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12 Stationen, 3 Tage, 1 Thema - die GENO-Tour 2014

Geno-Tour
BWGV

Ende Februar 2014 fanden sich mehr als 80 Zuhörer zum „Zukunftsforum Genossenschaft“ in der Stadthalle Kehl ein. Das „Zukunftsforum Genossenschaft“ ist eine neue Veranstaltung des BWGV mit dem Ziel, grundsätzliche und politisch aktuelle Fragestellungen für Genossenschaften zu thematisieren. Dabei soll der Blick nach vorne gerichtet und künftige Entwicklungsfelder für Genossenschaften angesprochen werden. Das „Zukunftsforum Genossenschaft“ ist somit ein Impuls zum Weiterdenken. BWGV-Präsident Dr. Roman Glaser skizzierte in seiner Rede die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen, welche die Geschäftsfelder von Genossenschaften weiter prägen werden.

Mit schnelleren Fortschritten in der Informations- und Kommunikationstechnologie, der stetigen Globalisierung und Internationalisierung und demographischen Herausforderungen wurden drei Eckpunkte hervorgehoben. Dabei können Genossenschaften ihre Stärke gerade in einem Umfeld von Volatilität und Dynamik ausspielen und haben einen wesentlichen Vorteil gegenüber anderen Unternehmensformen. „Bei den Herausforderungen durch Globalisierung und Internationalisierung hilft die Dezentralität der  Genossenschaften und dass sie sehr anpassungsfähig und flexibel sind. Der genossenschaftliche Verbund ermöglicht es, dass auf den zunehmenden Wettbewerbs- und Kostendruck angemessen eingegangen werden kann“, so Glaser.

Positiver Einfluss in Wertschöpfungskette

Dies wurde auch durch Daten einer aktuellen Studie der Europäischen Kommission untermauert. Mit dem Fokus auf landwirtschaftliche Genossenschaften konnte aufgezeigt werden, dass Genossenschaften einen messbar positiven Einfluss auf die Rolle der Produzenten in der Wertschöpfungskette haben. In Ländern, in denen Genossenschaften über relevante Marktanteile verfügen, sind die durchschnittlichen Erzeugerpreise höher als in Staaten, in denen Genossenschaften keine Rolle spielen. Auch in anderen Branchen verzeichneten Genossenschaften ein beachtliches Wachstum, wie Beispiele aus der Informationstechnologie, der wissensbasierten Dienstleistungen und der Energiewirtschaft zeigten. „Die wirtschaftliche Entwicklung von Energiegenossenschaften verweist auf deren tragfähige Geschäftsmodelle, unabhängig von Förderung durch die EEG-Vergütung“, gab Glaser zu bedenken. Ungeachtet der politischen Eingriffe wird der Energiesektor für Genossenschaften ein Entwicklungsfeld bleiben. Dies wurde auch von EU-Kommissar Günther H. Oettinger, der in der Europäischen Kommission das Energieressort verantwortet, konstatiert. Mit seinem Gastvortrag wurde für den Auftakt des Zukunftsforums ein Schwerpunkt im Bereich der Energiepolitik gesetzt. Oettinger betonte die weiterhin vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten für Genossenschaften in der Energiewirtschaft, wobei vor allem das Potenzial bei der Energieeffizienz und in der interkommunalen Zusammenarbeit noch vielfach nicht genutzt werde.
„Die Genossenschaftsidee führt dazu, dass viele Bürger Mitunternehmer werden und damit aktiv Verantwortung für eine zukunftsorientierte Wirtschaft übernehmen“, betonte Oettinger.

Dies wird auch durch die Zahl der Genossenschaftsgründungen bestätigt, 246 neue Genossenschaften haben sich in den zurückliegenden seit 2004 in Baden-Württemberg konstituiert. Diese kommen insbesondere aus Zukunftsbranchen wie Energie, Bildung, Infrastruktur und dem sozialen Bereich. Darüber hinaus bestimmen Genossenschaften zunehmend die Entwicklung des ländlichen Raums. „Sowohl bestehende Genossenschaften wie unsere Volksbanken und Raiffeisenbanken als auch neue Genossenschaften wie etwa Dorfläden sichern eine notwendige Infrastruktur im ländlichen Raum. Sie ermöglichen neue Kooperationen für Kinderbetreuung und setzen selbstbestimmtes Leben bis ins hohe Alter durch innovative Pflege- und Wohnmodelle um. Und sie treiben die Energiewende durch Energiegenossenschaften voran“, erklärte Glaser.


