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Hinweisgeberschutzgesetz – erste Erfahrungen

Hinweisgeberschutzgesetz - kurze Erklärung für Genossenschaften
Ute Spatz

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Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) gilt seit dem 2. Juli 2023. Die Umsetzungspflicht staffelt sich nach Größe des Unternehmens sowie der Branche. Während Banken, Finanzdienstleister und sonstige Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern bereits ab 2. Juli das Gesetz umzusetzen haben, gilt bei Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern eine Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2023. Eine Ahndung der Nichtumsetzung als Ordnungswidrigkeit erfolgt ebenfalls erst ab 17. Dezember 2023. Mit Bußgeldern ist bis dahin also nicht zu rechnen; gegebenenfalls kann jedoch eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung drohen.

Das HinSchG, das dem Schutz von Hinweisgebenden dienen soll, führt drei wesentliche Verpflichtungen ein:

  • Einrichtung einer internen Meldestelle
  • Einführung eines vorgeschriebenes Meldeprozesse
  • Schutz vor Repressalien infolge einer Meldung.

Interne Meldestelle

Die interne Meldestelle ist der zentrale Anlaufpunkt für Meldungen im Sinne des HinSchG. Der Gesetzgeber hat einige, im Gesetz zum Teil nur vage formulierte, Anforderungen an die Meldestelle beziehungsweise an die Personen gestellt, die diese betreiben. In der Praxis stellt sich zunächst die Frage, welche Mitarbeiter die Meldestelle betreiben sollen und welche Anforderungen sie erfüllen müssen.

§ 15 HinSchG sagt hierzu lediglich, dass die mit den Aufgaben der Meldestelle betrauten Personen bei der Ausübung dieser Tätigkeit unabhängig sein müssen, der Arbeitgeber sicherzustellen hat, dass keine Interessenkonflikte zur sonstigen ausgeübten Tätigkeit bestehen sowie die notwendige Fachkunde vorliegt.

Für die Frage, auf welche Personen das zutrifft, nennt der Gesetzgeber insbesondere „Leiterinnen oder Leiter der Complianceabteilung, Integritätsbeauftragte, Rechts- oder Datenschutzbeauftragte oder Auditverantwortliche“. Dabei hatte der Gesetzgeber offensichtlich Funktionen im Blick, bei denen er vermutet, dass die zum Betrieb der Meldestelle benötigten Fachkenntnisse bereits vorhanden sind. In der Praxis erleben wir häufig, dass die Meldestelle von Mitarbeitern der Internen Revision oder Compliance betrieben werden soll. Mit Blick auf die Fachkunde sind diese Unternehmensbereiche sicherlich neben der Rechtsabteilung die erste Wahl. Kritisch könnte jedoch in beiden Fachbereichen die Frage der Unabhängigkeit werden. Die Interne Revision wird die Meldestelle ebenfalls in ihr Prüfprogramm aufnehmen müssen. Betreibt sie dann diese Meldestelle auch noch selbst, müsste die Prüfung auf die nächsthöhere Stelle übertragen werden. Bei der Rechtsabteilung kann es insbesondere dann zu Interessenkonflikten kommen, wenn sie im Sachverhalt, der Gegenstand einer Meldung ist, selbst beraten hat. Größere Rechtsabteilungen können sich dann sicherlich noch damit behelfen, einen anderen Mitarbeiter mit der Bearbeitung der Meldung zu betrauen. Bei kleinen Rechtsabteilungen stößt man hier sehr schnell an Grenzen. Gleiches gilt für Compliance-Abteilungen.

Eine weitere häufige Frage ist die, ob die Genossenschaft selbst die Meldestelle betreiben soll oder dies einem Dritten überträgt. Das HinSchG lässt beide Alternativen zu. Gerade für kleinere Genossenschaften kann es durchaus attraktiv sein, die Meldestelle auszulagern. Laut der Gesetzesbegründung geht der Gesetzgeber davon aus, dass eine interne Meldestelle durchschnittlich pro Jahr knapp 6.000 Euro kostet. Hinzu kommen noch die Kosten für die Errichtung.

Die am Markt befindlichen Angebote, die auch tatsächlich eine vollständige Auslagerung der Meldestelle beinhalten, beginnen bei knapp 100 Euro im Monat, sind also in der Regel wesentlich günstiger als der eigene Betrieb der Meldestelle. Zu berücksichtigen ist natürlich, dass auch bei Auslagerung der internen Meldestelle Aufwand bei der Genossenschaft (insbesondere für Folgearbeiten bei Meldungen) verbleiben wird. Wie hoch dieser ist, dürfte vor allem davon abhängen, wie viele Meldungen eingehen. 

