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Bürgerenergie mit Genossenschaften in Brasilien und Mexiko

DGRV Projekt in Mexiko
DGRV

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Der DGRV koordiniert die Auslandsaktivitäten der genossenschaftlichen Organisation und unterstützt, gefördert durch Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), beim Aufbau und der Stärkung genossenschaftlicher Systeme in über 25 Ländern auf drei Kontinenten. Dadurch leistet der DGRV nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der entwicklungspolitischen Ziele Deutschlands und der Vereinten Nationen. Auch die Rechtsform Genossenschaft gewinnt durch diese internationalen Kooperationen bei Fragestellungen nach der Gestaltung von zukunftsgerichteten Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen sowie angemessenen regulatorischen Rahmenbedingungen stetig an Bedeutung.

Brasilien und Mexiko haben große Potenziale für saubere und erneuerbare Energieerzeugung. Als wirtschaftliche Kraftzentren in Lateinamerika haben sie eine starke Führungsrolle in der Region und ihre entscheidende Position bei der Energiewende ist anerkannt. Genossenschaftliche und kommunale Energieinitiativen stoßen je nach Kontext auf unterschiedliche Herausforderungen, sei es in Bezug auf die Regulierung, Investitionen oder Akzeptanz. Diese Modelle bieten auch eine Vielzahl von Möglichkeiten, erneuerbare Energie mit Bürgerbeteiligung zu erzeugen und so Gemeinden und Bürger als Akteure der Energiewende und des Klimaschutzes zu stärken.

Situation in Brasilien

Der Ingenieur Eduardo Braz hat im Mai 2017 an einer vom brasilianischen Dachverband der Genossenschaften (OCB) mit Unterstützung des DGRV Brasilien organisierten Veranstaltung zum Thema „Energiegenossenschaften und Potenzial der erneuerbaren Energie für Genossenschaften“ teilgenommen. Dort hat er von der Möglichkeit der dezentralen Erzeugung der erneuerbaren Energie für den Eigenverbrauch in Genossenschaften gehört, die die Novellierung 687/2016 der Regulierungsbehörde „Aneel“ regelt. In diesem Event wurde das Handbuch zur Gründung von Photovoltaik-Energiegenossenschaften veröffentlicht, in dem sowohl Schritte zur Gründung einer Genossenschaft als auch der technische Teil der Photovoltaikanlage und die Regulierungsbasis beschrieben wird. Am Ende der Veranstaltung war Braz von der Publikation und der Idee einer Energiegenossenschaft überzeugt zurück nach Hause gegangen: „Dieses Modell bietet die Möglichkeit, erneuerbare und saubere Energie zu einem günstigeren Preis zu erzeugen“, sagte er.

Ab diesem Zeitpunkt suchte er in der Region João Pessoa im Bundesstaat Paraíba im Nordosten Brasiliens nach anderen Menschen, die auch eine Energiegenossenschaft gründen wollen. Ende 2018 gelang es, die erforderliche Anzahl von Personen (mindestens 20 nach brasilianischen Genossenschaftsgesetz) zu vereinigen, und im Januar 2019 wurde die Energiegenossenschaft Coopsolar – Cooperativa de Energia Solar – gegründet. Im Juni 2019 wurde das Projekt auf den Weg gebracht. Ein Genossenschaftsmitglied hatte ein Grundstück und stellte es der Genossenschaft zu einem günstigen Preis zur Verfügung. Somit wurde dieses Grundstück für die Installation der Anlage gepachtet. Obwohl die Genossenschaft Herausforderungen wie der Zugang ins Netz, die fehlende Bekanntheit des Genossenschaftsmodells, Skepsis, ob die Technologie funktionieren wird, und mangelnde und nicht geeignete Finanzierungsmöglichkeiten zu bewältigen hat, planen sie bereits, neue Anlagen zu installieren und neue Mitglieder anzuwerben.

