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Hoher Kostendruck und Kaufzurückhaltung belasten Obst- und Gemüsewirtschaft im Land

Obst
Markus Dietze

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Hohe Kosten, keine Kompensation durch gestiegene Erlöse, geringere Nachfrage: Die genossenschaftliche Obst- und Gemüsewirtschaft in Baden-Württemberg befindet sich in einem extremen Spannungsfeld und schaut auf ein ungemein herausforderndes Jahr 2022 zurück. „Unsere Erzeugerinnen und Erzeuger im Land drohen unter den massiven und vielfältigen Belastungen zu brechen. Es braucht ein spürbares Bekenntnis von Politik, Lebensmitteleinzelhandel sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern zur regionalen Landwirtschaft, um die heimische Produktion von gesundem Obst und Gemüse nachhaltig zu sichern. Nur so kann eine zunehmende Abhängigkeit vom Ausland und die Gefahr von Leerständen in den Regalen verhindert werden“, macht Dr. Roman Glaser, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV) deutlich. Bei der Jahrespressekonferenz der baden-württembergischen Obst-, Gemüse- und Gartenbaugenossenschaften fordert Glaser: „Reine Lippenbekenntnisse zu Lebensmitteln ‚Made in Germany‘ reichen nicht aus. Es muss auch danach gehandelt werden.“

Stark gestiegene Kosten für Energie und Betriebsmittel, allgemeine Lohnsteigerungen und die Erhöhung des Mindestlohns, gestiegene Transport- und Verpackungskosten sowie Lieferengpässe und eingeschränkte Verfügbarkeit von Produktionsmitteln verteuerten die heimische Erzeugung stark. Hinzu kamen Belastungen durch zusätzlichen Bewässerungsaufwand aufgrund des trockenen Sommers. Glaser: „Höhere Preise auf Erzeugerebene hätten dies abfedern müssen. Doch dies war in der Praxis nicht zu schaffen. Die Verbraucherpreise für frisches Obst und Gemüse sind im Vergleich zum Jahr 2021 nur in geringem Umfang gestiegen. Um es deutlich zu sagen: Obst und Gemüse haben nicht zur steigenden Inflation beigetragen.“ Die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) hat errechnet, dass im Jahr 2022 die Verbraucherpreise für Gemüse um 4,9 Prozent und die für Obst um 0,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind. „Inflationsbereinigt sind die Verbraucherpreise somit sogar stark gesunken“, erklärt Glaser.

Hohe Verunsicherung bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern

Die beiden Hauptgründe hierfür: Erstens war der Markt in weiten Teilen der Saison zu gut versorgt, da hohe Temperaturen bereits ab März zu einem frühen Start in die Gemüsesaison und schnell steigenden Mengen führten. Auch beim Obst begann die Saison witterungsbedingt früh. Viele Produkte wie etwa Erdbeeren mussten mit preisgünstigen Importen aus dem Ausland konkurrieren. Zweitens hat die Nachfrage privater Haushalte nach Obst und Gemüse nachgelassen. Die Kaufzurückhaltung wurde verstärkt durch eine hohe Verunsicherung bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern vor dem Hintergrund der steigenden Energiepreise. Im Zuge dessen veränderte sich auch das Einkaufsverhalten der Menschen, die preissensibler wurden und vermehrt im Discounter eingekauft haben. Hinzu kam: „Regionalität verlor vergangenes Jahr im Handel an Bedeutung. Immer mehr Billigprodukte aus dem Ausland landeten in den Verkaufsregalen. So besteht die Gefahr, dass in der Folge regionale Betriebe aus dem Markt gedrängt werden. Dies kann niemand wollen,“ erklärt der BWGV-Präsident. 

Rückgänge bei Menge und Umsatz

„Ungeachtet der multiplen Krisensituation, des Kostendrucks und der Nachfrageschwäche haben sich die baden-württembergischen Obst- und Gemüsebauern sowie die Genossenschaften mit großer Entschlossenheit den Herausforderungen gestellt“, so Glaser. Dies drückt sich in der Bilanz aus: Insgesamt 243.000 Tonnen Obst haben die genossenschaftlichen Erzeugermärkte inklusive ihrer Vertriebsgesellschaften 2022 vermarktet. Das sind knapp 18.000 Tonnen oder sieben Prozent weniger als im Vorjahr. Mengenrückgänge von rund fünf Prozent verzeichnet die genossenschaftliche Gemüsewirtschaft. Insgesamt wurden rund 126.000 Tonnen vermarktet, etwa 7.000 Tonnen weniger als ein Jahr zuvor. Der Gesamtumsatz der genossenschaftlichen Erzeugergroßmärkte und ihrer Vertriebsgesellschaften belief sich auf 470 Millionen Euro, ein Minus von 36 Millionen Euro oder sieben Prozent. Die Obstumsätze lagen 2022 bei 180 Millionen Euro (Vorjahr: 190 Millionen Euro) – ein Minus von knapp sechs Prozent. Gemüse erzielte im vergangenen Jahr dagegen einen Umsatz auf Vorjahresniveau von 256 Millionen Euro.

