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Das Mitglied ist Mittelpunkt der Genossenschaft

Das Mitglied steht im Mittelpunkt
BWGV

Was haben eine Volksbank, eine Winzer- oder Weingärtnergenossenschaft, eine Raiffeisenbank und die BÄKO, eine Energiegenossenschaft und die Euronics gemeinsam? Sie haben alle die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft, die ihren Mitgliedern gehört. Immerhin: Jeder dritte Einwohner in Baden-Württemberg ist Mitglied mindestens einer Genossenschaft. Das Mitglied steht im Mittelpunkt. So steht es im Genossenschaftsgesetz § 1, Absatz 1: Die Förderung der Mitglieder ist Dreh- und Angelpunkt des gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs. Grund genug, an dieser Stelle diesen fundamentalen Wesenskern der Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft, das Alleinstellungsmerkmal schlechthin, ins Licht zu rücken. Was in der Genossenschaft passiert, ihr Geschäftsmodell, ist extrem vielfältig.

Volksbanken und Raiffeisenbanken bringen Nutzen für die Gesellschaft

Bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken ist die Geschäftsidee schon über 150 Jahre alt. Die Sparer einer Region überlassen ihr Geld den Genossenschaftsbanken als Einlage. Das bedeutet, dass die genossenschaftlichen Banken ihre Mittel aus vielen kleinteiligen Kundenanlagen erhalten und sich nicht von den Launen anonymer Kapitalmärkte abhängig machen. Auf der anderen Seite der Bankbilanz stehen die Kredite. Mit den Einlagen aus der Region finanzieren die Volksbanken und Raiffeisenbanken eine Vielfalt von Investitionen in der Region, deren Risiko sie aufgrund der Nähe zu den Kunden zuverlässig beurteilen können. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken haben in der Finanz- und Staatsschuldenkrise keinen Rettungsschirm gebraucht. Sie haben den Landes- oder den Bundeshaushalt nicht belastet und sie sind gute Steuerzahler geblieben. Das zeigt, dass eine Genossenschaft über die Förderung ihrer Mitglieder hinaus Nutzen für die Gesellschaft stiftet. Die 18 Millionen Mitglieder der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Deutschland unterstützen die regionalen Wirtschaftskreisläufe. Das sind Geschäfte, die solide, überschaubar und kontrollierbar sind. Die demokratische Unternehmensform der Genossenschaft sorgt für Transparenz und gibt vielfältige Möglichkeiten der Information und Mitsprache.

Bürger- und Unternehmer-Genossenschaften bewegen etwas

Bei den neugegründeten Genossenschaften lässt sich anschaulich und ganz leicht nachvollziehen, was die Menschen gerade an dieser Rechtsform anspricht, warum sie in die Fußstapfen der Genossenschaftspioniere Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch treten. „Wie keiner anderen Rechtsform gelingt es der Genossenschaft, wirtschaftlichen Erfolg mit sozialer Verantwortung zu verbinden“, verdeutlicht Dr. Roman Glaser. „Für Deutschland und Baden-Württemberg – dem Bundesland mit der bundesweit höchsten Mitgliederdichte – heißt das konkret, Lösungen für aktuelle Herausforderungen, etwa aus dem demografischen Wandel resultierend, zu finden. Gerade in der regionalen Entwicklung kommt Genossenschaften ein gesellschaftlicher Gestaltungsauftrag zu“, sagt der BWGV-Präsident. Junge Genossenschaften aus Baden-Württemberg versorgen beispielsweise die Automatisierungsindustrie auf dem ganzen Planeten mit Software oder sie vertreiben gemeinsam Reisen im Internet. Zu diesen jungen Unternehmer-Genossenschaften kommt eine große Vielzahl von Bürger-Genossenschaften, die Solarstrom erzeugen und Nahwärmenetze aufbauen. Baden-Württemberg ist das Flächenland mit der größten Dichte an Energiegenossenschaften. Über 140 neue Energiegenossenschaften wurden in den vergangenen Jahren im Südwesten gegründet. Die Bürger investieren Kapital und vollziehen damit die Energiewende in Eigeninitiative. Oder sie hauchen ihrem Dorfladen als Genossenschaft neues Leben ein. Auch zahlreiche Ärzte haben sich in den vergangenen Jahren zu Genossenschaften zusammengeschlossen.

Genossenschaft ist unbürokratisch und am gemeinsamen Ziel orientiert

Die Mitglieder der Aktives Reisebüro Netzwerk eG bei der Beratung.
Die Mitglieder der Aktives Reisebüro Netzwerk eG ergänzen die persönliche Beratung durch eine Genossenschafts-Internet-Plattform.

