Der Virngrund ist eine vielerorts bewaldete historische Landschaft im Ostalbkreis und im Landkreis Schwäbisch Hall. Seine höchste Erhebung ist der 580 Meter hohe Hornberg. Diese Landschaft gibt der 2011 gegründeten Energiegenossenschaft Virngrund eG ihren Namen. Die Genossenschaft hat ihren Sitz in Ellwangen, die Stadt, die im Süden den Virngrund begrenzt.
Gründung zusammen mit der Stadt
Friedrich Schluck, ehemaliger Prokurist der örtlichen Genossenschaftsbank, war 2011 in den Ruhestand gegangenen. Bereits im letzten Jahr seines aktiven Arbeitslebens engagierte er sich, mit Unterstützung des Vorstands der Bank, für die Gründung einer Energiegenossenschaft. Während eines Energieforums der Stadt Ellwangen Ende 2010 hatten Friedrich Schluck und seine Mitstreiter von den Stadtwerken Ellwangen, den Geschäftsführern Oskar Sättele und Willi Gresser, die Gründungsidee für eine Bürgerenergiegenossenschaft entwickelt. Wenige Wochen später wurde die Energiegenossenschaft Virngrund eG durch 88 Ellwanger Bürgerinnen und Bürger, die 294 Geschäftsanteile mit einem Volumen von 147.000 Euro zeichneten, gegründet. Hauptverantwortlich für die Geschicke der Genossenschaft sind seit dem ersten Tag Friedrich Schluck und Willi Gresser. Zweitgenannter ist auch nach seiner Geschäftsführertätigkeit bei den Stadtwerken technischer Vorstand der Genossenschaft. Vorsitzender des Aufsichtsrats ist Volker Grab, Bürgermeister und Erster Beigeordneter der Stadt Ellwangen.
Wenige Monate nach der Genossenschaftsgründung wurden bereits die ersten Solarenergieprojekte auf einem Werkstattdach der Stadtwerke und dem Dach des Ellwanger Feuerwehrhauses umgesetzt sowie eine Wasserkraftanlage an der Jagst mitfinanziert.. Es folgten Schul- und Turnhallendächer sowie eine Solaranlage auf dem Dach der Reisporthalle Neuler, die im Dezember 2012 ans Netz ging. Im Jahr darauf folgte eine PV-Freiflächenanlage in einer Kläranlage. Zudem ist die Genossenschaft seit 2016 an drei Windrädern beteiligt. Es ging weiter mit Projekten wie beispielsweise einer PV-Anlage auf dem Ellwanger Hallenbad, die im Juni 2020 in Betrieb ging.
Hauptpreis des Ideenwettbewerbs 2019
Die Bürgerenergiegenossenschaft aus dem Ostalbkreis hatte 2019 den mit 25.000 Euro dotierten Hauptpreis des Ideenwettbewerbs „Neue Geschäftsmodelle für Energiegenossenschaften“, ins Leben gerufen von BWGV und der EWS Elektrizitätswerke Schönau eG, gewonnen. Beim Projekt der Virngrund eG war weniger ein neues Geschäftsmodell für Energiegenossenschaften im Fokus gestanden, als vielmehr das Zusammenspiel mehrerer Geschäftsfelder. Die Jury war damals von dem „ganzheitlichen Ansatz“ überzeugt, da die Genossenschaft aufzeigt, „welches Potenzial in Energiegenossenschaften steckt und welche auch komplexeren Projekte durch Energiegenossenschaften umgesetzt werden können“.
Im Mittelpunkt des Konzepts stand die Auf- und Umrüstung eines Parkhauses in Ellwangen. So waren bei diesem Projekt mittels Contracting die veraltete Beleuchtungsanlage ersetzt worden. Dabei wurde eine veraltete Neonröhren-Beleuchtung durch stromsparende LED-Leuchten ersetzt. Das Einsparungspotenzial liegt bei 16.200 Kilowattstunden pro Jahr. Zusätzlich wurden die vorhandenen Bedachungen der Auffahrrampen mit Photovoltaik-Anlagen versehen. Diese Anlagen erzeugen zirka 27.000 Kilowattstunden pro Jahr.
