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„Schülergenossenschaften vermitteln wirtschaftliche Kenntnisse und praktische Erfahrungen“ – Interview mit zwei Ministerinnen

Schülergenossenschaften in Baden-Württemberg
Angelina Ströbel / pixelio.de

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In Baden-Württemberg feiern Schülergenossenschaften ein Jubiläum. Vor zehn Jahren wurde diese Form einer Schülerfirma aus der Taufe gehoben. Die Geno-Graph-Redaktion sprach mit den beiden Schirmherrinnen dieses Projekts, Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, und Theresa Schopper, Ministerin für Kultus, Jugend und Sport, warum sie diese Initiative unterstützen. 

Frau Ministerin Schopper, Frau Ministerin Dr. Hoffmeister-Kraut, Sie beide haben die Schirmherrschaft für das Projekt Schülergenossenschaft in Baden-Württemberg übernommen. Warum? 

MDL Schopper
Kultusministerin Theresa Schopper: „Wenn man immer sagt, dass Schule mehr ist als nur ein Bildungsort, sondern vor allem auch ein Lebens- und Sozialraum, dann gründet diese Aussage auch auf Projekten wie den Schülergenossenschaften.“ 

Schopper: Schülerfirmen spielen im Schulalltag bei vielen Schulen eine Rolle, Kinder und Jugendliche können sich auch im Rahmen von Wettbewerben mit anderen Schülerfirmen messen und ihre kreativen Ideen nutzen, um auch ihre Kompetenzen weiterzuentwickeln. Praxisnah und spielerisch. Dabei stellt auch die genossenschaftliche Idee eine starke Säule dar. Denn gemeinsam ist mehr möglich. Als pädagogisches Projekt helfen Schülergenossenschaften den Schülerinnen und Schülern, sich auf die berufliche und gesellschaftliche Welt nach der Schule praxisnah und mit direkter Rückmeldung von Fachleuten vorzubereiten. Sie können ihre eigenen Ideen umsetzen und in der Praxis auf den Prüfstand stellen. Dabei schärfen sie ihre Schlüsselkompetenzen.

Die Schülergenossenschaften sind im Kontext der Beruflichen Orientierung also interessante Praxiserfahrungen mit direktem Bezug zur Arbeitswelt. Zudem fördern sie die Demokratieerziehung. Dies alles sind wichtige Aspekte für die Entwicklung von Heranwachsenden. Es liegt mir als Kultusministerin am Herzen, dass unsere Kinder und Jugendlichen robust aus der Schule gehen und vorbereitet sind für das Erwachsenenleben. Und hier können auch Schülergenossenschaften einen wichtigen Beitrag leisten. 

Hoffmeister-Kraut: Ich unterstütze das Projekt gerne, weil es wichtig ist, Schülerinnen und Schülern frühzeitig einen Einblick in den Berufsalltag zu ermöglichen, ihren Unternehmergeist zu wecken und sie so auf die berufliche Selbständigkeit vorzubereiten. Durch die Schülergenossenschaften können Schülerinnen und Schüler spannende Einblicke in konkrete soziale und wirtschaftliche –  durchaus komplexe – Zusammenhänge erlangen. Natürlich ist das auch immer mit viel Spaß verbunden. Ich bin jedes Jahr aufs Neue begeistert, mit wie viel Kreativität, Eigeninitiative und Teamgeist die Jugendlichen die Herausforderungen angehen. Wichtig ist für mich, dass sie neben wirtschaftlichen Kenntnissen auch praktische Erfahrungen im Gründungsbereich sammeln. Das alles kann durchaus bei der späteren Berufsorientierung von Nutzen sein. Wenn bei einigen Schülerinnen und Schülern dadurch der Unternehmergeist geweckt wird und der oder die eine oder andere eine Firmengründung in Erwägung zieht, haben wir alle gewonnen. Denn unser Wirtschaftsstandort kann von jungen und innovativen Gründerinnen und Gründern nur profitieren. 

Was macht Schülergenossenschaften aus und wodurch können Schülerinnen und Schüler sowie auch die Partnergenossenschaften profitieren?    

Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut
Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut: „Mit den Schülergenossenschaften können junge Menschen für eine Unternehmensform gewonnen werden, die wirtschaftliches Handeln mit Selbstverwaltung, Eigenverantwortung und Selbsthilfe verbindet und für bürgerschaftliches Engagement steht.“ 

Hoffmeister-Kraut: Schülergenossenschaften sind von Schülerinnen und Schülern in Eigenverantwortung geführte Schülerfirmen. Sie werden wie echte Unternehmen gegründet und bleiben nachhaltig über die Schuljahre hinweg bestehen. Projekte mit Schülergenossenschaften ergänzen die breit angelegten Initiativen zur Gründungsqualifizierung von Schülerinnen und Schülern, deren Ziel unter anderem die Gründung von Schülerfirmen ist. Mit den Schülergenossenschaften können junge Menschen für eine Unternehmensform gewonnen werden, die wirtschaftliches Handeln mit Selbstverwaltung, Eigenverantwortung und Selbsthilfe verbindet und für bürgerschaftliches Engagement steht. Dieses Wirtschaften auf demokratischer Basis, das nicht Gewinnmaximierung, sondern Mitgliederförderung zum Ziel hat, macht die Besonderheit einer Schülergenossenschaft aus. Und als Wirtschaftsministerin freut es mich natürlich ganz besonders, dass unsere Schülerinnen und Schüler bei der Gründung einer Schülergenossenschaft vor Ort von einer Partnergenossenschaft begleitet und betreut werden. Für die Partnergenossenschaft ergibt sich wiederum die Chance, junge Menschen als Nachwuchs für sich zu gewinnen.

