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Genossenschaftliche Weinlese in Baden: Aufwändige Arbeit im Weinberg sichert hohe Qualität im Glas

PK Weinherbst des BWGV bei der Winzerkeller Auggener Schäf eG
Winzerkeller Auggener Schäf eG

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Die Verbraucherinnen und Verbraucher dürfen sich auf sehr gute genossenschaftliche badische Weine des Jahrgangs 2023 freuen. Nach einem äußerst herausfordernden Jahr haben die 70 Winzergenossenschaften in Baden erneut sehr gute Qualität in den Keller bringen können. Und auch hinsichtlich der Erntemengen sind die Genossenschaften zufrieden: Mit rund 95 Millionen Litern liegt die Lesemenge noch über Vorjahresniveau (90 Millionen) und damit leicht über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre. „Dieses Jahr war kein Selbstläufer. Die Winzerinnen und Winzer wurden mit nahezu allen denkbaren Herausforderungen konfrontiert – von heißen, trockenen Phasen bis hin zu langanhaltenden Regenperioden, die Schädlinge und Krankheiten begünstigt haben“, betont Dr. Roman Glaser, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV), anlässlich der Pressekonferenz zum Weinherbst in Baden. Dank umsichtiger Arbeit im Weinberg und sorgfältiger Selektion hätten es die Genossenschaften verstanden, bestmögliche Qualität in den Keller zu bringen und den Ertrag zu sichern. „Das Weinjahr 2023 steht unter dem Motto: Aufwändige Arbeit im Weinberg sichert hohe Qualität im Glas“, macht Glaser in den Räumen des Winzerkellers Auggener Schäf in Auggen deutlich.

„Das Vegetationsjahr 2023 ist so außergewöhnlich, dass es im Gedächtnis bleiben wird“, fasst Glaser zusammen. Das Jahr reihe sich ein in die Folge außergewöhnlich warmer Jahre, der heiße und trockene Sommer war der fünftwärmste seit mehr als 120 Jahren. Vereinzelte Trockenschäden und Sonnenbrand waren die Folge. Gleichzeitig war es aber auch ein vergleichbar regenreiches Jahr – wobei die Niederschlagsverteilung vor allem im kühlen Frühjahr und im Sommer sehr ungünstig war. Bedingt durch die feuchte Witterung in der frühen Vegetationsphase kam es zu einem überraschend starken Ausbruch von Rebenperonospora (falscher Mehltau), der jedoch dank der trockenen Phase im Juni und Juli auch schnell wieder vorbei war. Dafür wurde rund um die Rebblüte der echte Mehltau bei empfindlichen Sorten in manchen Regionen zum Problem. Eine weitere Erschwernis waren Schädlinge. Glaser: „Durch ihre hervorragende Arbeit konnten die Winzerinnen und Winzer die negativen Auswirkungen der Pilzinfektionen und von Schädlingen in sehr engen Grenzen halten."

Besonders ungünstig war die Witterung in der Reifephase, die mit dem Beginn der baden-württembergischen Sommerferien zusammenfiel: „In dieser Zeit gab es ergiebige Niederschläge“, erinnerte Glaser. Die Beeren sind daher stark gewachsen und wurden in der Folge weich und brüchig. Glaser: „Niederschläge und Hitze führen zu sehr weichen Beerenhäuten. Vor allem bei den kompakten Burgundersorten kam es darüber hinaus immer wieder dazu, dass die Beeren sich in den Trauben gegenseitig abdrückten oder aufplatzten.“ An diesen offenen Stellen kam es aufgrund des vorhandenen Zuckers zu mikrobiologischer Tätigkeit wie Gärung, Fäulnis oder Essigfäule. Außerdem zog der Zucker Insekten wie Wespen und Fruchtfliegen an. 

Diese besonders herausfordernde Gemengelage wurde durch die noch einmal heißen Temperaturen der vergangenen Wochen und die bereits kühlen und feuchten Nächte verstärkt. „Angesichts der anfälligen und sensiblen Trauben sowie der heißen Temperaturen musste die Lese schnell und – vor allem bei den Burgunderanlagen – selektiv erfolgen. Manche Winzergenossenschaften berichten davon, dass man bei der Veränderung der Trauben fast zuschauen konnte. So hoch war die Dynamik. Für ein Abwarten des bestmöglichen Erntezeitpunkts blieb dieses Jahr kein Spielraum“, berichtet der BWGV-Präsident. 