Internetplattform informiert

Um die Bevölkerung zu informieren, wurden häufig gestellte Fragen (Was ist eine Bürgerenergiegenossenschaft? Wo gibt es bereits welche? Wie kann man eine Genossenschaft gründen? Welche Energieform ist die richtige? Wie ist der Energiemarkt reguliert?) auf der Internetplattform zu Energiegenossenschaften www.energia.coop zusammengefasst. Auf dieser Plattform sind bis jetzt dreizehn Energiegenossenschaften registriert mit einer insgesamt installierten Kapazität von 17.373 kW. Damit verfügen knapp 9.200 Haushalte und kleinere und mittlere Betriebe über saubere und erneuerbare Energie. Zunächst wurde diese Plattform nur in Brasilien erstellt, jedoch ist eine spätere Ausbreitung auf andere Länder in Lateinamerika geplant.

Situation in Mexiko

Mexiko hat sich verpflichtet, im Jahr 2024 35 Prozent der Energie aus sauberen Energiequellen zu erzeugen, und 50 Prozent in 2030. Das Energieministerium nimmt im Nationalen Programm für die Entwicklung des Elektrizitätssystems (Prodesen 2020–2034) Stellung zur Energiewende und stellt fest, dass die Stromerzeugung aus Großwasserkraftwerken und Kernenergie eine Möglichkeit ist, den Anteil an sauberer Energie zu erhöhen. Im selben Programm erkennt das Ministerium die dezentrale Energieerzeugung auf Haushaltsebene sowie Kleinst- und Kleinunternehmen als wichtige Akteure der Energiewende an.

Andererseits ist im März 2021 die Reform des Allgemeinen Gesetzes der Elektrizitätswirtschaft in Kraft getreten, die es dem staatlichen Unternehmen CFE erlaubt, bei der Einspeisung von Strom Vorrang vor anderen Unternehmen zu haben, einschließlich solcher, die Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugen. Diese Reform wurde von der Privatwirtschaft stark kritisiert und es wird erwartet, dass die Investitionen in mittlere und große Projekte zurückgehen werden.

In diesem Zusammenhang werden genossenschaftliche und gemeinschaftliche Modelle im Energiesektor immer relevanter, insbesondere bei der dezentralen Erzeugung im kleinen Maßstab. Es gibt noch viele Möglichkeiten, Gemeinschaftsenergie mit Bürgerbeteiligung zu entwickeln, und die Rolle der Genossenschaften als Agenten der Energiewende damit zu stärken. Auch in diesem Szenario kann die internationale Zusammenarbeit durch die Unterstützung und Finanzierung gemeinsamer Projekte ein Motor für Erneuerbare Energien sein.

Arbeitsgruppe gebildet

Der DGRV arbeitet im Rahmen des Projekts Partizipation, Energie, Wohlstand, Nachhaltigkeit mit Genossenschaften in Lateinamerika (Pewla) daran, kommunale und genossenschaftliche Energieinitiativen in Mexiko zu fördern. Dazu wurde eine Arbeitsgruppe mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem Nationalen Institut für Sozialwirtschaft (Inaes) gebildet. Im Rahmen der Aktivitäten dieser Allianz und inspiriert durch das Beispiel Brasiliens wurde im Dezember 2020 der „Leitfaden für nachhaltige Energiegenossenschaften in Mexiko“ veröffentlicht, ein Dokument, das als Grundlage für die Entwicklung von genossenschaftlichen und kommunalen Energiemodellen dient.

Um gemeinsam mit den Kommunen Erfahrungen zu sammeln, führen GIZ, Inaes und DGRV verschiedene Aktivitäten wie zum Beispiel einen Trainingszyklus zu Energie und Genossenschaftswesen und die technische Unterstützung von sechs Pilotprojekten in verschiedenen Regionen Mexikos durch. In jedem Gebiet wird eine Initiative zur Erzeugung Erneuerbarer Energie unterstützt und beraten. Es wird mit bestehenden Genossenschaften gearbeitet, wie beispielsweise dem Genossenschaftsverband Tosepan Titataniske, der 40.000 überwiegend indigene Mitglieder in mehreren Genossenschaften vereint, sowie mit Gruppen von Produzenten, wie zum Beispiel der Initiative von lokalen Ziegelproduzenten im Großraum der Stadt Guadalajara im Bundesstaat Jalisco. Mit diesen und anderen Aktivitäten werden Kommunen als grundlegende Akteure für die Energiewende und Nachhaltigkeit im Allgemeinen gestärkt.