Äpfel: 194.000 Tonnen vermarktet

Gegenüber dem schwachen Jahr 2021 hat sich die Vermarktung von Äpfeln wieder verbessert: Mit insgesamt 194.000 Tonnen wurden 52.000 Tonnen Äpfel mehr vermarktet als im Jahr 2021 – ein Plus von 36 Prozent. Der Umsatz erhöhte sich hingegen nur um rund 6 Prozent auf 90 Millionen Euro (Vorjahr: 84 Millionen Euro). Die baden-württembergische Apfelernte 2021 fiel mit rund 345.000 Tonnen zwar geringer aus, als im Jahr 2020, als etwa 400.000 Tonnen geerntet wurden, war aber insgesamt zufriedenstellend. Zu Beginn der Saison 2022 trafen hohe Bestände und ein zusätzliches großes Angebot aus dem Ausland auf preissensible Verbraucherinnen und Verbraucher, was zu geringeren Erlösen führte. Im Jahr 2022 haben die Bäuerinnen und Bauern eine Ernte von rund 374.000 Tonnen eingeholt. Ein guter Fruchtansatz im Frühjahr und witterungsbedingt geringer Krankheits- und Schädlingsbefall haben für eine gute Entwicklung bei den Äpfeln gesorgt. Glaser: „Der Apfel ist das mit Abstand beliebteste Obst der Bundesbürger. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei 61 Äpfeln oder rund zehn Kilogramm. Dementsprechend groß ist die Bedeutung der Äpfel für die gesamte baden-württembergische Obstbranche.“

Erdbeeren: 2.300 Tonnen weniger

Bei den Erdbeeren konnten nicht die guten Preise aus dem Corona-Jahr 2021 erzielt werden. Durchschnittlich 3,26 Euro erzielten die Erzeugermärkte vergangenes Jahr pro Kilogramm Erdbeeren, das sind rund 18 Prozent weniger als im Jahr 2021 (3,95 Euro). Die Vermarktungsmenge war stark rückläufig: Insgesamt vermarkteten die Genossenschaften im Südwesten 6.037 Tonnen, das sind 2.300 Tonnen weniger als 2021. Der Umsatz brach infolgedessen auf knapp 20 Millionen Euro ein (Vorjahr 33,3 Millionen Euro). Witterungsbedingt startete die Erdbeersaison 2022 sehr früh. Gleichzeitig kam es zu einer hohen Konkurrenzsituation mit Ware aus dem Ausland, sodass Absatz und Erlöse der heimischen Erdbeeren darunter litten.

Spargel: Ertrag auf historisch niedrigem Niveau

Auch beim Spargel war die Erntesaison 2022 durch Absatzprobleme geprägt: Mit rund 3.800 Tonnen lag die Absatzmenge auf historisch niedrigem Niveau. Bereits 2021 war die Menge vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie mit fehlenden Saisonkräften und geschlossener Gastronomie mit rund 4.700 Tonnen sehr gering. Nun hat sich die Situation noch einmal verschlechtert. Manche Betriebe haben 2022 sogar die Ernte frühzeitig beendet. Der durchschnittliche Kilopreis lag 2022 mit 5,49 Euro höher als im Vorjahr (5,13 Euro), in Summe reduzierte sich der Gesamtumsatz jedoch um 12 Prozent auf 21,2 Millionen Euro (Vorjahr: 24,2 Millionen Euro). Sowohl bei der Spargel- als auch der Erdbeer-Vermarktung machte sich die starke Verunsicherung bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern hinsichtlich der Belastungen durch die Energiepreis-Krise besonders bemerkbar.

Zur aktuellen Situation: Rechtzeitig zu Ostern rechnen die Spargelbauern nun mit einer zunehmenden Erntemenge aus nicht beheizten, abgedeckten Anlagen. Nach Ostern dürfen sich die Verbraucherinnen und Verbraucher auch auf die ersten heimischen Erdbeeren freuen.

Gartenbaugenossenschaften

Die Folgen des Ukraine-Kriegs und der hohen Inflation spüren auch die Gartenbaugenossenschaften in Baden-Württemberg, die mit ihren Mitgliedern rund 43,3 Millionen Euro Umsatz erzielten, ein Minus von knapp acht Prozent (Vorjahr: 46,9 Millionen Euro). In den Blumenläden greifen die Menschen zwar in ähnlichem Umfang wie 2021 zu Blumen, entscheiden sich jedoch vermehrt für günstigere Blumenarten.

Schwierige Gesamtsituation bleibt bestehen

Mit Blick auf das laufende Jahr sieht der BWGV keine schnelle Verbesserung der schwierigen Gesamtsituation für die Obst- und Gemüsewirtschaft. „Das Spannungsfeld zwischen hohem Kostendruck und Nachfrageschwäche bleibt erst einmal bestehen. Der Lebensmittel-Einzelhandel kann und muss nun unter Beweis stellen, dass ihm qualitativ hochwertige und unter höchsten Umweltstandards regional erzeugte Produkte am Herzen liegen. Es wird sich zeigen, ob in den kommenden Wochen Spargel und Erdbeeren aus Baden-Württemberg in den Regalen zu finden sind, oder diese wieder vor allem von Konkurrenzprodukten aus dem Ausland belegt sind“, erklärt Glaser.

Warnung vor Wettbewerbsverzerrung

In Richtung Politik ergänzt der BWGV-Präsident: „Unsere Obst- und Gemüsebauern werden ihrer Verantwortung gerecht, die Bevölkerung mit gesunden und bezahlbaren Lebensmitteln zu versorgen. Sie kämpfen mit den klimatischen Veränderungen und stellen sich konstruktiv und aus hoher Überzeugung dem Transformationsprozess hin zu mehr Umwelt- und Klimaschutz. Die Politik muss Wettbewerbsverzerrungen auf dem europäischen Markt unbedingt vermeiden und nicht mit nationalen Alleingängen und verschärften Regelungen die heimische Produktion gefährden.“ Hinsichtlich des Verordnungsentwurfs über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) innerhalb der EU fordert Glaser: „Das Reduktionsziel beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln muss mit Augenmaß und unter Berücksichtigung der Folgen festgelegt werden. Rein politisch motivierte Überbietungsangebote bei der Reduktion sind nicht praktikabel und höchst kontraproduktiv.“

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