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Altersvorsorgesystem in seiner Vielfalt erhalten und stärken

Hans Joachim Reinke,Vorstandsvorsitzendervon Union Investment
Union Investment

Union Investment bleibt trotz eines sehr holprigen Jahresauftakts an den Börsen auf Wachstumskurs. Mit 10,6 Milliarden Euro erzielte die Fondsgesellschaft der genossenschaftlichen FinanzGruppe den zweitbesten Nettoabsatz innerhalb der letzten fünf Jahre. Die Assets under Management stiegen im Vergleich zur Jahresmitte 2015 um 9,2 Prozent auf 275,4 Milliarden Euro. Der Nettoabsatz des institutionellen Geschäfts bewegt sich mit 6,6 Milliarden Euro mit Ausnahme des außergewöhnlichen Vorjahreswerts (9,4 Milliarden Euro) im Rahmen der letzten fünf Jahre.


Der seit 2012 anhaltend positive Nettoabsatz im Privatkundengeschäft hat sich auch im ersten Halbjahr 2016 mit 4,0 Milliarden Euro fortgesetzt. Absatzfavoriten waren einmal mehr Multi-Asset- Lösungen. Ihnen flossen im ersten Halbjahr netto 2,7 Milliarden Euro zu. Davon entfielen 1,5 Milliarden Euro auf die sechs PrivatFonds. Stark nachgefragt wurden nach wie vor Offene Immobilienfonds, in die Privatanleger bis Ende Juni 1,5 Milliarden Euro anlegten. Über die Halbjahresbilanz und die Situation in den Altersvorsorgesystemen sprach die Geno-Graph-Redaktion mit Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment.

Herr Reinke, wie zufrieden sind Sie mit dem Halbjahresergebnis?

Wir sind 2015 rasant gewachsen. Unter dem Eindruck der zunehmenden Volatilität der Märkte stellte sich jedoch die Frage, in welchem Tempo die Entwicklung für die Fondsbranche und für Union Investment weitergehen kann. Unser Anspruch war es, die Union-Investment-Gruppe auch in diesem Umfeld weiter voranzubringen, und dies ist uns gelungen. Im institutionellen Geschäft blicken wir insgesamt in den ersten sechs Monaten auf ein dynamisches Wachstum. Unsere Lösungen werden von genossenschaftlichen und nicht-genossenschaftlichen Kunden im In- und Ausland rege nachgefragt. Bei den Privatkunden zählen wir auch in diesem Jahr zu den absatzstärksten Fondsgesellschaften. Erfreulich ist, dass viele private Kunden trotz schwieriger Rahmenbedingungen Kurs halten. Unsere Absatzfavoriten waren einmal mehr Multi-Asset-Lösungen. Immer mehr Anleger erkennen zudem die Chancen des ratierlichen Fondssparens für einen nachhaltigen Vermögensaufbau.

Sparen ist also nicht aus der Mode gekommen?

Wie wir aus der Marktforschung wissen, liegt den Deutschen das Sparen weiterhin „im Blut“. Es gibt den Menschen ein gutes Gefühl, weil Sparen die Handlungsfähigkeit für die Zukunft erhält. Nur 3,8 Prozent der Deutschen sparen nicht. Sparen ist also nicht tot, sondern wird höchstens totgeredet. Dies zeigt auch die Zahl der Fondssparverträge in den vergangenen zwölf Monaten: Sie ist um mehr als 16 Prozent auf 1.281.000 gestiegen. Zum Wachstum beigetragen hat auch unsere Entscheidung, zum Jahreswechsel die Mindestsparrate auf 25 Euro monatlich zu senken. Stabil entwickelte sich auch das ratierliche Geschäft mit der Riester-Rente. Hier investierten die Sparer im ersten Halbjahr 665 Millionen Euro.

Die Politik bastelt an einigen Änderungen an der gesetzlichen und privaten Altersvorsorge. Wie beurteilen Sie die Situation und die öffentlich diskutierten Vorschläge zu Neuerungen?

