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Hohe Energie- und Betriebskosten belasten die Obst- und Gemüsegärtner massiv

Obstgrossmarkt Oberkirch
Markus Dietze

Hohe Energiepreise, gestörte Lieferketten: Die genossenschaftliche Obst- und Gemüsewirtschaft in Baden-Württemberg schaut mit Sorge auf die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine. „Die gesamte Obst- und Gemüseproduktion ist sehr energieintensiv. Dabei geht es nicht nur um Unterglasanbau und die Beheizung von Gewächshäusern. Viel Energie erfordert auch die gekühlte und klimatisierte Lagerung von Obst und Gemüse.“ Dies stellt Dr. Roman Glaser, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV), bei der digitalen Pressekonferenz der baden-württembergischen Obst-, Gemüse- und Gartenbau-Genossenschaften heraus. Er macht deutlich: „Die Betriebskosten der Unternehmen steigen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Dies wird in der Vermarktung zu höheren Verbraucherpreisen führen müssen. In vielen Betrieben ist kein Puffer mehr vorhanden, um signifikante Kostensteigerungen abzufedern.“

Kritisch bewertet Glaser die Preisentwicklung bei Dünge- und Pflanzenschutzmitteln und deren aufgrund gestörter Lieferketten eingeschränkte Verfügbarkeit: „Die Erzeuger sind auf bezahlbare Dünge- und Pflanzenschutzmittel angewiesen, um qualitativ und quantitativ gute Ernten erzielen zu können.“ Darüber hinaus stellen zunehmend die hohen Transportkosten eine Herausforderung dar. Glaser: „Immer mehr Spediteure können angesichts von Dieselpreisen deutlich über zwei Euro pro Liter nicht mehr kostendeckend fahren.“ Der BWGV fordert daher: „Unsere Unternehmen müssen bei den hohen Energiepreisen entlastet werden. Die Politik ist gefordert, schnell zu handeln. Es geht um die Sicherstellung der Produktion gesunder heimischer Lebensmittel.“ Die Belastungen durch den Krieg in der Ukraine treffen die Branche zu einer Zeit, in der sie nach zwei Jahren Corona-Pandemie ohnehin mit großen Herausforderungen zu kämpfen hatte, macht Glaser deutlich. Denn hinzu kamen 2021 auch witterungsbedingte Schwierigkeiten. So war das Frühjahr im langjährigen Vergleich ungewöhnlich kalt, insbesondere der April, der Frost mit sich brachte. Es folgte ein dunkler und nasser Mai, der die Wachstumsentwicklung der Pflanzen um bis zu zwei Wochen verzögerte. „Im Grunde gab es in allen Kulturen im Freilandbereich Mengeneinbußen aufgrund der kühlen und regnerischen Witterung“, erklärt Glaser.

Mengenrückgänge bei Obst und Gemüse – Umsätze stabil

Insgesamt 169.000 Tonnen Obst haben die genossenschaftlichen Erzeugermärkte 2021 vermarktet: Das sind knapp 48.500 Tonnen oder 22 Prozent weniger als im Vorjahr. Mengenrückgänge von rund 15 Prozent verzeichnet die genossenschaftliche Gemüsewirtschaft. Insgesamt wurden rund 71.000 Tonnen zur Vermarktung angeliefert, 12.000 Tonnen weniger als ein Jahr zuvor. Der Gesamtumsatz der genossenschaftlichen Erzeugergroßmärkte und ihrer Vertriebsgesellschaften belief sich auf 506 Millionen Euro, ein Minus von fünf Millionen Euro oder einem Prozent. Die Obstumsätze lagen 2021 bei 191 Millionen Euro (Vorjahr: 206 Millionen Euro) – ein Minus von sieben Prozent. Gemüse erzielte dagegen einen Umsatz von 256 Millionen Euro (Vorjahr: 251 Millionen) – plus zwei Prozent.

Die Rückgänge bei der Obst-Vermarktungsmenge sind insbesondere den Äpfeln geschuldet: Rund 44.000 Tonnen (minus 24 Prozent) Äpfel weniger als im Vorjahr wurden vermarktet. Ebenfalls Rückgänge gibt es bei den Zwetschgen zu vermelden (minus 25 Prozent). Dass der Obst-Umsatz im Vergleich dazu nur um sieben Prozent zurückging, lag an den vergleichsweise zufriedenstellenden Preisen. Vor allem ein Umsatzplus von 8,4 Millionen Euro bei den Erdbeeren wirkte sich positiv auf den Gesamtumsatz aus. Mit 84,6 Millionen Euro lag der Umsatz durch Äpfel im Jahr 2021 um rund 24 Prozent unter dem des Vorjahres (111 Millionen Euro). Die baden-württembergische Apfelernte im Jahr 2020 lag mit rund 400.000 Tonnen auf dem guten Niveau des Vorjahres. Auch in diesem Jahr können die Verbraucher auf ausreichend regionale Äpfel vertrauen: 2021 haben die Apfelbauern zwar eine geringere Ernte als in 2020 eingeholt, diese ist mit 345.000 Tonnen aber durchaus gut. Die Äpfel aus dem Jahr 2021 werden nun bis zur neuen Ernte im Herbst stetig in die Regale des Lebensmitteleinzelhandels gelangen.