Elegante Weine mit moderatem Alkoholgehalt

Der Aufwand hat sich indessen gelohnt: Die eingebrachte Qualität ist sehr gut, ebenso die Aromareife der Trauben. Es gibt keine sensorischen Einschränkungen. „Nach den sehr dichten und gehaltvollen Weinen des Jahrgangs 2022 erwarten wir für 2023 fruchtige, elegante Weine mit moderatem Alkoholgehalt. Zu den in den Kellern der Winzergenossenschaften lagernden Weinen des Vorjahres ist dies die perfekte Ergänzung“, freut sich Glaser, der nicht zuletzt hervorragende Weißweine erwartet. „Für Müller-Thurgau, Sauvignon blanc, Gutedel und auch Riesling sehen unsere Genossenschaften beste Voraussetzungen.“ 

Die Hauptlese in den badischen Winzergenossenschaften hat dieses Jahr in der Woche ab dem 11. September begonnen und ist für alle Sorten fast überall schon abgeschlossen. „Dieses Jahr erfolgte die Lese in Baden nahezu gleichzeitig über alle Bereiche hinweg. Dies ist unüblich, war aber den heißen Temperaturen und dem hohen Erntedruck geschuldet“, erklärt Glaser. Der Ertrag 2023 könnte bei rund 95 Hektolitern je Hektar Rebfläche liegen (2022: 90hl/ha). Im Gegensatz zu anderen deutschen Weinbauregionen sind die durchschnittlichen Mostgewichte gut: Müller-Thurgau ist gelesen bei durchschnittlich 80 Grad Oechsle, Weißburgunder und Grauburgunder zwischen 85 und 90 Grad Oechsle. Die Spätburgunder liegen im Schnitt bei rund 87 Grad Oechsle. 

Erstes Halbjahr 2023: Rückgänge beim Absatz, gleichbleibender Umsatz

Der Absatz der badischen Winzergenossenschaften verringerte sich im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 1,5 Millionen oder 3,7 Prozent auf rund 38,8 Millionen Liter Wein und Sekt. Dies lag insbesondere an der sich weiter verschärfenden Kaufzurückhaltung im Lebensmitteleinzelhandel. Glaser: „Die hohe Inflation und Unsicherheiten bei den Energiekosten haben sich unmittelbar auf das Einkaufsverhalten ausgewirkt. Die Verbraucherinnen und Verbraucher agieren sehr preisbewusst.“ Der Umsatz von Januar bis Juni 2023 lag mit 123,1 Millionen Euro nahezu auf Vorjahresniveau. Im Gesamtjahr 2022 haben die badischen Winzergenossenschaften 79,2 Millionen Liter Wein und Sekt verkauft (minus 5,8 Millionen Liter beziehungsweise 6,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Der Umsatz sank um 6,6 Millionen Euro oder 2,6 Prozent auf 249,1 Millionen Euro. 

Flaschenpreis spiegelt nicht Kostensteigerungen bei Erzeugung wider 

„Die Produktionskosten steigen und die Erlöse sinken. Das ist eine gefährliche Entwicklung“, mahnt Glaser. Er weist auf die im Zuge des Ukraine-Kriegs stark gestiegenen Preise für Energie, Verpackung, Glas, Logistik sowie Dünger und Pflanzenschutzmittel hin. Auch die Erhöhung des Mindestlohns wirke sich gerade in einem Jahr wie 2023 mit intensiver und aufwendiger Arbeit im Weinberg stark aus. Glaser: „Der Preis für eine Flasche badischen Weins spiegelt nicht annähernd die Kostensteigerungen bei der Erzeugung und auch nicht das hohe Qualitätsniveau wider. Die Genossenschaften haben viel für die Verbraucherinnen und Verbraucher abgefedert.“ Umso irritierender sei es, dass der Lebensmitteleinzelhandel aktuell von den Winzergenossenschaften fordere, die moderaten Preiserhöhungen des Vorjahres zurückzunehmen. Glaser: „Der Handel darf nicht seine Marktmacht ausnutzen und die heimische Weinwirtschaft gegen internationale Konkurrenz ausspielen. Das ist nicht im Sinne der Verbraucher, die im Regal regional erzeugte Genossenschaftsweine finden wollen.“ Gerade die genossenschaftliche Weinwirtschaft sei durch ihre Lieferfähigkeit und Größenstrukturen ein starker und verlässlicher Partner für den Lebensmitteleinzelhandel, der wiederum für den Absatz von großer Bedeutung sei. „Die Menschen kaufen immer häufiger ihren Wein im Supermarkt“, erklärt der BWGV-Präsident. 

