Gemischte Schlussbilanz der Weinlese 2017 in Württemberg: Die Auswirkungen des heftigen Spätfrosts im April sind zwar deutlich spürbar, jedoch vielerorts nicht ganz so gravierend wie ursprünglich befürchtet. Die diesjährige genossenschaftliche Erntemenge liegt gut 27 Prozent unterhalb der Vorjahresmenge und etwa 32 Prozent unter der gesetzlich zulässigen Verkaufsmenge. „Trotz der zahlreichen Herausforderungen im Verlauf des Vegetationsjahres werden die 2017er-Weine eine sehr gute Qualität bieten“, sagt Dr. Roman Glaser, der Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV), zum Abschluss der Lese 2017 in den Räumen des Weinkonvents Dürrenzimmern in Brackenheim (Kreis Heilbronn). Fast 70 Prozent der Rebflächen in Württemberg werden genossenschaftlich erfasst. Für Glaser ist und bleibt die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft (eG) ein „Zukunftsmodell“ – gerade auch in der Weinwirtschaft.
Die Erntemenge der 41 Weingärtnergenossenschaften (WG) in Württemberg liegt dieses Jahr bei rund 60 Millionen Litern. Im Vorjahr haben die württembergischen Weingärtnergenossenschaften noch 82,8 Millionen Liter in die Keller eingebracht. Der Ertrag 2017 liegt bei etwa 81 Hektoliter je Hektar Rebfläche (2016: 111) – allerdings gibt es große regionale Unterschiede. Einige Regionen sind durch Frostschäden von deutlichen Ertragsausfällen betroffen, etwa Kocher-Jagst-Tauber, Hohenlohe/Weinsberger Tal und auch die Lagen rund um Stuttgart. Die durchschnittlichen Mostgewichte bei den Hauptsorten liegen in Württemberg wie folgt: Riesling 82 Grad Oechsle, Schwarzriesling 80 Grad, Spätburgunder 84 Grad, Trollinger 74 Grad und Lemberger 85 Grad. Die Hauptlese ist bereits abgeschlossen.
Extrem frühe Lese nach sehr herausforderndem Vegetationsjahr
Die Lese in Württemberg hat in diesem Jahr deutlich früher als üblich begonnen – schon Mitte August haben Weingärtner in Heilbronn die ersten Trauben geerntet –, und sie wurde in Rekordzeit abgeschlossen. Bereits Anfang/Mitte Oktober waren die Trauben vielerorts vollständig in die Keller eingebracht. Das Vegetationsjahr erwies sich als ausgesprochen herausfordernd: Nach einem sehr frühen Austrieb wurden die Weingärtner Mitte April von einem heftigen Spätfrost überrascht, der für große Schäden an den Pflanzen sorgte. Frostnächte sind im April nicht ungewöhnlich, jedoch sorgten die außergewöhnlich tiefen Temperaturen sowie der bereits sehr weit fortgeschrittene Vegetationsstand für Beschädigungen an Trieben und Blüten. Dennoch führten erneute Austriebe vielerorts dazu, dass auch in den betroffenen Rebflächen noch qualitativ hochwertige Trauben geerntet werden konnten. Die sehr zügige Entwicklung der Trauben wurde über den Sommer stellenweise durch Trockenheit und lokale Hagelereignisse beeinträchtigt. „Regenperioden während der Reife der Trauben sind bei Weingärtnern nicht beliebt. Aufgrund der kühlen Witterung der vergangenen Wochen hat sich die Situation allerdings zum Positiven gewendet“, berichtet Ute Bader, Fachberaterin Wein und stellvertretende Bereichsleiterin Beratung Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften beim BWGV. Die Expertin rechnet trotz der zahlreichen Herausforderungen mit einem überwiegend sehr guten Jahrgang. In Jahren wie 2017 machen sich die Investitionen der Weingärtnergenossenschaften in hochqualifiziertes Personal und modernste technische Ausstattung besonders bezahlt. „Die gärenden Moste zeigen bereits jetzt eine sehr schöne Aromatik. Die Konsumenten dürfen sich auf fruchtige und sortentypische Qualitätsweine freuen“, berichtet Bader.