Meldeprozess

Das Gesetz sieht einen spezifischen Ablauf bei Eingang einer Meldung vor und nennt Fristen, innerhalb derer der Hinweisgeber eine Rückmeldung zu erhalten hat.

In der Praxis stellt sich die Frage, ob tatsächlich jedem Hinweis entsprechend diesem Prozess nachgegangen werden muss. Meldungen liegen, wie bei den bisherigen Whistleblower-Systemen auch, nicht immer plausible Rechtsverstöße zugrunde. Grundsätzlich sieht das HinSchG deshalb eine Prüfung vor, ob der eingegangene Hinweis überhaupt ein solcher im Sinne des HinSchG ist. Da der Schutzbereich sehr weit gefasst ist, wird dies in der Regel wohl zu bejahen sein.

Jedoch lässt sich bei Meldungen, die von vornherein offensichtlich unbegründet sind, der Prozess erheblich verschlanken und zügig das Verfahren beenden. Bei allen anderen Meldungen bleibt es generell bei dem vorgesehenen Prozess, wobei sich Umfang und Tiefe der einzelnen Schritte an Schwere und Wahrscheinlichkeit einer Stichhaltigkeit des jeweiligen Hinweises orientieren sollten.

Auch ist vorgesehen, dass Hinweise anonym abgegeben werden können. Diese Formulierung ist im verabschiedeten Gesetz gegenüber der letzten Entwurfsfassung deutlich abgeschwächt worden. So besteht keine Verpflichtung mehr zu einer anonymen Kommunikation mit dem Hinweisgeber. Technisch dürfte Anonymität in der Regel voraussetzen, dass ein Online-Hinweisgeberportal betrieben wird. Aus der Gesetzesbegründung ist auch ersichtlich, dass anonyme Hinweise als durchaus problematisch gesehen werden; zu leicht könnten unbegründete Ermittlungen angestoßen werden. Nach dem Gesetzgeber sollen anonyme Hinweise nicht dazu führen, dass andere Hinweise nicht oder nur schleppend bearbeitet werden. Hier ist eine gesetzlich vorgesehene Priorisierung nicht anonymer Hinweise erkennbar.

Diskriminierungsverbot

Das HinSchG regelt in § 36 ein umfassendes Diskriminierungsverbot, welches unter anderem eine Beweislastumkehr bei erlittenen Benachteiligungen beinhaltet. Ein Hinweisgeber kann sich, sofern er eine Benachteiligung im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit erleidet, darauf berufen, dass diese Benachteiligung eine Repressalie für seine Meldung ist. Der Arbeitgeber muss dann das Gegenteil beweisen. In der Praxis wird dieser Gegenbeweis einen erheblichen Dokumentationsaufwand erfordern, sofern er überhaupt erbracht werden kann.

Die entscheidende Frage wird sein, wie praxisrelevant Meldungen nach HinSchG im Ergebnis sein werden und wie oft sich tatsächlich ein Hinweisgeber auf das Diskriminierungsverbot beruft. Häufig werden dies wahrscheinlich Arbeitnehmer sein, bei denen man im Vorfeld bereits damit rechnen muss, dass sie gegen für sie nachteilige Entscheidungen vorgehen und kann so entsprechende Vorsorge treffen.

Zusammenfassung

Das neue HinSchG lässt noch viele Fragen offen und die Anwender oft allein. Entscheidend wird sein, wie häufig nun tatsächlich Hinweise nach dem HinSchG eingehen, schließlich wurde von dem bislang (zumindest bei Banken) vorzuhaltenden Meldesystem kaum Gebrauch gemacht. Eventuell ist nach einer ersten verstärkten Inanspruchnahme damit zu rechnen, dass sich die tatsächlich relevanten Meldungen auf einem niedrigen Niveau einpendeln. Aber auch das Gegenteil ist vorstellbar, nämlich, dass aufgrund der Möglichkeit der anonymen Meldungen und auch weil der Anwendungsbereich für Meldungen vergrößert wurde, Beschäftige Meldungen absetzen, die bisher keine Hinweise erteilt haben. Die Entwicklung bleibt daher abzuwarten. Nicht weiter abgewartet werden sollte jedoch bei der Errichtung und Unterhaltung der internen Meldestelle, denn die „Schonfrist“ läuft am 17. Dezember 2023 ab.

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