Ausblick

Die Covid-19-Pandemie hat für die Förderung von Erneuerbaren Energien in der Region enorme Herausforderungen und Rückschläge mit sich gebracht. Angesichts der Gesundheits- und Wirtschaftskrise haben sich einige Prioritäten verschoben und die Genossenschaften und andere Sektoren haben sich darauf konzentriert, die dringendsten Bedürfnisse zu erfüllen. Diese Pandemie hat aber auch die Chance eröffnet, dass die Erholung auf einen nachhaltigeren Weg führt. In Brasilien hat sich die Nutzung von erneuerbaren Energien in Genossenschaften in 2020 trotz der Corona-Krise ausgeweitet. Es sind sogar sechs neue Energiegenossenschaften gegründet worden.

Erneuerbare Energien sind eine Priorität, um sich den neuen Realitäten zu stellen, und die internationale Zusammenarbeit kann dazu beitragen, indem sie Impulse für Gemeinschaftsprojekte in der lateinamerikanischen Region gibt und so die Einbeziehung von gefährdeten Gruppen und Gemeinschaften in die Energiewende und den Klimaschutz unterstützt. Der DGRV sieht in Mexiko und Brasilien, aber auch in anderen Ländern der Region trotz der aktuellen Herausforderungen gute Perspektiven für die dezentrale Erzeugung sauberer Energien unter Bürgerbeteiligung durch Genossenschaften.

Virtueller EWS-Gesprächsabend „Energiewende im Globalen Süden“

Vom GENO-Haus Stuttgart aus gestreamt: Ein virtueller Gesprächsabend der Energiewerke Schönau eG (EWS) am 11. Mai 2021 hatte sich der Fragestellung „Nachhaltige Zukunft dank grüner Bürgerenergie?“ gewidmet. In seinem Grußwort stellte BWGV-Präsident Dr. Roman Glaser die Arbeit der Auslandsabteilung des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbands und die Arbeit der 2013 gegründeten Genossenschaftlichen Stiftung für Entwicklungszusammenarbeit GESTE des BWGV heraus. Es diskutierten Bärbel Höhn, MdB a.D. und heutige Sonderbeauftragte für Energie in Afrika des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Norbert Barthle, MdB und Parlamentarischer Staatssekretär im BMZ, und EWS-Vorstandsmitglied Armin Komenda. Laut Bärbel Höhn hätten 580 Millionen Menschen, also rund die Hälfte der Bevölkerung des Kontinents, noch immer keinen hinreichenden Zugang zu Elektrizität. Dies gelte besonders für ländliche Regionen. Hier böten die Erneuerbaren Energien besondere Chancen, das Leben der Bevölkerung zu verbessern. Armin Komenda betonte in diesem Kontext das große Potenzial von Energiegenossenschaften: Diese könnten mit Wissenstransfer und ihren Best-Practice-Erfahrungen helfen, weltweit nachhaltige genossenschaftliche Strukturen zu schaffen und damit Menschen selbst an ihrer Energieversorgung zu beteiligen. Norbert Barthle betonte den absehbar hohen Wasserstoff-Bedarf in der Zukunft und berichtete von einer riesigen Pilotanlage in Marokko, die derzeit unter Beteiligung des BMZ entsteht.

Ziegelherstellung Südamerika DGRV Projekt
Es wird in Sachen Erneuerbarer Energien zum Beispiel mit der Initiative von lokalen Ziegelproduzenten im Großraum der Stadt Guadalajara im mexikanischen Bundesstaat Jalisco gearbeitet.
DGRV Projekt Brasilien
In der Region João Pessoa im Bundesstaat Paraíba im Nordosten Brasiliens wurde 2019 eine Energiegenossenschaft gegründet und eine Photovoltaik Anlage auf einem Grundstück eines Mitglieds gebaut.
DGRV Projekt Lateinamerika
Das brasilianische Handbuch zur Gründung von Photovoltaik-Energiegenossenschaften.
DGRV Projekte Laterinamerika
Im Dezember 2020 wurde der „Leitfaden für nachhaltige Energiegenossenschaften in Mexiko“ veröffentlicht, ein Dokument, das als Grundlage für die Entwicklung von genossenschaftlichen und kommunalen Energiemodellen dient.

 

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