Menschen und Unternehmen gründen Genossenschaften, weil sie so gemeinsame Ziele leichter erreichen, ohne dabei die eigene Selbstständigkeit aufzugeben. Dabei schätzen Unternehmer wie Bürger, dass diese Rechtsform unbürokratisch ist. Wichtig ist zum Beispiel im Vergleich zu einer GmbH, dass Ein- oder Austritte ohne Notar oder Unternehmensbewertung und damit ohne zusätzliche Kosten erfolgen können. Das sieht auch Alexander Growe so. Er ist Inhaber des Reisebüros Growe in Gottmadingen, Kreis Konstanz, und Vorstandsmitglied der „Aktives Reisebüro Netzwerk eG“. In der Genossenschaft haben sich im Jahr 2009 inhabergeführte Reisebüros zusammengeschlossen, um gemeinsam eine Vertriebsplattform im Internet zu betreiben. „Eine eG bietet eine einfache Handhabe, Eintritte und Austritte sind sehr unkompliziert. Jedes Mitglied hat die gleichen Rechte, unabhängig von seiner Größe, und was sehr wichtig ist: Unsere Selbstständigkeit als Reisebüro-Inhaber bleibt bestehen“, erklärt Growe. Die eG (eingetragene Genossenschaft) ist eine demokratische Unternehmensform. Alle Mitglieder haben grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten, sie kooperieren als gleichberechtigte Partner. Das finden nicht zuletzt Freiberufler besonders attraktiv, wie die Mediatoren und Unternehmensberater, die sich 2009 in der ZMB Zentrum für Mediation und Beratung eG, Karlsruhe, zusammengeschlossen haben, der ersten genossenschaftlichen Kooperation dieser Art in Baden-Württemberg. „Ihre demokratischen Strukturen ermöglichen es, gleichberechtigt an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten“, sagt Birgit Hauser, eine der vier Gründer, über die Genossenschaft. Seit der Novelle des Genossenschaftsgesetzes reichen bereits drei Personen oder Unternehmen aus, um eine Genossenschaft zu gründen; vorher waren sieben nötig.

Traditions-Genossenschaften entwickeln sich stetig weiter

Genossenschaftspreis 2015 - Die Preisverleihung
Die ZEG Zentraleinkauf Holz + Kunststoff eG ist Preisträger des Genossenschafts-Preises 2015.

Traditions-Genossenschaften wie die ZEG Zentraleinkauf Holz + Kunststoff eG, Stuttgart, erfinden sich zwar nicht permanent neu, entwickeln sich aber in Sachen Mitgliederorientierung für ihre rund 3.600 selbstständigen Handwerksbetriebe stetig weiter. Dafür wurde beim Genossenschaftspreisträger 2015 eigens die Stelle eines Mitgliederreferenten geschaffen. Die Maßnahmen führten zu einem enormen Mitgliederzuwachs.

Aktiv ist beispielsweise auch die 95 Jahre junge BAG Hohenlohe eG, Schwäbisch Hall, die mit einer Imagekampagne für ihre Mitglieder, rund 2.200 landwirtschaftliche Familienbetriebe in der Hohenlohe und auf der Ostalb, auf deren Leistungen aufmerksam macht.

Der Vorstandsvorsitzende der OSADL eG, Ulrich Doll (rechts), im Gespräch.
Die OSADL eG bündelt die Entwicklung von Software-Komponenten durch Mitglieder für Mitglieder auf Linux-Basis.

Selbst die „große Industrie“ löst inzwischen strategische Herausforderungen innerhalb einer eingetragenen Genossenschaft. Elf Unternehmen haben sich Ende 2005 in der OSADL eG, in Schramberg im Schwarzwald gegründet und heute in Heidelberg ansässig, zusammengeschlossen. Unter den Gründungsmitgliedern waren die Trumpf GmbH + Co. KG mit Hauptsitz in Ditzingen und der weltgrößte Hersteller von Holzbearbeitungsmaschinen, die Homag Holzbearbeitungssysteme AG, Schopfloch, sowie weltweit agierende Hardware- und Software-Hersteller. Ihr Hauptziel ist es, gemeinsam Softwarekomponenten auf Linux-Basis, sogenannte Open-Source-Software, für die Automatisierungsindustrie zu entwickeln. Großunternehmen wie AMD, Intel oder Trumpf profitieren global von den Vorteilen der Mitgliedschaft in der Genossenschaft aus der Universitätsstadt am Neckar. Die Unternehmen haben nach einer geeigneten Gesellschaftsform gesucht, um diese Open-Source-Projekte zu steuern, erzählt Dr. Carsten Emde, Geschäftsführer der Genossenschaft, bei der auch Universitäten aus Deutschland, Europa und China Mitglied sind: „Unsere Open-Source-Gemeinschaft soll das tun, was Genossenschaftspionier Friedrich Wilhelm Raiffeisen bereits im vorletzten Jahrhundert proklamierte: ,Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele.‘ Diese Erkenntnis ist zeitlos modern und passt zum Grundgedanken unserer Gemeinschaftsinitiative.“

Mitglieder identifizieren sich mit ihrer Genossenschaft

Eine starke Kundenbindung bei der Dorfladen Gottwollshausen-Gailenkircen eG
Eine starke Kundenbindung in der Dorfladen Gottwollshausen-Gailenkirchen eG.

Das Erfolgsrezept eines genossenschaftlichen Dorfladens bringt Walter Preisinger, von der Gründung 2005 an fünf Jahre lang Aufsichtsratsvorsitzender der Dorfladen Gottwollshausen-Gailenkirchen eG, auf den Punkt. Er war in seiner aktiven Berufszeit Vorstandsmitglied der Bausparkasse Schwäbisch Hall. „Die Identifikation mit dem Dorfladen spielt eine wichtige Rolle. Da viele Kunden Mitglied der Genossenschaft sind, ist die Kundenbindung bei uns sicher stärker ausgeprägt.“ Dadurch funktioniert in Gottwollshausen und Gailenkirchen bei Schwäbisch Hall, was andernorts mangels Nachfrage scheitert. Schlanke Strukturen, die durch ehrenamtliches Engagement ergänzt werden, und eine Ausrichtung auf regionale Erzeugnisse und Bioprodukte, wie es die Kunden wollen, gehören dazu. Bei aller Unterschiedlichkeit der Geschäftsideen der Genossenschaften vieler Branchen (der BWGV zählt eGs aus etwa 50 Branchen zu seinen Mitgliedern): Die gemeinsame Klammer ist der genossenschaftliche Grundgedanke der Bündelung der Kräfte der Genossenschaftsmitglieder. Und darauf kommt es an.

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