Schopper: Mit den Schülerfirmen und Schülergenossenschaften können Kinder und Jugendliche konkret anhand von Projekten erleben, was mittels Kooperation und gegenseitiger Hilfe möglich ist. Wer miteinander spricht, sich austauscht, zusammen Impulse entwickelt und Ideen reifen lässt, erhöht die Chancen auf ein gutes Ergebnis. Schülerinnen und Schüler lernen dabei unter anderem, wie wichtig eigenverantwortliches Handeln für die Gruppe ist und wie bedeutend aber auch das gemeinsame Agieren für den Erfolg ist. Selbsthilfe, Selbstverantwortung, Selbstverwaltung, Mut, Kommunikation, Organisation, Arbeiten in der Gruppe und vieles mehr. Das bieten die Schülergenossenschaften und Schülerfirmen den Kindern und Jugendlichen. Beim Lernen außerhalb des Regelunterrichts können sie sich zudem von einer ganz anderen Seite zeigen. Manche wachsen dabei regelrecht über sich selbst hinaus. Von einer Teilnahme an dem Projekt profitieren Schülerinnen und Schüler demnach in vielerlei Hinsicht.

Wie können Sie als Schirmherrinnen Schülergenossenschaften konkret unterstützen?

Hoffmeister-Kraut: Durch unsere Schirmherrschaften setzen wir ein Zeichen, dass die Förderung der nächsten Generation ein wichtiges Anliegen der Landesregierung ist. Die Unterstützung des Kultusministeriums und des Wirtschaftsministeriums kann den Schülergenossenschaften in Baden-Württemberg neben anderen Schülerfirmen zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. Wir hoffen, dass wir so immer mehr Schülerinnen und Schüler für die Gründung einer Schülergenossenschaft begeistern können. Aber das ist übrigens auch eine gute Werbung für die Rechtsform der Genossenschaft. 

Schopper: Wir können in erster Linie Werbung für Schulprojekte wie das der Schülergenossenschaften machen, sodass sich mehr Schulen dafür interessieren, Genossenschaften bei sich einzurichten. Wenn man immer sagt, dass Schule mehr ist als nur ein Bildungsort, sondern vor allem auch ein Lebens- und Sozialraum, dann gründet diese Aussage auch auf Projekten wie den Schülergenossenschaften. Denn in der gemeinsamen praxisnahen, aber vor allem auch am Spaß orientierten Arbeit im Rahmen von Schülerfirmen kommt das soziale Miteinander deutlich zum Tragen. Außerdem bietet es sich natürlich an, das Thema Schülergenossenschaften auch in den Unterricht einzubinden. Schließlich finden dort praxisnah wichtige Einblicke in wirtschaftliche Zusammenhänge statt.

Die Veränderung des Umsatzsteuergesetzes nach EU-Vorgaben ab dem 1. Januar 2023 führt bei vielen Schülerfirmen und somit auch unseren Schülergenossenschaften zu Problemen bei der praktischen Umsetzung. Ohne eine praktikable Lösung werden viele Schülerfirmen aufgeben müssen. Warum konnte hier seitens der Politik bisher noch keine praktikable Lösung gefunden werden und was können Sie als Schirmherrinnen hier noch tun? 

Hoffmeister-Kraut: Aktuell versucht der Initiativkreis „Unternehmergeist in die Schulen“ unter Moderation des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gemeinsam mit vielen Initiativen, unter anderem auch mit dem Genossenschaftsverband, Lösungsmöglichkeiten zu finden. Das Bundeswirtschaftsministerium steht regelmäßig in Kontakt mit dem Bundesministerium für Finanzen. Denn Änderungen oder wohlwollende Prüfungen weiterer Lösungsvorschläge liegen ausschließlichen in der Zuständigkeit und dem Ermessen des Bundesfinanzministeriums in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder. In meinem Ministerium bestehen Überlegungen, eine weitere Kooperation mit den Rechtsanwaltskammern zu der bereits bestehenden Kooperation der rechtlichen Beratung bei der Gründung einer Schülerfirma anzustreben, mit dem Ziel, dass Rechtsanwälte hinsichtlich der aus der Umsatzsteuerpflicht entstehenden Fragen zur Haftung beraten.

Schopper: Wie meine Kollegin schon sagt: Wir arbeiten auf Landes- und Bundesebene an Lösungen, die allen Beteiligten, allen voran den Schülerinnen und Schülern helfen, damit die Schülerfirmen und Schülergenossenschaften die durch die Gesetzesänderung entstehenden Herausforderungen besser meistern können. Hier tun wir unser Mögliches, um praktikable Lösungen zu finden.

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