Im Februar 2014 fand die erste GENO-Tour statt


Das „Zukunftsforum Genossenschaft“ bildete den Auftakt der GENO-Tour 2014, einem dreitägigen Expertenaustausch. Unter dem Motto „12 Stationen, 3 Tage, 1 Thema“ reisten Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft durch das Land und besuchten Genossenschaften vor Ort. Dabei wurden aktuelle Belange von Genossenschaften diskutiert und Entwicklungslinien im Genossenschaftswesen aufgezeigt. Besucht wurden unter anderem das Raiffeisen-Kraftfutterwerk in Kehl, die Winzergenossenschaft in Durbach, die Fiducia IT AG in Karlsruhe und die Volksbank Karlsruhe, das Alb-Elektrizitätswerk in Geislingen an der Steige, die BÄKO Südwürttemberg in Reutlingen sowie Intersport Deutschland in Heilbronn.

Landwirtschaft im Fokus

Auf der ersten Etappe der GENO-Tour beschäftigten sich die Teilnehmenden mit landwirtschaftlichen Genossenschaften. Im Raiffeisen-Kraftfutterwerk in Kehl stellte Geschäftsführer Bernhard Stoll die nachhaltige Produktion des Kraftfutterwerks vor. Er betonte dabei, dass Bioprodukte sich zunehmender Beliebtheit erfreuen, jedoch nicht immer auch automatisch nachhaltig hergestellt werden, wenn die Zutaten dafür mitunter Tausende von Kilometern herantransportiert werden müssen. Daher kommen die Rohstoffe für das Tierfutter, soweit es möglich ist, aus regionalem Anbau in Baden-Württemberg. Mit Bedacht wählten die Erbauer des Raiffeisen-Kraftfutterwerks in den 1960er Jahren Kehl als Standort mitten im Anbau- und Verbrauchsgebiet. Die verkehrsgünstige Lage, wo sich Schiene, Straße und Wasserwege kreuzen, ist ein entscheidender Standortvorteil.

Bei der zweiten Station, der Durbacher Winzergenossenschaft eG, erläuterte der geschäftsführende Vorstand Dr. Johannes Himmelsbach die Besonderheit der badischen Weine. Besonders beeindruckt zeigten sich die Teilnehmer von den Rebflächen. Aufgrund der topografischen Lage wird der Weinbau in Durbach fast ausschließlich in Steillagen mit teilweise bis zu 80 Prozent Hangneigung betrieben. Auch die hohe genossenschaftliche Prägung im Weinbau war den Teilnehmern nicht bekannt. Mehr als 70 Prozent der Rebflächen in Baden und Württemberg werden von Genossenschaften bewirtschaftet. Da die Weingärtner- und Winzergenossenschaften im Besonderen und die landwirtschaftlichen Genossenschaften im Allgemeinen vor zahlreichen strukturellen Herausforderungen stehen, wurde am Abend in einer Diskussionsrunde mit Silke Obst, Mitarbeiterin im Kabinett des EU-Kommissars für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, und mit Joachim Hauck, Ministerialdirigent im Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum Baden-Württemberg, die aktuelle Lage der Landwirtschaft bewertet und Perspektiven erörtert.

Anregungen zur Beseitigung inpraktikabler Vorschriften und Vorschläge für die zielgenauere Ausrichtung von Förderprogrammen wurden von den Entscheidungsträgern aus Stuttgart und Brüssel wohlwollend aufgenommen.Genossenschaftsbanken im Fokus Die zweite Etappe der GENO-Tour führte in die Leitstelle des Fiducia-Rechenzentrums in Karlsruhe. Klaus-Peter Bruns, Vorsitzender des Vorstands, erläuterte die vielfältigen Dienstleistungen der Fiducia und konnte den Teilnehmern die herausragende Stellung der Fiducia als IT-Partner für genossenschaftliche Banken näher bringen. Vertieft wurde die Diskussion über aktuelle Herausforderungen im Bankenwesen bei der Volksbank Karlsruhe eG. Vorstandsmitglied Andreas Lorenz gab einen Überblick über die praktischen Auswirkungen der europäischen Gesetzgebung für die tägliche Arbeit und legte den wachsenden administrativen Aufwand dar. Dies wurde durch einen Impulsvortrag von BWGV-Verbandsdirektor Gerhard Schorr aufgegriffen und im Kontext der besonderen Stellung der Genossenschaftsbanken mit den Teilnehmern und Dietmar Bachmann als Vertreter des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg diskutiert.