Erdbeeren: Mehr Menge, deutlich mehr Umsatz

Durchschnittlich 3,95 Euro erzielten die Erzeugermärkte vergangenes Jahr pro Kilogramm Erdbeeren, das sind rund acht Prozent mehr als im Vorjahr (3,67 Euro). Insgesamt vermarkteten die Genossenschaften gut 8.400 Tonnen, das sind 1.630 Tonnen oder 24 Prozent mehr als 2020. Dank der höheren Preise und Erzeugungsmenge stieg der Umsatz um 33 Prozent auf 33,3 Millionen Euro (Vorjahr: 24,9 Millionen Euro). „Die gute Menge ist angesichts des feuchten Frühjahrs durchaus bemerkenswert. Insbesondere Erdbeeren aus dem geschützten Anbau haben zu dieser guten Bilanz beigetragen“, berichtete der BWGV-Präsident.

Bei den Zwetschgen sank die Vermarktungsmenge erneut um zirka 25 Prozent auf rund 6.750 Tonnen (Vorjahr: knapp 8.800 Tonnen). Der Umsatz reduzierte sich um 30 Prozent auf 6,5 Millionen Euro (Vorjahr: 9,2 Millionen Euro.) „Die Ernteausfälle sind vor allem den Spätfrösten Anfang April geschuldet, die den Ertrag bei den Zwetschgen stark belasteten“, erklärt Glaser. Darüber hinaus reduziert sich die Anbaufläche für Zwetschgen perspektivisch schon seit einiger Zeit. „Die Zwetschgenproduktion wird in den kommenden Jahren weiter rückläufig sein“, betont der BWGV-Präsident.

Spargel: Ertrag auf historisch niedrigem Vorjahresniveau

Die Spargel-Saison 2021 war stark von der durchwachsenen Witterung im Frühjahr geprägt. Mit 4.700 Tonnen lag die Absatzmenge daher im langjährigen Vergleich auf einem erneut niedrigen Niveau. Damit wiederholte sich die historisch niedrige Absatzmenge des Vorjahrs, in dem sich die Corona-Pandemie mit fehlenden Saisonarbeitskräften und geschlossener Gastronomie ausgewirkt hatte. Der durchschnittliche Kilopreis lag 2021 bei 5,13 Euro (Vorjahr 5,32 Euro). Mit 24,2 Millionen Euro konnte somit der Gesamtumsatz des Vorjahres nicht ganz gehalten werden (minus fünf Prozent). In dieser Woche wird der erste Spargel der Saison 2022 gestochen – er stammt von Feldern, die mit Folien abgedeckt werden. „Die Spargel-Bauern hoffen auf eine gute Ernte, denn die Fröste im März haben der Wurzelbildung gutgetan. Sollte das Wetter nun sonnig und freundlich sein, hat dies positive Effekte auf den Spargel“, stellt BWGV-Präsident Glaser heraus.

Blumenläden 2021 nicht von Schließungen betroffen

Die Gartenbau-Genossenschaften in Baden-Württemberg haben mit ihren Mitgliedern 2021 einen Gesamtumsatz von rund 33 Millionen Euro erzielt – das entspricht einem Plus von 10,7 Prozent gegenüber 2020. Glaser: „Die Blumenläden waren im Gegensatz zum Vorjahr nicht von Corona-bedingten Schließungen betroffen. Daher hat der Umsatz wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht.“

Mit Einschränkungen bei der Verfügbarkeit von Erntehelfern in dieser Saison rechnet der BWGV nicht. Glaser: „Aktuell gehen wir davon aus, dass alle benötigten Saisonarbeitskräfte zur Verfügung stehen. Klar ist aber: Der Corona-bedingte Zusatzaufwand bei der Unterbringung und für die Erfüllung der Hygienebestimmungen ist mit hohen Kosten verbunden und belastet die Betriebe auch in diesem Jahr zusätzlich.“

Hohe Kosten: BWGV fordert Entlastung für die Betriebe

Warnende Worte findet Glaser mit Blick auf die Erhöhung des Mindestlohns zum 1. Oktober 2022: „Der BWGV kann die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde für ausgebildete Fachkräfte nachvollziehen. Doch die Betriebe müssen auch ungelernten Arbeiterinnen und Arbeitern und somit Saisonarbeitskräften aus dem EU-Ausland den erhöhten Stundensatz bezahlen. Dies wird zu Wettbewerbsverzerrungen gegenüber anderen Produktionsländern für Obst und Gemüse in Europa führen.“ Der BWGV erinnert daran, dass in Deutschland nach dem 1. Oktober EU-weit die zweithöchsten Mindestlöhne bezahlt werden. In Spanien ist der Mindestlohn dann um die Hälfte geringer (6,06 Euro) und in Italien gibt es überhaupt keinen gesetzlichen Mindestlohn. „Die Politik muss für ungelernte Kräfte eine angepasste Regelung finden und die Betriebe entlasten“, so Glaser.

Er macht deutlich: „Die Mixtur aus hohen Energie- und Betriebskosten, Corona-bedingten Zusatzkosten und dem steigenden Mindestlohn ist explosiv. Die massive Kostenbelastung bringt viele Betriebe an den Rand des Verkraftbaren. Es steht zu befürchten, dass vor diesem Hintergrund zahlreiche Betriebe aufgeben müssen. Dies muss angesichts der Bedeutung der Ernährungssicherheit und eines hohen Selbstversorgungsgrads verhindert werden.“

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