Da der erzeugte Strom möglichst komplett selbst genutzt werden soll, wurden zudem zwei Batteriespeicher installiert. Der selbst erzeugte Strom wird für die Beleuchtung des Parkhauses genutzt. Dieses Zusammenspiel der verschiedenen Geschäftsfelder hatte gezeigt, welche Möglichkeiten es bei der Umsetzung von Projekten noch gibt.
Jüngste Projekte
Was hat sich seither getan in der 377 Mitglieder (Stand: Juni 2022) zählenden Genossenschaft? Viel. Sie konnte 2021 zwei Projekte mit Bürgerbeteiligung „und einer Win-Win-Situation für alle Beteiligte abschließen“, so Friedrich Schluck. Das erste Vorhaben ist ein neues Geschäftshaus an der Ellwanger Bahnhofstraße, in dem ein Lebensmittelmarkt, eine Parkpalette sowie ein städtischer Kindergarten betrieben werden. „Dort haben wir drei Photovoltaik-Anlagen (PV), einen Speicher, eine Wärmepumpe und eine Lüftungsanlage installiert“, erzählt Vorstandsmitglied Schluck.
Die gesamte Dachfläche des Geschäftshauses wurde angemietet und mit insgesamt 287 kWp PV belegt. Die Aufteilung: 43 kWp PV plus 26 kW Batteriespeicher sind für die Stromversorgung des städtischen Kindergartens. Diese Anlage wurde mit dem Modell PV-Miete an die Stadt Ellwangen zu einem festen jährlichen Mietpreis auf 20 Jahre vermietet. Danach geht die Anlage zu einem symbolischen Betrag an die Stadt über. 100 kWp PV ohne Speicher sind für die Stromversorgung der Kühlaggregate des Lebensmittelmarkts, der in dem Geschäftshaus logiert. Diese Anlage wurde ebenfalls mit dem Modell PV-Miete an die Supermarktkette zu einem festen jährlichen Mietpreis auf 15 Jahre vermietet. Es besteht eine Option auf Verlängerung zu bestehenden Konditionen bis 20 Jahre.
„Die weiteren 144 kWp PV betreiben wir selbst über die Direktvermarktung“, sagt Schluck. Die Genossenschaft ist an dem gesamten Investment mit rund 350.000 Euro engagiert. Angedacht sei ein Eigenverbrauch zum Betrieb der Parkpalette mit E-Ladestationen. „Zusätzlich haben wir mit der Stadt Ellwangen einen Contracting-Vertrag über die Wärmeerzeugung mittels Wärmepumpe sowie der Lüftungsanlage für den städtischen Kindergarten vereinbart. Der Vertrag hat eine Laufzeit von 20 Jahren. Wartung und Reparaturen gehen zu Lasten der Stadt Ellwangen“, sagt der kaufmännische Vorstand.
Freizeitanlage und Wohnprojekt
Beim zweiten Projekt, die Freizeitanlage Wagnershof e.V., konnte die Genossenschaft das Dach der Freiluftsporthalle für eine PV-Anlage anmieten. „Mit diesem Projekt betreiben wir ein kleines Sponsoring für diese gemeinnützige Einrichtung“, so Schluck. Es wurde eine 80-kWp-PV-Anlage installiert, Der erzeugte Strom fließt vollständig ins Netz. ein. „Wir arbeiten an einer Lösung zur Stromversorgung der Freizeitanlage mit PV-Strom“, fährt Schluck fort. Mit einem Ellwanger Architekten und Bauträger hat die Genossenschaft für ein Wohnprojekt mit 28 Wohneinheiten einen PV-Mietvertrag zur Installation von 45 kWp PV und 40 kW Sonnenbatterie zur Versorgung der Eigentümergemeinschaft mit Allgemeinstrom abgeschlossen. Mit demselben Bauträger sein man wegen eines weiteren Projekts in Aalen im Gespräch. „Wir können unsere Projekte aus dem Cashflow der Genossenschaft stemmen“, sagt kaufmännischer Vorstand Friedrich Schluck nicht ohne Stolz. Projektideen scheinen der Energiegenossenschaft Virngrund jedenfalls nicht auszugehen.