Sinnvoller Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wichtig, um Erträge und gute Qualitäten zu sichern

Augenmaß und eine faktenbasierte, umfassende Berücksichtigung der Folgen fordert Glaser bei den EU-Plänen zu den Reduktionszielen von Pflanzenschutzmitteln. Der Verordnungsentwurf über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) sieht eine generelle Reduktion um 50 Prozent bis zum Jahr 2030 sowie ein Komplettverbot in FFH-Gebieten und sogenannten empfindlichen Gebieten vor. „Gerade das Vegetationsjahr 2023 hat gezeigt, wie wichtig ein sinnvoller Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist, um Erträge und gute Qualitäten zu sichern. Eine pauschale Reduktion von 50 Prozent ist für den Sonderkulturbereich nicht umsetzbar“, so Glaser. Er weist außerdem darauf hin, dass zahlreiche Weinberge als empfindliche Gebiete eingestuft werden. „Die Folgen wären verheerend. Viele Weinberge würden stillgelegt werden und veröden – mit allen nachgelagerten negativen Konsequenzen für Arbeitsplätze, die Vielfalt der deutschen Weine sowie historisch gewachsene Kulturlandschaften und den Tourismus.“ Glaser appelliert daher an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, den SUR-Vorschlag kritisch zu überprüfen und eine Neudefinition von „sensiblen Gebieten“ vorzunehmen. „In Deutschland sind mehr als 3,5 Millionen Hektar Land als Schutzgebiete ausgewiesen. Das ist Rekord in Europa“, erklärt Glaser und ergänzt: „Das Land Baden-Württemberg ist mit der Umsetzung des Biodiversitätsstärkungsgesetzes beispielhaft vorangegangen. Für die Unterstützung der Landesregierung sind wir dankbar. Es braucht Dialog, gegenseitiges Verständnis, Berechenbarkeit sowie Planungssicherheit statt pauschaler Verbote. Dies ist der Schlüssel zum Erfolg für die Weinwirtschaft und die Gesellschaft gleichermaßen.“ 

Fortschritt und moderne Technologien statt Verbotskultur

Ohnehin müsse die Politik beim Kampf gegen den Klimawandel und dessen Folgen weg von einer reinen Verbotskultur und stattdessen stärker auf Fortschritt und Innovationen setzen. „Wir brauchen den politischen Willen, moderne Technologien und wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis überführen zu können“, sagte Glaser. Wie dies funktionieren könne, zeige ein Blick auf das Projekt „EIP-nachhaltiger Wein“. Neben mehreren Winzer- und Weingärtnergenossenschaften aus Baden-Württemberg sind Kellereien, Verbände wie der BWGV sowie drei wissenschaftliche Partner – die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Weinsberg, das Weinbauinstitut Freiburg und der Weincampus Neustadt/Weinstraße – beteiligt. Ein Schwerpunkt liegt auf Weinen aus robusten Rebsorten (PIWIs). Von der Dokumentation der Eigenschaften von PIWIs über deren Ausbau in Versuchskellereien bis hin zu Marktanalysen wird das Thema interdisziplinär und praxisnah behandelt. Darüber hinaus geht es im Projekt auch um optimale Bewässerungstechniken und die Steigerung des Wasserhaltevermögens von Böden etwa über verbesserten Humusaufbau. Ein weiteres Projekt hat die Entwicklung eines Wein-Mehrwegsystems für 0,75-Liter Flaschen zum Ziel. „Innovative Ideen sind mit Blick auf die Weinwirtschaft der Zukunft nicht wegzudenken. Gerade die Genossenschaften können hier eine wichtige Rolle spielen und dabei helfen, traditionelle Weinbaugebiete nachhaltig zukunftsfähig zu machen“, betont Glaser.
 
