt in der vertrauten Umgebung verbringen kann.

Einmal Tüftler, immer Tüftler – so geht es vielen. Auch der Zweitplatzierte Stefan Reichenbach aus Freiburg wurde bereits vor fünf Jahren von der LUI-Jury ausgezeichnet. Der Maschinenbauingenieur und Landwirt hatte damals einen mechanischen Fällkeil entwickelt. Jetzt hat seine Firma Forstreich einen fernbedienbaren Fällkeil auf den Markt gebracht.

Andrea Göhring, die mit ihrer tiergestützten Therapie den dritten Platz erreicht hat, arbeitet auf ihrem ökologischen Ackerbaubetrieb nicht nur mit Kindern mit geistigen, emotionalen und sprachlichen beziehungsweise Seh- oder Schwerstmehrfachbehinderung, sondern seit zwei Jahren auch mit Älteren und Menschen mit Demenz. Sie möchte dazu ermutigen, den Reichtum Bauernhoftiere zu entdecken und Kindern mit besonderen Bedürfnissen besondere Erlebnisse zu ermöglichen.

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