Der Absatz der württembergischen Weingärtnergenossenschaften mit eigener Kellerwirtschaft und eigenem Vertrieb ist im ersten Halbjahr 2017 um 0,8 Millionen auf 33,5 Millionen Liter Wein und Sekt gestiegen (plus 2,4 Prozent). Der Umsatz ging im gleichen Zeitraum jedoch um 2,5 Millionen Euro auf 98,2 Millionen Euro (minus 2,5 Prozent) zurück. Im Jahr 2016 haben die württembergischen Weingärtnergenossenschaften mit eigener Kellerwirtschaft und eigenem Vertrieb 69,2 Millionen Liter Wein und Sekt verkauft (minus 0,1 Millionen Liter beziehungsweise 0,2 Prozent). Der Umsatz verringerte sich im gleichen Zeitraum um 1,1 Millionen Euro (0,5 Prozent) auf 218 Millionen Euro. Der Durchschnittserlös je Liter Wein und Sekt lag im Jahresverlauf 2016 bei 3,15 Euro (2015: 3,16 Euro).
Herausfordernder Weinmarkt – Zuwächse beim Weißwein
Der Weinmarkt in Deutschland gestaltet sich nach wie vor schwierig: „Die Ausgaben der deutschen Haushalte für alkoholische Getränke sind im ersten Halbjahr 2017 erneut gesunken. Die Ursachen für diese Entwicklung liegen zum einen in einem kritischeren Umgang mit Alkohol und dem Nachfragerückgang bei Bier sowie zum anderen im Preisverfall bei Konsumweinen. Insbesondere im Segment der Rot- und Roséweine sind beträchtliche Rückgänge zu beklagen“, berichtet Dieter Weidmann, Vorstandsvorsitzender der Württembergischen Weingärtner-Zentralgenossenschaft eG (WZG). Im ersten Halbjahr lag der Weineinkauf der privaten Haushalte mengenmäßig 2,6 Prozent und wertmäßig 4,8 Prozent unter den Werten des Vorjahreszeitraums. Vom Mengenrückgang sind diesmal Rotweine mit minus 6,6 Prozent (Wert: minus 7,6 Prozent) und vor allem Roséweine mit minus 9,1 Prozent (Wert: minus 9,9 Prozent) am stärksten betroffen. Weißweine konnten dagegen bei den Mengen um 3,5 Prozent (Wert: minus 0,4 Prozent) zulegen. „Auch deutsche Weine bleiben von der negativen Gesamtentwicklung nicht verschont. Württemberger Weine können zwar gegen den Markttrend bei der Käuferreichweite wieder zulegen, geraten jedoch bei Intensität und Wiederkaufsrate unter Druck, so dass der Marktanteil um einen Prozentpunkt nachgibt“, erläutert Weidmann. Unter den deutschen Anbaugebieten liegt der Marktanteil Württembergs nach Menge bei zehn Prozent, nach Umsatz bei elf Prozent. Die WZG in Möglingen rechnet in diesem Jahr mit einer Einlagerungsmenge von 15,1 Millionen Liter. Das entspricht einem Rückgang im Vergleich zum Vorjahr um 5,2 Millionen Liter beziehungsweise gut 26 Prozent. Im Vergleich zum zehnjährigen Mittel beträgt der Rückgang 4,2 Millionen Liter beziehungsweise 22 Prozent.
Strukturwandel im Weinbau geht weiter – Zwei Gründungen
Auch 2016 setzte sich der Strukturwandel im Weinbau fort. Seit Jahren ist die Zahl der Betriebe in Württemberg rückläufig – von 16.200 im Jahr 2000 auf 9.320 zum Jahresende 2016. Insbesondere kleine Nebenerwerbsbetriebe geben vermehrt auf, während die Zahl der Betriebe über fünf Hektar kontinuierlich zunimmt – von 389 im Jahr 2000 auf 662 zum Jahresende 2016. In Württemberg arbeiten 40 Weingärtnergenossenschaften, darunter 16 (ohne WZG als Zentrale), die ihre Weine im eigenen Keller ausbauen. Die Zahl der Mitarbeiter (inklusive der WZG) liegt bei 723 (2015: 733). Die genossenschaftliche Ertragsrebfläche hat sich 2016 in Württemberg leicht von 7.462 Hektar auf 7.439 Hektar (minus 23 Hektar beziehungsweise minus 0,3 Prozent) verringert. Dennoch entspricht dies immer noch fast 70 Prozent der Gesamtfläche. „Wir wollen die genossenschaftliche Rebfläche möglichst hoch halten. Nur gemeinsam sind die Weingärtner in Württemberg stark und für alle Zukunftsherausforderungen gewappnet“, sagt BWGV-Präsident Glaser. 2016 gab es in Württemberg eine Fusion: Die Weingärtnergenossenschaft Heuholz hat sich mit der Weinkellerei Hohenlohe in Bretzfeld-Adolzfurt zusammengeschlossen. Neu gegründet wurden die Württemberger Weinbergwerk eG in Besigheim sowie die Weingärtner Remstal eG in Weinstadt. Im laufenden Jahr ist bisher noch keine Fusion geplant.