Mit 9.957 Hektar werden etwa zwei Drittel der Rebflächen in Baden von Genossenschaften und deren Mitgliedern bewirtschaftet. Von den 70 Winzergenossenschaften bauen 34 ihre Weine im eigenen Keller aus. Die Zahl der Mitarbeitenden liegt bei 935.  

Mehr als 100 Jahre Tradition trifft auf innovative zukunftsgerichtete Ausrichtung: Winzerkeller Auggener Schäf

Noch mitten in der Lese befindet sich die Gastgeber-Genossenschaft der diesjährigen Wein-Pressekonferenz des BWGV: Beim Winzerkeller Auggener Schäf hat in der zurückliegenden Woche die Lese erst begonnen – und Geschäftsführer Jonas Lorscheid blickt zufrieden auf den zu erwartenden Jahrgang 2023. „Mit der Qualität sind wir sehr zufrieden. Unsere rund 300 Winzerfamilien haben in einem ungemein herausfordernden Jahr einen großartigen Job gemacht. Mit Blick auf umliegende Weinregionen wissen wir, dass wir durchaus auch etwas Glück hatten.“ Die Menge wird dagegen eher im durchschnittlichen Bereich liegen. „Selektion war sehr wichtig in diesem Jahr“, so Lorscheid, der seit Sommer Geschäftsführer der Traditions-Genossenschaft im Markgräflerland ist. Der Winzerkeller unterstützt seine Winzerinnen und Winzer auch bereits im Weinberg bei der Qualitätskontrolle mit einem eigenen, sechsköpfigen Qualitätsmanagement-Team. 

Gute Ideen und zukunftsgerichtetes Wirtschaften gehören ohnedies gewissermaßen zur DNA des Winzerkellers Auggen, der vergangenes Jahr 100. Geburtstag gefeiert hat. Seit dem Jahr 2011 werden die beiden Spitzenlagen Auggener Schäf und Laufener Altenberg unter dem Dach des Winzerkellers gemeinsam vermarktet. 550 Hektar werden bewirtschaftet, rund 45 Prozent der gesamten Rebfläche sind mit Gutedel bepflanzt. Aber auch die roten und weißen Burgundersorten sowie Müller-Thurgau, Chardonnay oder Sauvignon Blanc werden neben anderen Sorten angebaut. Im Keller der Winzergenossenschaft finden sich aber auch alkoholfreier Wein und Sekt sowie spezielle Jungwinzer-Editionen. Die Genossenschaftswinzerinnen und -winzer im äußersten Südwesten Deutschlands setzen außerdem auch auf robuste PIWI-Sorten. Seit vielen Jahren wird in bedeutendem Umfang Regent angebaut, und auch andere Neuzüchtungen wie Souvignier Gris gehören mittlerweile zur Produktpalette. Dies mag nicht zuletzt damit zu tun haben, dass große Teile der Lagen „Schäf“ und „Letten“ in sensiblen Wasserschutzgebieten liegen und umweltschonender Weinbau mit besonderer Rücksichtnahme auf die Umwelt schon seit langer Zeit praktiziert wird. 

„Unseren Erfolg verdanken wir in erster Linie der Begeisterung und Leidenschaft unserer Winzerinnen und Winzer aus Auggen und Laufen für ihren heimischen Weinbau. Im Zusammenspiel mit den Kräften der Natur machen sie sich die jeweiligen Besonderheiten der Rebberge zunutze und schaffen damit die Voraussetzungen für unverwechselbare Weine mit Profil und Charakter“, erklärt Lorscheid. Und diese Qualität wird dem Winzerkeller auch in zahlreichen Auszeichnungen bestätigt. Mehr als ein Dutzend Mal haben die Auggener den Gutedel-Cup gewonnen sowie in vielen nationalen und internationalen Wettbewerben und Weinverkostungen für Aufsehen gesorgt. Eine ganz aktuelle Würdigung wird dem Grauburgunder vom Laufener Altenberg zuteil: Er wurde im Juni für die Sonderedition der baden-württembergischen Landesvertretung in Berlin ausgewählt. Bis 2025 wird er bei Veranstaltungen in Berlin an Besucherinnen und Besucher ausgeschenkt. 

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