Das deutsche Rentensystem beruht auf zwei Grundpfeilern, dem Umlageverfahren und dem kapitalgedeckten Verfahren. Hier wurde über Jahrzehnte ein System entwickelt, das sich bewährt hat. Jetzt sind wir an einem Punkt angekommen, an dem nicht nur ein, sondern beide Grundpfeiler des Vorsorgesystems vor großen Herausforderungen stehen. Auf der einen Seite verschärft sich die Lage durch die demografische Entwicklung, auf der anderen Seite wird das Niedrigzinsumfeld über einen langen Zeitraum die kapitalgedeckte Vorsorge erschweren. Und nun passiert etwas, das ich nicht verstehe: In dieser Situation werden Stimmen laut, dass es besser sei, zu nur einem Grundpfeiler zurückzukehren und die verschiedenen Vorsorgeformen eng zu begrenzen. Die Vorschläge aus der Politik, die darauf abzielen, Umlageverfahren als einzigem Träger der Altersvorsorge zurückzukehren, sehen wir daher kritisch. Mir konnte bislang keiner erklären, wie man die Stabilität eines Gebäudes erhöht, indem man einen tragenden Eckpfeiler wegschlägt.

Was schlagen Sie stattdessen vor?

Wir plädieren klar dafür, das bestehende Vorsorgesystem in Deutschland aufrechtzuerhalten und zu stärken. Wir sind von der Tragfähigkeit des bestehenden Altersvorsorgemodells überzeugt. Auch unter den veränderten Rahmenbedingungen macht das Zusammenspiel von Umlageverfahren und Kapitaldeckung das System robust. Gleichwohl gilt es aufgrund der aktuellen Herausforderungen, den Weiterentwicklungsbedarf zu identifizieren und an diesen Stellschrauben zu drehen, um das etablierte und bewährte Modell zukunftsfähig zu machen.

Welche Stellschrauben meinen Sie konkret?

Je nachdem, welche Bedeutung man der gesetzlichen Rentenversicherung, der betrieblichen Altersvorsorge oder der geförderten und ungeförderten privaten Vorsorge im Gesamtsystem beimisst, wird man zu unterschiedlichen Antworten kommen, um den Lebensstandard jetziger und künftiger Generationen zu sichern. Beispielsweise gilt es, in der gesetzlichen Rentenversicherung in allen Zeiten Maß zu halten, damit auch künftige Generationen an den Leistungen der staatlichen Vorsorge partizipieren können. Großzügige politische Geschenke zu verteilen, kann aus unserer Perspektive zum Beispiel nicht zielführend sein.

Wäre dies allein ausreichend oder muss an der privaten Vorsorge auch etwas geändert werden?

Nein, es reicht nicht aus. Auch die geförderte private Vorsorge kann für die Sparer optimiert werden. Es würden sich noch mehr Menschen für diese Form des Vorsorgesparens entscheiden, wenn die Riester-Rente in der Auszahlungsphase nicht auf die Grundsicherung angerechnet, Fördergrenzen und Zulagenhöhen dynamisiert und der Kreis der Berechtigten erweitert würde. Und in der ungeförderten privaten Vorsorge gibt es ebenfalls Möglichkeiten, das Vorsorgen für die Deutschen attraktiver zu machen. Zum Beispiel durch steuerliche Anreize, wie sie in anderen Ländern seit vielen Jahren erfolgreich praktiziert werden. Kurzum: Es gibt viele konstruktive Wege, das bestehende System zu stärken und gleichzeitig die Eigeninitiative in der Altersvorsorge und beim Sparen voranzubringen.

Was würden Sie sich von der Politik in der Rentendiskussion wünschen?

Was ich vermisse ist eine sachlich fundierte Diskussion unter Einbeziehung aller Beteiligten. Denn trotz aller Reformbemühungen ist es wichtig, den Menschen mehr Verlässlichkeit zu signalisieren und die Sparer, die etwas für ihre Vorsorge getan haben, darin zu bestärken, dass sie etwas richtig gemacht haben. Ich würde mir wünschen, dass wir alle in der öffentlichen Diskussion diese Maxime beherzigen und den Menschen damit mehr Orientierung geben, statt sie durch zugespitzte Aussagen weiter zu verunsichern und die sachliche Diskussion aus den Augen zu verlieren.

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