Geno-Tour 2014
Geno-Tour 2014

Gewerbliche Genossenschaften im Fokus

Den nächsten inhaltlichen Block der GENO-Tour stellte das Thema Energie dar. Im Alb-Elektrizitätswerk Geislingen-Steige eG wurden die Teilnehmer vom Vorstandsvorsitzenden Hubert Rinklin in die aktuelle Debatte zur Reform des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) eingeführt. Nadja Milkowski und Katja Rottmann als Vertreterinnen des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg und Nils Opitz-Leifheit, Parlamentarischer Berater der SPD-Fraktion im Landtag, gingen dabei auf die gegenwärtigen Reformvorschläge ein und skizzierten die möglichen Szenarien für Baden-Württemberg.

BWGV-Präsident Glaser verwies in diesem Zusammenhang auf die Geschäftsmodelle von Energiegenossenschaften, welche unabhängig von der EEG-Umlage tragfähig sind. Dass Genossenschaften nicht nur Dienstleister für den Mittelstand, sondern auch Teil des Mittelstands sind, wurde bei der neunten Station der GENO-Tour deutlich. Bei der Besichtigung der Intersport Deutschland eG in Heilbronn zeigte sich die ganze Vielfalt der genossenschaftlichen Welt. Vorstand Kim Roether beeindruckte die Delegation mit der Größe und Komplexität des Sportfachhandelsverbunds. Mit der Integration von Intersport Österreich und weiteren osteuropäischen Ländern verfügt Intersport Central Europe, wie das Unternehmen voraussichtlich ab 2016 heißen soll, über 1.861 Fachgeschäfte, die einen Umsatz von 3,34 Mrd. Euro erwirtschaften. Die Intersport International (IIC) ist in 63 Ländern vertreten und kommt auf Erlöse in Höhe von rund 11 Mrd. Euro. Roether betonte, dass das Herz der Genossenschaft trotz des Internationalisierungskurses weiterhin in Heilbronn schlagen werde. „Genossenschaften zahlen Steuern und investieren vor Ort“, sagte der Vorstand.

Perspektiven für Genossenschaften

Die Eindrücke der regionalen Wirtschaftskraft und starken Bindung zu der Region wurden auch bei dem elften Programmpunkt der GENO-Tour gefestigt. Promovierende der Forschungsstelle für Genossenschaftswesen an der Universität Hohenheim präsentierten ihre Forschungsarbeiten und zeigten den aktuellen Stand der Genossenschaftsforschung auf. Den Abschluss der GENO-Tour bildete ein Austausch mit der Leiterin der Abteilung Wirtschaftsförderung der Stadt Stuttgart Ines Aufrecht zu Herausforderungen von Mobilität und Infrastruktur in Metropolregionen und ländlichen Räumen. Eine alternde Gesellschaft in ländlichen Räumen und ein weiteres Anwachsen von Metropolen sind für eine moderne Infrastruktur zentrale Aufgabenfelder. In der Diskussion wurden die Chancen von interkommunaler Zusammenarbeit im Rahmen von genossenschaftlichen Unternehmen ausgelotet und die Genossenschaften als Triebfeder für Synergien in der regionalen Entwicklung identifiziert.

In einer abschließenden Bewertung beschriebenen die Teilnehmer der GENO-Tour ihre persönlichen Eindrücke, wobei die Vielfalt der Genossenschaften besondere Erwähnung fand. Das anspruchsvolle und inhaltlich dichte Programm mit zwölf Stationen in drei Tagen konnte somit wesentlich zu einem besseren Verständnis der genossenschaftlichen Besonderheiten bei europäischen und regionalen Entscheidungsträgern beitragen. Dabei hat die GENO-Tour junge und ältere Teilnehmer für die Unternehmensform der eG sensibilisiert sowie Genossenschaften als attraktive Arbeitgeber präsentiert.

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