BWGV ist „strategischer Partner“ seiner Mitglieder
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Herausforderungen im Weinbau steht der BWGV seinen Weingärtnergenossenschaften als strategischer Partner unterstützend zur Seite und intensiviert weiter sein Engagement in der Beratung. „Eine Genossenschaft hat in ihrer Zukunftsgestaltung immer drei Optionen“, sagt Präsident Glaser. „Neben Fusionen sind dies Kooperationen sowie die zukunftsorientierte strategische Neuausrichtung in Eigenregie.“ Bei allen drei Prozessen unterstützt der Genossenschaftsverband seine Mitglieder und bietet ihnen umfangreiche Struktur- und Zertifizierungsberatungen, aber auch strategische Unterstützung, Beratungen auf der Kostenseite sowie in Fragen der Oenologie.
Weinkonvent Dürrenzimmern produziert Spitzenrotweine
Der Spätfrost und auch die Kirschessigfliege haben beim Weinkonvent Dürrenzimmern glücklicherweise nur Schäden im erträglichen Rahmen verursacht. „Wir schätzen, dass unsere Erntemenge in diesem Jahr etwa 10 bis 15 Prozent unterhalb des Vollertrags liegt. Vor dem Frosthintergrund stellt das ein sehr gutes Ergebnis für uns dar“, sagt Matthias Göhring, Geschäftsführer des Weinkonventes Dürrenzimmern eG in Brackenheim im südlichen Landkreis Heilbronn. Der Weinkonvent Dürrenzimmern im Zabergäu, einem der bedeutendsten Rotweingebiete Deutschlands, ist dieses Jahr Gastgeber der Wein-Pressekonferenz des BWGV. „Das uns angediente Traubengut liegt erfreulicherweise in der Qualität deutlich über den Erwartungen und lässt auf einen wunderbaren Jahrgang hoffen“, freut sich Göhring und rechnet für 2017 mit einer Erntemenge von 2,35 Millionen Kilogramm Trauben (Vorjahr: 2,63 Millionen Kilogramm). Der Weinkonvent Dürrenzimmern peilt für das Jahr 2017 einen Absatz von 1,5 Millionen Litern (Vorjahr: 1,45 Millionen Liter) und einen Jahresumsatz von 6,35 Millionen Euro (Vorjahr 6,24 Millionen Euro) an.
Gestaffelte Lese in Toplagen des Zabergäus
„Aufgrund unserer konsequenten und gestaffelten Lesephilosophie bekommen wir derzeit ein wunderbares Lesegut von unseren Erzeugern geliefert“, erläutert der Geschäftsführer, der die Durchschnittsoechsle auf 83 Grad schätzt (Vorjahr: 81 Grad). „Wir zählen nicht zu den größten, jedoch zu den außergewöhnlichsten und charaktervollsten Kooperativen und gehören mittlerweile zum festen Bestandteil der deutschen Spitzenrotweinerzeuger“, betont Göhring. „Unser innovatives Team mit 32 Mitarbeitern prägt unser Haus, in dem Tradition und Moderne vereint und Team- und Weingeist groß geschrieben werden“, führt er weiter aus. Die Lagen „Dürrenzimmerner Mönchsberg“, „Stockheimer Altenberg“ sowie „Dürrenzimmerner Heuchelberg“ auf „einmaligen mineralstoffreichen Keuperverwitterungsböden“ sind die wichtigsten Anbauflächen des Weinkonvents.
„Die Genossenschaft wurde 1937 von 139 Weingärtnern gegründet, um Innovation, Schaffenskraft und Qualitätsstreben zu vereinen“, berichtet der Geschäftsführer. 2015 wurde der heutige Name „Weinkonvent“ eingetragen und das Konventgebäude mit einer Investitionssumme von rund zwei Millionen Euro umgebaut. Die Flaschenausstattung sei komplett erneuert, die Qualität in den Flaschen „nochmals deutlich gesteigert“ worden, sagt Göhring. Zahlreiche Auszeichnungen und Preise wie etwa „Beste Barriquekollektion Deutschlands 2017“ (DLG) und „Eine der 50 schönsten Vinotheken“ (DWI) hat der Weinkonvent bereits erhalten. Er zählt aktuell 330 Mitglieder, davon 193 Traubenerzeuger. Die Ertragsfläche beträgt knapp 200 Hektar, mehr als 70 Prozent davon sind mit Rotweinsorten bepflanzt, knapp 30 Prozent mit weißen Rebsorten. Die wichtigsten Rebsorten des Weinkonvents – jeweils auf die Gesamtfläche bezogen – sind: Lemberger mit 26 Prozent, Riesling mit 19 Prozent und Trollinger mit 15 Prozent.